Denkmalarten Öffentliche Bauten Stile und Epochen Nach 1945 Ausgabe Nummer Oktober Jahr 2020 Denkmale A-Z D
Spricht man über die Denkmalpflege in der DDR, denken die meisten an die Probleme beim Erhalt historischer Altstädte, verlassene Dorfkirchen oder gar gesprengte Schlösser und Herrenhäuser. Dass in der DDR neue Bauten entstanden, die als Denkmale ihrer Zeit und als künstlerische Schöpfungen heute unter Denkmalschutz stehen, wird selten thematisiert.
"Auferstanden aus Ruinen“, die erste Zeile des Textes der Nationalhymne der DDR von Johannes R. Becher, liest sich wie die Präambel eines Bauprogramms. Der Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte und die Schaffung von Wohnraum für die ausgebombten Bewohner und Millionen von Flüchtlingen war in ganz Deutschland die dringlichste Bauaufgabe.
Der Wiederaufbau
in Ost und West hat bei allen Gemeinsamkeiten jedoch
auch unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht. Die
Dominanz öffentlicher Bauaufgaben, unterschiedliche Planungsvoraussetzungen
durch das politische System und die
im System verankerte ideologische Konzeption der „Sozialistischen
Stadt“ setzten die Rahmenbedingungen der neuen
Architektur in der DDR. 30 Jahre nach der Überwindung
des Systems und dem damit einhergehenden Wunsch einer
„damnatio memoriae“ klärt sich nunmehr, eine Generation
später, der fachliche und sachliche Blick auf die Zeugnisse
der DDR-Architektur und ihre qualitätvollen Beispiele.
Die Frage, ob der Palast der Republik als zentraler Bau der DDR, symbolträchtig an der Stelle des Berliner Schlosses über 20 Jahre nach dessen Sprengung nach Plänen von Heinz Graffunder errichtet, heute noch abgerissen würde, ist müßig. Die Diskussion nach der Wende über die Denkmale der DDR war durchweg eher politisch als kunsthistorisch geleitet, konzentrierte sich auf die Vielzahl der abgeräumten Standbilder von Lenin und Marx, die Plattenbauten, die Reste der Mauer und den Palast der Republik
Das Hauptaugenmerk des öffentlichen Interesses lag – verständlicherweise – auf den lange vernachlässigten und erschreckend desolaten historischen Stadtkernen und prägnanten Einzelbauten. Die Denkmalwürdigkeit der Nachkriegsbauten zu prüfen und sich mit ihren Qualitäten zu beschäftigen musste, wie in den westlichen Bundesländern, gelernt und vermittelt werden.
Zarte Versuche, vorhandene Denkmalsubstanz in den Wiederaufbau einzubeziehen, wie etwa in Dresden, Weimar oder Halle an der Saale, gingen in der schwierigen Wirtschaftslage unter – nicht zuletzt aufgrund der gewaltigen Reparationsleistungen an die Sowjetunion sowie der zentralistischen Festlegung der „16 Grundsätze des Städtebaus“ 1950. Es ging bei der Wiederauferstehung aus Ruinen eben nicht nur um ein Bauprogramm, sondern um eine neu zu gestaltende Gesellschaft.
Die pathetische Überhöhung der neuen sozialistischen Stadt, in der sich die neue sozialistische Gesellschaft nicht nur widerspiegelt, sondern die ihre Bürger prägt, findet ihren Ausdruck in einer Vielzahl von Stadtentwürfen. In Berlin als der Hauptstadt der DDR wurden die Baukapazitäten des ganzen Landes vereint. Die neue, bis zu 90 Meter breite Magistrale, damals Stalinallee, heute Karl-Marx-Allee, führt von Friedrichshain bis zum Alexanderplatz und ist, dem Namensgeber angemessen, mit repräsentativer Architektur bestückt. Anders als die ersten Wohnbauten, die Laubenganghäuser von Hans Scharoun, demonstrieren die neoklassizistischen Bauten zwischen Frankfurter Tor und Strausberger Platz von Hermann Henselmann den Anspruch der Hauptstadt der DDR.
Gleichzeitig lässt sich nur an
wenigen Orten der Wandel von
der Architektur der Nationalen
Tradition zur industriellen
Bauweise einer späten
Moderne so gut verfolgen
wie hier. Man sollte „besser,
schneller, billiger bauen“. Das Haus des Lehrers folgt
als Stahlskelettbau mit Vorhangfassade den Forderungen
nach kostengünstiger industrieller Bauweise. Das markante
Großmosaik von Walter Womacka nimmt nicht mehr Bezug
auf regionale klassizistische Vorbilder, sondern greift
den Gedanken des mexikanischen Wandbildes auf.
Die Kombination der Vertikalen des Hochhauses mit dem überkuppelten Kubus des Kongressbaus mit seinen eleganten Foyer- und Veranstaltungsräumen zeigt die Leichtigkeit und Transparenz des Baus, der sich als „optimistisches Selbstportrait eines sich modern gebenden sozialistischen Staates“ darstellt. Mit der Neugestaltung des Alexanderplatzes verkörperte die Ost-Berliner Mitte die Vorstellung von der Sozialistischen Stadt. Er war Fußgängerzone sowie Aufmarsch- und Paradeplatz, geschmückt mit Weltzeituhr und dem Brunnen der Völkerfreundschaft, eingefasst von den wichtigen Aufgaben gewidmeten Hochhausbauten – Lehrer, Statistik, Reisen, Elektroindustrie und Verlagswesen – und überragt vom Fernsehturm.
Denkmale der Nachkriegszeit brauchen Freunde
Die Bauten des Sozialistischen Klassizismus mit ihrem Dekorationsreichtum
fanden schnelle Akzeptanz als Denkmale
– ob in Berlin, in Rostock mit der Langen Straße, in Leipzig
am Roßplatz oder in Magdeburg mit der Ernst-Reuter-Allee.
Man folgte dem Vorbild des stalinistischen „Zuckerbäckerstils“
der UdSSR. Die traditionelle Bauweise
wurde
jedoch den Vorstellungen von Zeit- und Kostenrahmen
nicht gerecht. So hatten die 1953 von Nikita Chruschtschow
initiierten Sparmaßnahmen auch Folgen für das Bauen
in der DDR. Doch die in den 1950er Jahren entstandenen
großzügigen Wohnungen sind bis heute beliebt.
Ihre repräsentative und detailreiche Architektur, die traditionelle
Bauweise und Formensprache entspricht unseren denkmalpflegerischen
Sehgewohnheiten. Die Architektur der
1960er und 1970er Jahre kämpft – wie in den westlichen
Bundesländern – um ihre Anerkennung und um begeisterte
Fans, die sich für sie engagieren.
Doch selbst da, wo es Anwälte und Freunde gab, haben sie einen herben Verlust an origineller Architektur in Berlin nicht verhindern können, siehe etwa das Ahornblatt an der Gertraudenstraße, eine der Hyparschalenbauten Ulrich Müthers von 1969 bis 1973. Die fünf fächerartig angeordneten hyperbolisch-paraboloiden Betonschalen des Dachs gaben dem Bau seinen Namen. Die leichte Schalenkonstruktion ermöglichte eine völlige Verglasung der Außenwände, die nur durch Sonnenschutzlamellen gegliedert waren. Dass das Ahornblatt ein Musterbeispiel von Müthers Hyperschalenkonstruktion ist, die zum internationalen Exportschlager der DDR-Architektur avancierte, rettete das Ahornblatt ebenso wenig wie die Unterschutzstellung.
Der Wunsch, internationale Anerkennung durch gute Architektur
im Lande zu gewinnen, zeigt sich besonders beim Bau
des neuen Gewandhauses in Leipzig, von 1976 bis 1981
nach einem Entwurf von Rudolf Skoda errichtet. Durch
den Einfluss des damaligen Gewandhauskapellmeisters
Kurt Masur entstand nach über 30 Jahren Provisorium in
der Kongresshalle am Zoo an zentraler Stelle der einzige reine
Konzertbau in der DDR.
Den Bau zeichnet nicht nur die hervorragende Akustik des Großen Saales mit seiner Schuke-Konzertorgel aus, sondern auch seine gestaffelten Baumassen. Zum Augustusplatz setzt die vorkragende Glasfront unter einem mächtigen sandsteinverkleideten Abschluss einen massigen Akzent direkt gegenüber dem Opernhaus. Zur Moritzbastei und zum Park hin vermitteln terrassierte Geschosse. Durch die großzügige Glasfront wirken bei festlicher Beleuchtung die vier Geschosse des Hauptfoyers, die Treppenanlage und das monumentale Deckengemälde von Sighard Gille in den Platz hinein.
Die prominente Gästeliste zur Eröffnung am 8. Oktober 1981 zeigt, welcher Bedeutung diesem Kulturbau für ein international renommiertes Orchester zugemessen wurde. Dass Kurt Masur das Gewandhaus im Herbst 1989 zu den Gewandhausgesprächen öffnen würde, wodurch das Gebäude eine wichtige Plattform für die politische Opposition der DDR wurde, ahnte damals niemand.
Kultur braucht ihren Raum
Da es kaum private und nur wenige kirchliche
neue Bauaufträge gab, spielten
die öffentlichen Bauten neben dem Wohnungsbau
eine wichtige Rolle in der Architektur
der DDR. Insbesondere die Kulturbauten
boten vielfältige Möglichkeiten.
Neben dem Kino International, dem
Kino Kosmos und dem Café Moskau
an Berlins Prachtallee wurden Kulturhäuser
als eigenständige Bauaufgabe entwickelt.
In den Multifunktionshäusern
mit Sälen und Räumen für Ausstellungen,
Vorträge, Konzerte und Feste,
mit Bibliothek und Gastronomie stellte
der Staat in fast jeder Stadt und auch
in ländlichen Regionen Räume kostenlos
zur Verfügung.
Sie spiegeln die
unterschiedlichen Stilentwicklungen
der
DDR-Architektur wider, vom traditionellen
Baustil in Anlehnung an Gutshäuser
wie in Brieske und Plessa in Brandenburg
und im mecklenburgischen
Mestlin bis zum palastartigen Kulturhaus
der Wismut AG in Chemnitz. Mit
den Kulturhäusern verknüpfen sich viele
Erfahrungen der Menschen, die sich
bis heute in Vereinen für den Erhalt der
Kulturhäuser einsetzen. Hier wird die
Bedeutung von Denkmalen als Identifikationsorte
deutlich.
Müther (1934–2007) war als Bauingenieur und Bauunternehmer einer der kreativsten Köpfe der DDR-Architektur. Mit den von ihm entwickelten Hyparschalen gelangen ihm kostengünstige und materialsparende Konstruktionen, die vielfältig einsetzbar waren. Von seinen 74 Bauten sind mehr als 20 inzwischen abgerissen, da insbesondere die Kleinarchitekturen nach heutiger Einschätzung nicht mehr rentabel sind.
Lesen Sie mehr über Ulrich Müthers Schaffen in unserem Gedenkartikel zu seinem 10. Todestag:
https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2017/4/ulrich-muether-ddr-architektur-ostmoderne.php
Fachliche Anerkennung und eine große Fangemeinde haben inzwischen die Schalenbaukonstruktionen von Ulrich Müther. Seine Schalenbauweise war zeitaufwendig, aber materialsparend und für vielfältigste Bauaufgaben einsetzbar. Seinen Warnemünder Teepott von 1968 zeichnete die Bundesingenieurkammer als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ aus, an der Seenotrettungsstation in Binz von 1981 oder dem Musikpavillon von Sassnitz von 1987 kommt kein Buch über moderne Architektur vorbei.
Wenn nach der klassischen Moderne und
der Nachkriegsarchitektur
inzwischen
bereits die Bauten der 1960er und 1970er
Jahre in den Blick der Denkmalpflege
gelangen, ist das nicht zuletzt der
Schnelllebigkeit des Baugeschehens geschuldet.
Bauten eine Generation von der
Denkmalpflege unbearbeitet zu lassen,
bis mit dem notwendigen zeitlichen Abstand
die Enkelgeneration ihren wahren
Wert erkennen kann, könnte dazu
führen, dass es keine Bauten einer Epoche
mehr gibt, wenn man sie in Augenschein
nimmt.
Denkmalqualitäten haben zwar ausdrücklich – ein Blick in die Denkmalschutzgesetze mag aktuell für einige Kritiker sinnvoll sein – nicht nur etwas mit Ästhetik zu tun, aber es ist nötig, diese Werte zu vermitteln und verständlich zu machen. In Erfurt konnten im Patrizierhaus zum Güldenen Krönbacken die Besucher der Ausstellung „DDR-Architektur – entbehrlich oder erhaltungswürdig?“ über diese Frage abstimmen. Die Beschäftigung mit dieser Frage ist ein erster wichtiger Schritt. Ein Bewusstsein für die Bedeutung der Architektur dieser Zeit als Wissensspeicher und für die Schönheit der Zeugnisse unserer jüngeren Geschichte zu schaffen ist wichtig für deren Erhalt – in Ost und West.
Ursula Schirmer
30 Jahre nach seiner Schließung am 19. September 1990 zeigt das DDR Museum die Geschichte des Palasts der Republik sowie seines Standorts in einer neuen kleinen Sonderausstellung vom 24. September 2020 bis zum 5. April 2021 im Foyer des Museums. Der Eintritt zur Sonderausstellung ist kostenfrei.
Kulturhäuser spielten eine zentrale Rolle im Leben der DDR-Bürger - teils aus Zwang, teils freiwillig. Wie so vieles war auch die Freizeitgestaltung meist nicht der eigenen Entscheidung überlassen. Trotzdem hat mancher die Veranstaltungen und Feiern in den Kulturhäusern in schöner Erinnerung. Aber eben nicht alle. Bei der Behandlung der Gebäude als Denkmale gibt es deshalb Vorbehalte. Dennoch gilt es, die Kulturhäuser zu bewahren, weil sie einen wichtigen Teil der DDR-Geschichte darstellen.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Das Müther-Archiv wurde 2006 in Wismar gegründet, um das Erbe des Ingenieurs Ulrich Müther (1934–2007) zu bewahren.
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"Die Frage, ob der Palast der Republik [...] heute noch abgerissen würde, ist müßig."
Müßig ist sie nur insofern, als dass inzwischen vollendete Tatsachen geschaffen wurden. Wenn jedoch in den Wochen um die dreißigjährigen Jubiläen 3. Oktober 2020 und, zwölf Monate zuvor, 9. November 2019 wieder die besondere Geschichte des Ostens Deutschlands gewürdigt wird - rein verbal, ohne greifbare Folgen, kostenlos für die Würdigenden und umsonst für die Gewürdigten -, genau dann wäre es wichtig, zu diskutieren, wie es dazu kam. Wie es dazu kommen konnte. Ein kathartischer Moment, die offensichtlichen Motive zuzugeben, wäre ein Schritt, ein Handausstrecken. Ein Beitrag, aufgerissene Gräben auch wirklich zuzuschütten und nicht nur wegzureden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
erst mal zu dem Artikel ueber die Architektur der DDR, inbesondere den Palast der Republik. Die DDR, die denm Palast der Republik hat bauen lassen, hat ihrerseits das Berliner Stadtschloss abgerissen - trotz weltweiter Proteste. Sie hat nicht nur dieses Schloss sondern - bewusst, aus Hass - Hunderte anderer Schloesser und auch Kirchen abreissen lassen. Die Linke hat heute diesen Standpunkt als Nachfolgepartei der SED voll uebernommen (u.a. massiver Einsatz gegen den Wiederaufbau der Ulrichskirche in Magdeburg). Das zur Moral. Nun zum Aesthetischen - wie waere es mit einer Abstimmung in Berlin welcher Bau (Palast der Republik gegenueber Stadtschloss) ansehnlicher ist und besser in das Architekturgefuege in Berlin Mitte passt ? Nun zum Artikel in der Monumente - ein Abriss des PdR wuerde heute nicht mehr stattfinden - doch, sofern eine demkratische Mehrheitsentscheidung Grundlage des Prozesses waere. Und das immer wieder. Ich vermute dass Sie das Staatsratsgebaeude ebenfalls als erhaltenswert ansehen. Welche Konstellation - eher konservative Denkmalschuetzer und Verklaerer von DDR Architektur (weil frueher alles besser war im Osten).
Mit freundlichen Gruessen,
Ruediger Nowag
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