Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Streiflichter Handwerk Denkmale in Gefahr Menschen für Monumente Menschen für Denkmale Ausgabe Nummer Dezember Jahr 2020 Denkmale A-Z H
Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz retten Mats Ciupka und Kiri Westphal in Brandenburg ländliche Bauten, die mancher bereits für verloren hielt. Eine Geschichte über zwei Idealisten und viel Arbeit.
Das über 320 Jahre alte, leerstehende Bauernhaus in Altranft war dem Landkreis Märkisch- Oderland eine große Last. Niemand wollte es übernehmen: zu verfallen, zu unwirtschaftlich. Als das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege es schließlich 2018 auf die Liste „Gefährdete Denkmale“ setzte, kauften Zimmermann Mats Ciupka (52) und seine Frau, die Architektin Kiri Westphal (47), das märkische Mittelflurhaus im Oderbruch. Die zwei nennen sich selbst „die Häuserretter“. Seit etlichen Jahren kämpfen sie im nordöstlichen Brandenburg gegen den Abriss und gegen den Verfall historischer Gebäude: Sie organisieren öffentliche Aktionen, leisten Überzeugungsarbeit bei Ämtern, Hausbesitzern und Politikern für die Bewahrung der regionalen Baukultur. Sie übernehmen und sanieren Gebäude, deren Zustand viele für hoffnungslos halten. „Wir kümmern uns, wo sich andere abwenden“, erklärt Westphal.
Handwerkliches
Können überzeugte die DSD
Um gefährdete Denkmale zu sichern, kann der nötige Arbeitseinsatz ganz unterschiedlich ausfallen. Manchmal tauscht Mats Ciupka nur ein paar kaputte Dachziegel aus, um alte Gebäude vor eindringender Nässe zu schützen. Im Falle des Mittelflurhauses ist mehr zu tun. Aber das beunruhigt das Duo nicht. „Wir haben keine Angst vor solchen Schäden“, sagt Ciupka. „Fachwerkhäuser sind für mich wie ein offenes Buch. Ich sehe, was kaputt ist, und kann es in der Regel instand setzen.“ Die Häuserretter empfinden es als ihre Aufgabe, das Denkmal in seiner historischen Ursprünglichkeit zu erhalten und nicht durch eine Modernisierung zu beschädigen: Die typische Raumaufteilung mit großem Längsflur, offener Schwarzküche, Kammern und Stallungen soll genauso bewahrt werden wie die detailreichen, für ein Bauernhaus ungewöhnlich vielseitigen Malereien auf den Lehmwänden und -decken. Stellenweise liegen 33 Farbschichten übereinander!
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt das Paar bei der Instandsetzung der Fachwerkkonstruktion und der Sicherung der restauratorischen Befunde. „Die Häuserretter und ihr Konzept sind für das Mittelflurhaus ein Glücksfall“, sagt Anette Mittring (56), Projektreferentin bei der DSD. „Nicht nur der besondere Zeugniswert des Denkmals und das passende Nutzungskonzept haben die Stiftung überzeugt, das Projekt zu fördern. Ausschlaggebend waren auch das eindrucksvolle Engagement und handwerkliche Können der Eigentümer.“
Seit mittlerweile 30 Jahren ist Mats Ciupka Zimmermann und kann auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückblicken, was die Reparatur von historischen Fachwerkbauten angeht. Seine Gesellenprüfung machte er im Jahr der Wiedervereinigung, bei einem Meister, der ihm die Liebe zum historischen Handwerk vermittelte. Nach Öffnung der Mauer zog es den gebürtigen Westberliner immer wieder hinaus aufs Land. Erschrocken über den Zustand der vielen verfallenen Dörfer half er mit beim Wiederaufbau. Kiri Westphal entdeckte ihre Leidenschaft für die ländliche Baukultur etwas später als ihr Mann, lebt sie aber heute nicht minder intensiv. Nachdem sie für ein großes Berliner Architekturbüro tätig war, machte sie sich selbstständig. Ihr erster Auftrag: der Umbau eines Stalls zu einem Wohngebäude. 2004 erwarb das Paar selbst einen alten Hof in der brandenburgischen Uckermark. Dort leben die beiden mit ihren Kindern und haben ihre Büros und ihre Werkstatt.
Verantwortungsgefühl für historische Bauten
Das Engagement der beiden Häuserretter wird genährt durch ihr Verantwortungsfühl für historische Bauten und den dörflichen Zusammenhalt. „Um Dörfer am Leben zu halten, müssen wir ihre historischen Strukturen und Bauten bewahren“, erklärt Ciupka ihre Beweggründe und ergänzt:
„Alte Häuser sind heimat- und identitätsstiftend.“ Mag das Mittelflurhaus in Altranft noch so klein und unscheinbar sein, für die gesamte Region des Oderbruchs ist dieses Gebäude von großer bauhistorischer Bedeutung. 1698 errichtet, gilt es im Landkreis Märkisch-Oderland als das älteste erhaltene Bauernhaus. Es stammt aus der Zeit, als das sogenannte Oderbruch noch nicht trockengelegt war und die Häuser mit Wällen aus Lehm und Mist vor dem Hochwasser geschützt wurden.
Fest steht, dass sie das architektonische Kleinod nach der Restaurierung der Öffentlichkeit zugänglich machen werden. Das Oderbruchmuseum in Altranft steht ihnen schon jetzt als Kooperationspartner zur Seite. „Es ließe sich eine historische Herberge einrichten“, stellt sich Westphal vor. „Urlaub auf dem Bauernhof wie vor 200 Jahren, mit Wasserpumpe auf dem Hof, mit Petroleumlampe und mit Tieren unter einem Dach.“
Einsatz ohne Eigennutz
Aber nicht überall stößt das Engagement der beiden auf Gegenliebe. In Oderberg, einer idyllischen, jedoch zunehmend verwaisenden Kleinstadt 20 Kilometer von Altranft entfernt, wurde trotz ihres langen, beherzten Bemühens ein ungenutztes, stadtbildprägendes Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert von der Gemeinde abgerissen. „Solche Verluste schmerzen und rauben uns Kraft“, sagt Westphal. Sie hatten viel Energie in das Projekt gesteckt, eine Bürgerinitiative gegründet, Proteste organisiert, ein Sanierungskonzept vorgelegt und dem Landkreis auch hier eine Kaufanfrage gestellt. Fehlende finanzielle Mittel und mangelndes Bewusstsein für den Wert des baukulturellen Erbes sind nicht nur in Oderberg, sondern auch in vielen anderen strukturschwachen Gegenden Auslöser für Verfall und Leerstand.
„Erst mal den Bestand sichern. Dann sehen wir weiter“, das ist mittlerweile die Devise von Ciupka und Westphal. Mit diesem Ansatz liegen sie anscheinend gar nicht so falsch. Denn die Prognosen für das Oderbruch und die Uckermark sind gut. Durch den Zuzug junger Familien aus Berlin steigt die Bevölkerungszahl wieder. Niedrigere Mieten, die Weite des Landes ziehen die Menschen an, die sich in der Dichte der Großstadt nicht wohlfühlen und die Nähe zur Natur suchen. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie blieb mancher Berliner länger in seinem Wochenendhaus und wagte den Schritt, sich dort dauerhaft niederzulassen.
In dem brandenburgischen Dorf Lüdersdorf, Gemeinde Parsteinsee hat vor einigen Jahren ein junges Ehepaar einen Vierseithof erworben. Die Tierärztin hat ihre Praxis aufs Land verlegt und restauriert seitdem gemeinsam mit ihrem Mann Stück für Stück die einst verwahrloste Gutsanlage. Wertvollster Bauteil ist ein Vorlaubenhaus. Bis weit ins 19. Jahrhundert prägte dieser Haustyp die Bauerndörfer im Odergebiet. Mittlerweile jedoch haben die Vorlaubenhäuser großen Seltenheitswert.
„Heute gibt es in Brandenburg
kaum mehr als zehn Exemplare“, bedauert Westphal. Umso glücklicher ist sie mit
Ciupka über die Rettung. Als Architektin steht sie den Eigentümern beratend zur
Seite, gibt Mut bei dem langwierigen Projekt. Inzwischen ist die Restaurierung
des Außenbaus, den Ciupka mustergültig repariert hat, so gut wie fertig. Auch daran
hat sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz finanziell beteiligt. Die Bilanz
an restaurierten Häusern ist umfangreich. Ihr Lebenswerk sei eigentlich schon
längst erfüllt, resümiert Ciupka schmunzelnd: „Wir haben 30 Häuser saniert,
viele Bäume gepflanzt und fünf Kinder bekommen.“
Etwas Ruhe werden sich die zwei praktischen Idealisten jetzt gönnen, die Bandscheiben schonen, die Büroablage sortieren – aber nur über den Winter. Danach werden sie wieder aufbrechen, um ihrer gelebten Leidenschaft nachzugehen und alte Häuser zu retten.
Amelie Seck
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Da bin ich einen Tag in Zernikow gewesen,wo ich glückliche Tage der Kindheitin Vergleich mit den übrigen zubrachte,wo ich mein erst poetisch Werk schriebund vielerlei in aller Einsamkeit lernte".Achim von Arnim an Bettine,4. September 1819
Er hätte für unser Magazin Monumente schreiben können: Fontanes ausgeprägte Reiselust hinderte ihn nicht daran, den baulichen und landschaftlichen Reichtum in seiner nächsten Umgebung zu bewundern. Mit seinen Texten über die Mark Brandenburg wollte er ein Bewusstsein schaffen für Kultur und Geschichte vor der Haustür.
Die Kirche von Stegelitz zählt zu den kunsthistorisch bedeutendsten in der Uckermark. Jetzt besteht akute Einsturzgefahr.
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