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Serie: Schein und Sein – Folge 2

Denkmale sind nicht nur hübsches Beiwerk

Dass in der Denkmalpflege die Substanz, das Sein, immer an erster Stelle steht, scheint selbstverständlich. Doch woher kommt der gelegentlich erweckte Schein? Eine Betrachtung.

Lesen Sie Teil 1 unserer Reihe "Schein und Sein" hier.


Es ist eine klassische Ausrede, wie sie Denkmalschützer oft hören: „Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, da darf ohne Genehmigung kein Nagel mehr in die Wand geschlagen werden!“ Mit dieser – natürlich falschen – Behauptung wird eine Entmündigung der Eigentümer von historischen Schätzen suggeriert. Es wird unterstellt, dass Denkmalschutz immer teurer ist, wichtige Entwicklungen und Investitionen verhindere und einflussreich genug ist, dies durchzusetzen. Gleichzeitig erlebt jeder in seinem Umfeld, dass Denkmale verfallen oder gar abgerissen werden – und „die Denkmalpflege“ nichts dagegen unternimmt. Schein und Sein, Anspruch und Wirklichkeit der Denkmalpflege klaffen in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder auseinander.

Das geschichtsträchtige Penighaus sollte einem Neubau weichen. Die öffentliche Diskussion mit maßgeblicher Beteiligung der DSD erreichte die Unterschutzstellung, die Warburger Denkmalstiftung widmet sich nun der Instandsetzung.
Warburg, Pennighaus © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Das geschichtsträchtige Penighaus sollte einem Neubau weichen. Die öffentliche Diskussion mit maßgeblicher Beteiligung der DSD erreichte die Unterschutzstellung, die Warburger Denkmalstiftung widmet sich nun der Instandsetzung.

Oft leidet die Akzeptanz der Denkmalpflege, wenn nur Fassaden erhalten bleiben oder Denkmale ganz verschwinden. Als das zentral in Warburg gelegene Pennighaus einem Neubau mit Eigentumswohnungen weichen sollte, erreichte erst eine öffentliche Diskussion die Rettung durch die Treuhänderische Warburger Denkmalstiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD). In Rendsburg blieb nur die Fassade des Hauses Landsknecht stehen, das gesamte historische Gefüge des Gebäudes ist für immer verloren.


Ist die Denkmalpflege gut gerüstet?


Seit 1993 gibt es in allen Bundesländern eine eigene gesetzliche Grundlage für die Bewahrung von Kulturdenkmalen. Denkmalschutz unterliegt der Kulturhoheit der Länder. Es gibt kein bundesweit gültiges Denkmalschutzgesetz, sondern 16 Landesdenkmalschutz- Gesetze. Trotzdem formulieren sie viele Punkte ähnlich, über alle Novellierungen hinweg, zeigen aber auch regionale Besonderheiten. Es gibt kein Bundesdenkmalamt, sondern 17 Landesdenkmalämter (NRW hat gleich zwei), die nur teilweise selbstständige Fachbehörden sind. Die genehmigenden Unteren Denkmalschutzbehörden in den Kommunen und Landkreisen sind vielfach weisungsgebunden und den für Neubauten zuständigen Bauämtern untergeordnet. Den Gesetzen zufolge haben Denkmalschutz und Denkmalpflege die Aufgabe, Denkmale zu erforschen, zu pflegen, zu schützen und zu erhalten. Ist dadurch alles gesetzlich geregelt und geordnet? Ist die Denkmalpflege in Deutschland gut gerüstet oder ein Papiertiger?

In Rendsburg konnte nur die denkmalgeschützte Fassade des Hauses Landsknecht von 1541 in der Schelfmühlenstraße bewahrt werden. Die vielfältigen Zeitschichten des Gebäudes sind für immer verloren.
Rendsburg, Haus Landsknecht © Carsten Bernot / Luftbildservice Bernot
In Rendsburg konnte nur die denkmalgeschützte Fassade des Hauses Landsknecht von 1541 in der Schelfmühlenstraße bewahrt werden. Die vielfältigen Zeitschichten des Gebäudes sind für immer verloren.

Denkmalpflege basiert nicht nur auf Gesetzen


Entscheidend für die Denkmalwürdigkeit eines historischen Bauwerks ist das öffentliche Interesse daran. So, wie sich unser Geschichtsbild verändert, so verändert sich unser Denkmalverständnis. Entsprach der traditionellen Geschichtsschreibung der Erhalt von Burgen, Schlössern und Rathäusern, folgte der erweiterten Geschichtsforschung die wachsende Bedeutung der Zeugnisse des Bürgertums, der Arbeits-, Technik- oder Wirtschaftsgeschichte. Die Vielschichtigkeit von Denkmalen als Wissensspeicher für heutige und zukünftige Fragestellungen geht weit über Alter oder Schönheit eines Kulturdenkmals hinaus. Denkmalpflege als öffentliche Aufgabe ist eine sich mit der Gesellschaft weiterentwickelnde Disziplin. Diese Weiterentwicklung reduziert jedoch nicht den Wert einzelner Denkmale, wie im Urteil des OVG Münster 2008 zum Metropol-Kino in Bonn festgelegt, das dem Wunsch des Investors auf Löschung von der Denkmalliste entsprach.


Daher müssen und können Bürger selbst Verantwortung übernehmen, indem sie ihrerseits ein „öffentliches Interesse“ formulieren. Sie stärken damit den Denkmalbehörden ebenso den Rücken, wie sie sie in die Pflicht nehmen. Kompromisse, „Fassadendenkmalpflege“ und billigere Ausführungen gehen durchweg auf Kosten der historischen Substanz. Geschätzte vier Prozent des Baubestandes in Deutschland ist denkmalgeschützt, jeder Verlust ist unwiderruflich. Rekonstruktionen ersetzen nie das Original, das jede Hilfe verdient, damit uns die Geschichtszeugen nicht irgendwann ausgehen. Angewendete Denkmalschutzgesetze sind wichtige und gute Instrumente, um sie vor kurzfristigen und rein wirtschaftlich geprägten Interessen ebenso zu schützen wie vor unsachgemäßem Umgang, oft nur aus Unkenntnis. In der politischen Debatte indessen hat ein vernehmbares öffentliches Interesse und gesellschaftliches Bewusstsein für den einzigartigen Wert von Kulturdenkmalen großen Wert. Denkmalpflege basiert nicht nur auf Gesetzen, Denkmalpflege funktioniert da, wo sie von Überzeugung und Begeisterung getragen wird.

Bonn, Metropol © Holger Strotmann / ddp images
Bonn, Metropol © mauritius images / Alamy / McPhoto / Waldkirch
 

Weil in den 1980-er Jahren Eingriffe in die Kuppel des historischen Metropol-Kinos in Bonn genehmigt wurden, erstritt der Investor 2008 die Löschung von der Denkmalliste vor Gericht. Wo früher die Besucher vor der Leinwand saßen, führt heute eine Rolltreppe in ein Zwischengeschoss. Zurück geht es zu Fuß über die Treppe.


Dabei spielt die ausreichende und fachliche personelle Besetzung der Denkmalbehörden eine wichtige Rolle. Beratung und Unterstützung der Denkmaleigentümer wirkt überzeugender als die juristische Belehrung. Praktische Hilfe, gute Ideen und auch die Möglichkeit einer finanziellen Förderung sind wichtig, vielfach jedoch nicht ausreichend. Die Denkmal-Budgets von Ländern und Kommunen entsprechen durchweg nicht der Bedeutung und dem Umfang ihrer Aufgabe. Schnell wird dagegen den Behörden Bürgernähe abgesprochen, wenn sie mehr fordern als dass sie helfen können. Private Vereine und Stiftungen wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz springen oft ein. Sie ermöglichen aufwendigere, dafür nachhaltige und denkmalgerechte Lösungen, wenn zur Vermeidung vollständiger Verluste Kompromisse notwendig erscheinen. So entschieden sich die Eigentümer des Gutshauses Zarchlin begeistert für die Aufarbeitung und Rettung der 99 historischen Fenster, als die DSD eine entsprechende Förderung anbieten konnte. Private Förderungen dürfen jedoch nicht als Alibi zur Reduzierung öffentlicher Mittel dienen.


Die in den Gesetzen geforderte wirtschaftliche Zumutbarkeit wird vielfach gegen den Erhalt eines maroden Denkmals ins Feld geführt, ohne die Einsparungen durch mangelnden Bauunterhalt oder die enorme Lebensdauer der Denkmale gegenzurechnen. Eine denkmalgerechte Instandsetzung rechnet sich langfristig, sie schlägt im aktuellen Finanzierungsbedarf eines Denkmaleigentümers jedoch noch nicht zu Buche. Für den Werterhalt von Denkmalen sind für private Denkmaleigentümer und Vereine Zuschüsse daher wichtiger als Darlehen und Steuerabschreibungen. Es widerspricht dem allgemeinen Wunsch nach klaren Regelungen, dass jedes Denkmal ein Einzelfall ist, erst sein besonderer Wert macht es zum Kulturerbe. Es gibt keine Standardlösungen, Lösungen müssen individuell erarbeitet werden, im gemeinsamen Miteinander von Eigentümer, Architekt, Handwerk und Denkmalbehörden. Denkmalpflegerische Standards entwickeln sich über Generationen, moderne Materialien und Methoden sind ihren historischen Vorgängern keineswegs überlegen und stellen wegen fehlender Erprobung vielfach eine Gefahr dar. Patina erweist sich wertvoller als neuer Glanz.

Unterstützt von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) retteten die Eigentümer das Gutshaus im mecklenburgischen Zarchlin und die 99 historischen Fenster.
Zarchlin, Gutshaus © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Unterstützt von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) retteten die Eigentümer das Gutshaus im mecklenburgischen Zarchlin und die 99 historischen Fenster.

Denkmale sind nicht nur hübsches Beiwerk


Denkmalpflege kann in der aktuellen Diskussion um Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft bedeutende Erfahrungen, Wissen und Impulse einbringen. Nachwachsende Baustoffe, Reparaturfähigkeit oder Kreislaufwirtschaft sind geübte Praxis in der Denkmalpflege, hier wird scheinbar Altes neu gedacht und zukunftsfähig. Die Bewahrung des historischen Erbes wird daher mit berechtigtem Selbstbewusstsein betrieben. Denkmale sind nicht nur „hübsches Beiwerk“, sie sind wichtige Wissensspeicher, kostbar und identitätsstiftend, sie stehen nicht zur Disposition. Gemeinsam können Denkmalpfleger und Bürger die Politik in die Pflicht nehmen, die vorhandenen Instrumente zu stärken und zu nutzen: die guten Gesetze, fachliches Personal und finanzielle Mittel sichern nicht nur den Schein.


Ursula Schirmer


Lesen Sie Teil 3 unserer Reihe "Schein und Sein" hier.

Mehr Schein als Sein? Immer häufiger wirkt es, als hätten Denkmalpfleger gegenüber wirtschaftlichen und Eigentümerinteressen das Nachsehen. Wir sprechen mit Prof. Dr. Markus Harzenetter (55), Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission und des Kuratoriums der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sowie Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen und Vorsitzender der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger.


Ist die Position der Denkmalpflege in Deutschland in den letzten Jahren schwieriger geworden?


Das kann man so pauschal nicht beantworten. Es gibt unterschiedliche Entwicklungen in den Bundesländern und Arbeitsfeldern der Denkmalpflege. Der Bund beispielsweise engagiert sich heute auf nationaler Ebene finanziell sehr viel stärker als noch vor zehn, fünfzehn Jahren.


Hat sich die Arbeit der Denkmalpfleger verändert?


Die Partner, mit denen die Denkmalpflege zusammenarbeitet, sind vielschichtiger geworden: zivilgesellschaftliche Akteure, bedeutende Stiftungen wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, kommunale Denkmalschützer, Hochschulen. Denkmalpflege findet verstärkt in Prozessen statt, bei denen man sie auf den ersten Blick gar nicht vermutet. Beispiel Klimawandel: Durch die anhaltend heißen und trockenen Sommer sind unsere historischen Gärten und Parkanlagen massiv gefährdet. Beispiel Covid-19-Pandemie: Noch gar nicht abzusehen sind die Folgen für den durch den Onlinehandel ohnehin schon geschwächten Einzelhandel und damit für die künftige Entwicklung unserer historischen Innenstädte. Beispiel Demographie: Beispiel Demographie: Die akute Wohnungsnot setzt den Gebäudebestand in den Ballungsräumen einem erheblichen Druck aus, während ländliche Räume in einigen Regionen Deutschlands vor dem Problem verödender Ortskerne stehen.

  

In Bayern wurde gerade ein Antrag formuliert, der Geldbußen bei Verstößen gegen das Denkmalschutzgesetz von künftig bis zu fünf Millionen Euro statt wie bisher nur bis zu 250.000 Euro fordert.

Markus Harzenetter © Steffen Boettcher

 

Es wird sogar vereinzelt gefordert, bei Verstößen auch Haftsanktionen zu ermöglichen. Was halten Sie davon?


Denkmale sind in kultureller Hinsicht öffentliches Eigentum. Es darf sich also nicht rechnen, Kulturdenkmale aus kühlem Kalkül zu zerstören und ein Bußgeld sehenden Auges in die Gewinnmarge einzukalkulieren. In den Augen von rein profitwirtschaftlich denkenden Unternehmen kann es sich durchaus „lohnen“, ein Baudenkmal abzureißen. Die Höhe der Bußgelder sollte den realen Immobilienpreisen gerecht werden. Unser Ziel ist es allerdings immer, durch Aufklärung und zielführende rechtliche Rahmenbedingungen die Bausubstanz zu sichern, nicht die Zerstörung zu sanktionieren.


Die Rolle der privat organisierten Denkmalpflege erscheint für „das Sein“ der Denkmalpflege immer wichtiger. Wird das in den Ämtern auch so gesehen?


Es gibt nicht „die Denkmalpflege“. Denkmalpflege wird wesentlich getragen von der Gesellschaft und wird auch außerhalb der Wissenschaft betrieben als eine übergeordnete Kulturidee des Bewahrens. Eine so verstandene Denkmalpflege fand und findet heute vielfach in zahlreichen Institutionen, Vereinen, Initiativen und Stiftungen statt. Diesen auch in politischer Hinsicht sehr erfolgreichen privaten Netzwerken steht die „amtliche“ Denkmalpflege, die sich auch um die zahlreichen kleineren und weniger beachteten Bau- und Bodendenkmäler ohne privaten „Paten“ kümmert, zur Seite.


Herzlichen Dank.


Das Gespräch führte Beatrice Härig

 

 

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