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Fünf Künstlerhäuser und ihre Geschichte

Gebaute Kunst

Künstler schaffen Kunstwerke – auch ihre Häuser werden Kunst. Entdecken Sie mit uns Künstlerhäuser des 19. und 20. Jahrhunderts und erfahren Sie mehr über die herausfordernde Arbeit der Denkmalpflege.

Die neuklassizistische Villa des Secessionisten Franz von Stuck in München wurde als moderne Sensation gefeiert. Das Künstlerehepaar Bossard kreierte mit der Kunststätte in Jesteburg ein expressives Gesamtkunstwerk und der Bildhauer Friederich Werthmann sanierte das barocke Landgericht Kreuzberg in Kaiserswerth grundlegend zur Nutzung als Atelier- und Wohnhaus. Künstlerhäuser sind beeindruckend. Denn nur bei wenigen Menschen sind Leben und Arbeiten so miteinander verwoben – sie sind biografische Spuren, Belege des künstlerischen Œuvres, räumliche Gesamtkunstwerke und mitunter entstehen ganz neue Lebenswelten: Aber vor welche Herausforderungen stellen die Bau- und Kunstdenkmale die Denkmalpflege?


Svenja Brüggemann

Junkerhaus – das erste Museum in Lemgo

Die reiche Bauornamentik an der Fassade zeigt die beeindruckende Arbeit des Künstlers.
Lemgo, Junkerhaus © mauritius images / Heinz-Dieter Falkenstein / imageBROKER
Die reiche Bauornamentik an der Fassade zeigt die beeindruckende Arbeit des Künstlers.

„Das [äußere] Gesamtbild [versetzt] uns unwillkürlich in Märchenstimmung, die noch erhöht wird, wenn wir das Innere betreten. Alles mutet fremd- und eigenartig an; beschreiben lässt es sich nicht.“ So wird das Junkerhaus in einem Führer durch Lemgo von 1907 skizziert. Laut einem Jugendfreund erklärte Karl Junker selbst: „Ich werde einen neuen Stil erfinden. Man wird mich vielleicht nicht gleich verstehen.“ Auch wenn der Künstler schon 1893 gegen 20 Pfennig Entgelt durch den Rohbau führte, erhöhte sich das Interesse an dem „Hause am Hamelschen Wege“ und Junkers Kunst erst später. Noch heute wird die Zuordnung zur Outsider Art in der Fachwelt diskutiert. Erst 1971 – mit der Sicherung und Bewahrung des künstlerischen Nachlasses, der vorher ungeschützt im Haus lag – startet der Weg zum heutigen Kunstmuseum: Nach jahrelanger Restaurierung erfolgt 1991 der Eintrag in die Denkmalliste. 2004 eröffnet dann das Museum Junkerhaus, das durch einen Glasgang mit dem Künstlerhaus verbunden ist. Diese klare Trennung zwischen historischen Künstlerräumen und der Exposition des Werkes bewerten Experten der Denkmalpflege positiv. Damit ist eine geeignete Präsentation des Gesamtkunstwerkes von Karl Junker geschaffen.

Der Salon: Jeder Raum und jedes Möbelstück sind einzigartig.
Lemgo, Junkerhaus © Peter Hirth / laif
Der Salon: Jeder Raum und jedes Möbelstück sind einzigartig.
Karl Junker (1850–1912) war früh Waisenkind. Am Ende seines Lebens lebte er abgeschieden in seinem Haus.
© Museen Lemgo
Karl Junker (1850–1912) war früh Waisenkind. Am Ende seines Lebens lebte er abgeschieden in seinem Haus.
 




Villa Stuck – sein schönstes Kunstwerk

Die Villa Stuck in München an der Prinzregentenstraße: außen reduziert, innen opulent.
München, Villa Stuck © mauritius images / Bildagentur-online / Joko / Alamy
Die Villa Stuck in München an der Prinzregentenstraße: außen reduziert, innen opulent.

Klare Bauformen, glänzende Goldmosaiken und prachtvolle Tapisserien: Sein Wohn- und Atelierhaus ließ sich der Künstler Franz von Stuck nach seinen Entwürfen in zwei Jahren errichten. Mit der Grundsteinlegung am 16. Oktober 1897 startete der Bau des größten Kunstwerks des Malers. In dem Münchener Ensemble mit Künstlergarten verbanden sich Leben, Architektur, Plastik, Musik und Theater: Die Gattin beispielsweise gab im Musiksalon unter einem glänzenden Sternenhimmel Konzerte. Stuck kombinierte Elemente aus Antike, Byzanz, Orient und Hochrenaissance mit Jugendstil und Symbolismus. Seit 2005 ist diese aufregende Welt in den historischen Räumen des jetzigen Museums wieder zugänglich: In 13 Jahren haben sich Kirchenmaler und Restauratoren diverser Gewerke damit beschäftigt, die vom Künstler entworfene Innenausstattung wiederherzustellen. Die umfangreiche Instandsetzung und partielle Umbauten ermöglichten es, die Besucherströme entsprechend der empfindlichen Substanz zu reduzieren. Auch im Krieg schwer beschädigte Malereien Franz von Stucks wurden restauriert und komplettieren die künstlerische Vielfalt aus dem 19. bis 21. Jahrhundert der Villa Stuck.

Der Musiksalon: Den Sternenhimmel malte Stuck nach pompejanischem Vorbild, die Hauptwände thematisieren Gesang und Tanz.
München, Villa Stuck © Wolfgang Pulfer / Museum Villa Stuck
Der Musiksalon: Den Sternenhimmel malte Stuck nach pompejanischem Vorbild, die Hauptwände thematisieren Gesang und Tanz.
1905 malte sich Franz von Stuck (1863–1928) so: „Selbstbildnis im Atelier“.
© bpk / Nationalgalerie, SMB / Jörg P. Anders
1905 malte sich Franz von Stuck (1863–1928) so: „Selbstbildnis im Atelier“.
 




Kunststätte Bossard – Kunst als Zeitzeuge

Die Kunststätte Bossard im norddeutschen Jesteburg wurde 2012 mit dem Europa-Nostra-Preis geehrt.
Jesteburg, Kunststätte Bossard © Florian Monheim / Bildarchiv Monheim
Die Kunststätte Bossard im norddeutschen Jesteburg wurde 2012 mit dem Europa-Nostra-Preis geehrt.

Zurück zur Natur! Das Künstlerehepaar Johann Michael und Jutta Bossard faszinierte die Ruhe und Schönheit der Lüneburger Heide. In Jesteburg errichteten sie nach eigenen Entwürfen ab 1911 ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Gartenkunst: die Kunststätte Bossard. Der Künstler hatte sich der Lebensreformbewegung angeschlossen und übernahm völkische Ideale, die sich auch im Bau zeigen. Aktuelle Pläne für ein kostspieliges Kunstmuseum auf dem Gelände – die „Kunsthalle Nordheide“ – beurteilen Kritiker deshalb als problematisch. Kunsthistorisch hat das Ensemble einen besonderen Wert. Es ist ein wichtiges Zeugnis des Backsteinexpressionismus in Norddeutschland. Die bedrohten historischen Räume konnten durch einen gestalterisch angepassten Ausstellungsbau sowie Zutrittsreglements für die Besucher entlastet werden. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt den Erhalt des einzigartigen Gesamtkunstwerkes als wichtiges historisches und politisches Zeugnis.

Der Erossaal: Johann Michael Bossards Atelier – selbst den Teppich gestaltete er.
Jesteburg, Kunststätte Bossard © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Der Erossaal: Johann Michael Bossards Atelier – selbst den Teppich gestaltete er.
Jutta Bossard (geb. Krull 1903–96) und Johann Michael Bossard (1874–1950).
© Kunststätte Bossard
Jutta Bossard (geb. Krull 1903–96) und Johann Michael Bossard (1874–1950).
 




Hoetger-Hof – „Das Kreative Haus“

An der Straße „Hinterm Berg“ errichtete der Bildhauer sein Haus. Heute wird es für Seminare genutzt.
Worpswede, Hoetger-Hof © Jens Meier, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
An der Straße „Hinterm Berg“ errichtete der Bildhauer sein Haus. Heute wird es für Seminare genutzt.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz förderte an dem organisch gestalteten Ziegelhaus, das Teil der Künstlerkolonie Worpswede ist, die Restaurierung der farbigen Fassung an den Traufunterseiten. „Starke Bewetterung, ältere Wasserschäden und teils Ausfluglöcher von holzzerstörenden Insekten“ benennt die Restauratorin Johanna Fuchs (40) als Ursachen für die notwendige Konservierung und Restaurierung der gefährdeten Kunst. Die farbigen, freihändig gemalten Formen und Gestalten erinnern an ägyptische Hieroglyphen, Tiergestalten und Sternbilder. Entstanden sind sie an Ort und Stelle in den Jahren 1921/22, als Bernhard Hoetger den expressiven Bau mit den weit herabgezogenen Traufen und der reichen Dachlandschaft mit spitzen Winkeln und Fledermausgauben baute. Bis in den letzten Winkel gestaltete er das Haus innen und außen. Überschattet wird Hoetgers künstlerische Leistung von seiner Sympathie für den Nationalsozialismus – auch wenn seine Kunst als „entartet“galt und er aus der NSDAP ausgeschlossen wurde.

An der Fassade genau wie im Innenraum erkennt man die typisch geschnitzten Holzbalken.
Worpswede, Hoetger-Hof © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
An der Fassade genau wie im Innenraum erkennt man die typisch geschnitzten Holzbalken.
Bernhard Hoetger (1874–1949) gestaltete noch weitere Bauten im Künstlerdorf, wie das „Kaffee Verrückt“ oder die Große Kunstschau.
© Hoetger-Hof
Bernhard Hoetger (1874–1949) gestaltete noch weitere Bauten im Künstlerdorf, wie das „Kaffee Verrückt“ oder die Große Kunstschau.
 




Künstleranwesen Werthmann-Heyne – ein lebendiges Denkmal

In der Beletage des barocken Hauses ging die Düsseldorfer Kunstszene in den 1970er-Jahren ein und aus.
Düsseldorf, Werthmann-Heyne-Villa © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
In der Beletage des barocken Hauses ging die Düsseldorfer Kunstszene in den 1970er-Jahren ein und aus.

„Friederich Werthmann sah sich selbst als Denkmalpfleger“, erzählt der Kunsthistoriker Hartmut Witte. Ab 1960 begann der Bildhauer und gelernte Maurer die Bauwerke seines Anwesens in Kaiserswerth wiederherzustellen. Mit seiner Frau Maren Heyne nutzte er das ehemalige Landgericht Kreuzberg als Wohn- und Ateliergebäude. Um den Erhalt des Denkmals und ihres Nachlasses kümmerten sie sich frühzeitig und gründeten 2006 die treuhänderische Werthmann-Heyne-Stiftung unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Es ist der gemeinsame Wunsch, diesen Ort der Kunst dauerhaft zu erhalten: Zuerst wurde der Skulpturengarten zugänglich gemacht. Nun sollen Pflegemaßnahmen an den Gebäuden folgen: Für den barocken Bau sowie die Werkstatt werden Nutzungskonzepte erwogen, die den Erhalt der Substanz und die Vermittlung des Lebenswerkes denkmalgerecht verbinden. „Das geht von der Wiederinbetriebnahme der Werkstatt bis hin zu einem Gebäude für Ausstellungen, Konzerte oder Vorträge“, erzählt Witte. Auch eine regelmäßige Öffnung des Skulpturengartens soll die Kunstwerke erlebbar machen. Ein „lebendiges Denkmal“ eben – ganz im Sinne der Fotografin Maren Heyne und ihres Mannes Friederich Werthmann, der 2018 starb.

Teils noch ausgestattet mit rheinischen Decken: Die ehemalige Einsegnungskapelle von 1709 diente Werthmann als Metallwerkstatt auf dem über 800 Jahre alten Gelände.
Düsseldorf, Werthmann-Heyne-Villa © Hartmut Witte
Teils noch ausgestattet mit rheinischen Decken: Die ehemalige Einsegnungskapelle von 1709 diente Werthmann als Metallwerkstatt auf dem über 800 Jahre alten Gelände.
Mit Dynamit geformt: die Stahlskulptur „Ypsilon“. Maren Heyne fotografierte ihren Mann 1979.
© bpk / Maren Heyne
Mit Dynamit geformt: die Stahlskulptur „Ypsilon“. Maren Heyne fotografierte ihren Mann 1979.
 

 

Wir fördern Künstlerhäuser

Der Erhalt von Künstlerhäusern liegt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) am Herzen. Neben dem Typus expressiver Gesamtkunstwerke und großer Anwesen, ist auch der Erhalt der Objekte mit leiserer Erscheinung bedeutsam. Nur selten verdichten sich relevante Aussagen an Denkmalen so intensiv wie an Künstlerhäusern: Der Bau, der Garten, das Inventar und der künstlerische Nachlass bedingen einander und stellen in ihrer Vermittlung an die Öffentlichkeit eine komplexe und spannende Aufgabe dar. Zusätzlich zum jährlichen Förderprogramm der DSD sind Treuhandstiftungen ein wichtiges, auf Dauer angelegtes Förderinstrument für Restaurierung, Erhalt und Pflege der Denkmale. Unter den 255 treuhänderischen Stiftungen sind neben der o. g. Werthmann-Heyne-Stiftung auch unter anderem die Rolf Dietrich Schmidt-Stiftung oder die Marianne Foerster-Stiftung tätig. Sie schützen und pflegen das Reetdachhaus des Künstlers Rolf Dietrich Schmidt in Aventoft und das Wohnhaus und den Garten Karl Foersters in Potsdam. Die Stiftung Haus Cauer verantwortet die klassizistische Villa der Bildhauerfamilie Cauer aus Bad Kreuznach mit dem historischen Ateliergebäude, zahlreichen Exponaten und einem denkmalgeschützten Garten.
www.denkmalschutz.de/treuhandstiftung

 

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