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Deutsche Stiftung Denkmalschutz rettet Industriedenkmal

Maschinenhaus wird zur Ergotherapie-Praxis

Mit Video: Ein ehemaliger Bergmann und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz kämpften beharrlich für den Erhalt und die Umnutzung des Maschinenhauses 2 in der Grube Göttelborn – und siegten!

Für das Fotomotiv hat sich Stefan Spaniol genau dieses Szenario ausgesucht: Der 63-Jährige steht neben dem Maschinenhaus 2 der Grube Göttelborn im saarländischen Quierschied. Hinter ihm steht der massive Kubus des Maschinenhauses, daneben zwei imposante Fördertürme. 400 Jahre lang förderte die Grube Göttelborn Steinkohle, in Spitzenzeiten bis zu 1.050 Tonnen pro Stunde. Ganze Generationen von Bergleuten wurden hier ausgebildet.

Nach langen bürokratischen Unwägbarkeiten freut sich Stefan Spaniol sehr auf den Abschluss der ersten Bauphase.
Quierschied, Grube Göttelborn Maschinenhaus 2 © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Nach langen bürokratischen Unwägbarkeiten freut sich Stefan Spaniol sehr auf den Abschluss der ersten Bauphase.

Stefan Spaniol fuhr hier 10 Jahre ein, aber im Milleniumsjahr 2000 war Schicht – Göttelborn wurde geschlossen. Der ehemalige Bergmann: „Ich war froh, dass ich bereits Ende der 90er Jahre zum Ergotherapeuten umgeschult hatte. Ich war bereit für neue Wege.“ Denn auf der Suche nach neuen Praxisräumen entdeckte Stefan Spaniol das stillgelegte Maschinenhaus wieder. Normalerweise ist er kein Mann großer Worte, aber wenn es um die Grube Göttelborn geht, verändert sich seine Stimme: „Dieser Ort ist ein historisches Vermächtnis. So wunderbar still und ruhig – perfekt. Den Gedanken zurückzukehren hatte ich schon länger. Und als ich den 18 Meter hohen Kubus von innen erlebte, spürte ich Gänsehaut.“


„Dem Denkmal wieder Leben einzuhauchen“, so Spaniol, „das war der Plan!“ Es sollte seine neue Praxis werden. Dabei sieht er in dem Areal und dem Gebäude eine perfekte Umgebung, um dort zu leben und vor allem Menschen ergotherapeutisch zu betreuen. Die Wege und Zuwege sind behindertengerecht, es gibt Treppenaufgänge sowie leichte an- und abfallende Straßen, an denen man gut trainieren kann. „Für die nächsten 100 Jahre – gerne länger,“ sagt er. Denn sein Sohn soll das alles mal übernehmen.

Der Blick in das Maschinenhaus 2 zeigt die fulminante denkmalgeschützte Technik: Die Fördermaschine, die Bedienwarte und der Laufkran an der Hallendecke bleiben erhalten.
Quierschied, Grube Göttelborn Maschinenhaus 2 © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Der Blick in das Maschinenhaus 2 zeigt die fulminante denkmalgeschützte Technik: Die Fördermaschine, die Bedienwarte und der Laufkran an der Hallendecke bleiben erhalten.

So half die DSD


Bei seinem langen Weg durch die Instanzen halfen ihm sein Mut und seine Beharrlichkeit – die Eigenschaften eines Bergmanns. „Anträge, Ablehnungen und vor allem Termine“, erläutert Stefan Spaniol, als er durch die Ordner blättert, die den bürokratischen, architektonischen und denkmalpflegerischen Aufwand des Projektes zeigen. „Zum Glück hatte ich Hilfe!“ Vom groben Konzept bis zum ersten Bauabschnitt des Maschinenhauses hat ihn die Deutsche Stiftung Denkmalschutz aktiv begleitet.


Rückblickend startete die Zusammenarbeit im September 2018 am Tag des offenen Denkmals in der Fellenbergmühle in Merzig. Der DSD-Projektreferent Hans-Stefan Bolz (47) hatte die Familie Spaniol zum Austausch eingeladen, um über den möglichen Förderantrag des kubischen Baus für das Jahr 2019 zu sprechen. Mit Vater und Sohn erläuterte er den damaligen Planungsstand und die notwendigen und denkmalgerechten Maßnahmen an der originalen Bausubstanz. Klar war, dass das Konzept für das Maschinenhaus in Quierschied innovativ und besonders ist. Deswegen riet Hans-Stefan Bolz: „Durchhalten, dranbleiben und weitermachen!“

Im ersten Bauabschnitt werden die Stahlrahmenfenster denkmalgerecht saniert.
Quierschied, Grube Göttelborn Maschinenhaus 2 © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Im ersten Bauabschnitt werden die Stahlrahmenfenster denkmalgerecht saniert.

Neue und alte Qualitäten


Dann kamen die Architekten wieder ins Spiel: Ein Architekten-Team arbeitete die Idee der Umnutzung des Industriebaus zum Arbeits- und Wohnbereich weiter aus. Der mit Ziegeln ausgefachte Stahlskelettbau soll als Hülle für eine Haus-im-Haus-Konstruktion dienen. Die reversible Struktur aus gestapelten Seecontainern nutzt den inneren Luftraum des Maschinenhauses. Architekt Bernd Decker (57): „Wir greifen die Idee des Industriebaus auf, indem wir industriell gefertigte Elemente verwenden. Reversibilität und Erhalt waren uns wichtig. Das Objekt soll seine Geschichte erzählen.“


Minimale Eingriffe bewahren zudem die Substanz und erweitern die Raumwirkung und -qualität. Im oberen Bereich der Halle wird ein Einschnitt der Hülle einen neuen Ausblick in die Landschaft geben. Zudem wird die Verglasung der Ost- und Westfassade denkmalgerecht erneuert. Der Architekt: „Durch klares Glas entsteht eine beeindruckende Lichtsituation, es werden ungewöhnliche Ein- und Ausblicke ermöglicht, die in den jetzt noch ungenutzten Bau bereits wohnliche Qualitäten bringt.“

Stefan Spaniol führt über das beeindruckende Gelände der Grube Göttelborn.
Quierschied, Grube Göttelborn Maschinenhaus 2 © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Stefan Spaniol führt über das beeindruckende Gelände der Grube Göttelborn.

Schließlich will Stefan Spaniol mit der besonderen Nutzung dem Denkmal wieder Leben einhauchen – der erste Abschnitt mit dem Ausbau der Praxis soll bereits Ende September abgeschlossen sein.


Svenja Brüggemann


Grube Göttelborn

66287 Quierschied

Erleben Sie einen Rundgang durch das Maschinenhaus 2 mit Stefan Spaniol und unserem Fotografen Roland Rossner.

(Externe Verlinkung auf die Seite www.youtube.com – bitte die dortigen Datenschutzbestimmungen beachten)


Das Maschinenhaus des Bergwerks Göttelborn wurde nach mehreren Ausbauten erst 1959 fertiggestellt – bedient sich aber der Formensprache der 20er Jahre. Das historische Zeugnis des saarländischen Bergbaus ist eines der über 50 Denkmale, die die DSD dank ihrer rund 200.000 Förderer und der Mittel der GlücksSpirale allein im Saarland gefördert hat.



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