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Die Perle von Uslar

Bewahrt, weil aufgearbeitet: die historischen Fenster 
im Alten Amtsgericht Uslar

„Das hat richtig Spaß gemacht. Sowas wie dort sieht man selten.“ Wenn Christian Sietz auf die Restaurierung der Fenster im Alten Amtsgericht von Uslar zu sprechen kommt, an der er als Gutachter beteiligt war, kann er sich nach wie vor in Begeisterung reden: „Das ist wirklich eine Perle“, ein „ganz hochkarätig schönes Ding“. In drei Jahrzehnten Berufserfahrung habe er Vergleichbares kaum je gesehen.

Die Rückseite des alten Amtsgerichts mit den aufwändig restaurierten Naturholzfenstern
Uslar, Altes Amtsgericht © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Die Rückseite des alten Amtsgerichts mit den aufwändig restaurierten Naturholzfenstern

Uslar ist eine Kleinstadt mit viel Fachwerk im südlichen Niedersachsen, rund 30 Kilometer von Göttingen entfernt. Das Alte Amtsgericht wurde 1889 erbaut. Vom Krieg blieb es verschont wie auch von späteren eingreifenden Sanierungen. Die 45 Kastenfenster des zweigeschossigen Gebäudes wurden im Laufe der Jahrzehnte dreimal überstrichen, aber nie ausgetauscht.


So ist die gut 130 Jahre alte Verglasung mit ihren für die damalige Zeit charakteristischen kleinen Unebenheiten bis heute zu bewundern. „Sehr interessant wellig-unruhig“, beschreibt der Experte das Erscheinungsbild, „wie ein See in einer Windbö – das macht die Fenster lebendig“. Von herausragender Qualität, die das ausgehende 19. Jahrhundert als eine „Hochzeit des Fensterbaus“ ausweise, seien auch die reich verzierten und profilierten Rahmen aus Eichenholz sowie die ebenfalls mit üppigem Dekor versehenen Messingbeschläge.

Außen Naturholz, innen weiß: Nach der Restaurierung präsentieren die Fenster sich wieder im Ursprungszustand. Die fein gearbeiteten Messingelemente – hier ein sogenannter Treibriegel – sind Teil einer soliden Verschlussmechanik.
Uslar, Altes Amtsgericht © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Außen Naturholz, innen weiß: Nach der Restaurierung präsentieren die Fenster sich wieder im Ursprungszustand. Die fein gearbeiteten Messingelemente – hier ein sogenannter Treibriegel – sind Teil einer soliden Verschlussmechanik.

Sie gehören zum System einer raffinierten Verschlusstechnik, die damals ganz ohne moderne Kunststoffdichtungen auskam. Am bemerkenswertesten indes sei, dass in verschiedenen Räumen jeweils unterschiedlich gestaltete Fenster anzutreffen seien. Eine so reiche Vielfalt an einer einzigen Fassade sei auch in der Erbauungszeit ganz unüblich gewesen, meint Sietz: „Keiner weiß so richtig, wie das zustande kam.“


Eine Fachfirma aus dem Dresdner Raum restaurierte zwischen April 2019 und Januar 2020 die mittlerweile maroden Fenster, nachdem jahrelang der Wind in die Büros des städtischen Bau- und des Ordnungsamts gepfiffen hatte, denen die historische Immobilie seit dem Wegzug des Gerichts 1974 als Domizil dient. Zu den Kosten von 165.000 Euro trug die Deutsche Stiftung Denkmalschutz aus Mitteln der „Glücksspirale“ mehr als ein Viertel bei. Nach Entfernung der alten Farbschichten präsentieren sich die Fenster wieder wie zur Erbauungszeit. Innen weißer Lack, außen lasiertes Naturholz.

Auch die Frontansicht des alten Amtsgerichts ist ein Schmuckstück.
Uslar, Altes Amtsgericht © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Auch die Frontansicht des alten Amtsgerichts ist ein Schmuckstück.

Sanierung der alten statt Einbau neuer Fenster – die richtige Entscheidung nicht zuletzt aus Gründen der Nachhaltigkeit, betont Gutachter Sietz. Kein Kunststoff, keine gasenden Bauschäume, nichts, was „schädliche Absonderungen“ verursacht. Kein Abfall, der zu entsorgen wäre. Zudem gute Pflegemöglichkeiten: „So ein Fenster bleibt über weitere hundert Jahre erhalten.“


Winfried Dolderer


Altes Amtsgericht

Graftplatz 3

37170 Uslar

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1 Kommentare

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    O.Schulze schrieb am 01.09.2020 17:53 Uhr

    https://architekturmuseum.ub.tu-berlin.de/index.php?set=1&p=79&Daten=126382

    Hier ein link zu den alten Bauplänen des Uslarer Amtsgerichts

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