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Unsere Freiwilligen stellen sich vor

Die Jugendbauhütte zeigt Gesicht

Jedes Jahr absolvieren rund 330 Jugendliche in den Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege. Fünf von ihnen erzählen von ihrer Motivation und ihren Eindrücken.

Kurz vorgestellt:  Ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege


Vor 20 Jahren hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ein bundesweit einzigartiges Projekt ins Leben gerufen: die Jugendbauhütten. Die hier vorgestellten jungen Menschen gehören zu den rund 4.000 Jugendlichen, die seitdem ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Denkmalpflege absolviert haben. Kerngedanke der Jugendbauhütten ist, jungen Erwachsenen durch praktisches Arbeiten am Original das kulturelle Erbe nahezubringen.  


So können junge Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in den unterschiedlichsten Einsatzstellen ein ganzes Jahr lang traditionelle Handwerkstechniken erlernen und sie am Denkmal anwenden. Mindestens sechs Seminarwochen zu Stil- und Materialkunde, Arbeitsmethoden und Grundlagen der Denkmalpflege ergänzen die Tätigkeit in den Einsatzstellen. Das Jahr in den Jugendbauhütten bietet den Jugendlichen aber auch den Raum und die Zeit, sich in Eigenverantwortung zu üben und sich im Berufsleben zu orientieren. 


Weitere Auskunft gibt Ihnen gerne das Team der Jugendbauhütten unter Tel. 0228 9091-160, jugendbauhuetten@denkmalschutz.de. Eine Broschüre und weitere Informationen finden Sie unter www.jugendbauhuetten.de

Alexandra Schneider, 19 Jahre. Jugendbauhütte Sachsen-Görlitz, Einsatzstelle Landesamt für Archäologie Sachsen
Bonn, Schloss Annaberg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Alexandra Schneider, 19 Jahre. Jugendbauhütte Sachsen-Görlitz, Einsatzstelle Landesamt für Archäologie Sachsen

"Ende 2018 besuchte ich in Berlin die große archäologische Ausstellung „Bewegte Zeiten“. Freiwillige der Jugendbauhütte Lübeck rekonstruierten dort vor Publikum einen historischen Keller. Das hat mich sehr beeindruckt. Weil ich nach Wegen suchte, die Zeit zwischen Schule und Studium sinnvoll zu überbrücken, bin ich mit ihnen ins Gespräch gekommen. Das Freiwillige Soziale Jahr in der Denkmalpflege schien mir die perfekte Möglichkeit, um meinen Studienwunsch der Archäologie zu überprüfen. Beim „Kennenlerntag“ mit dem Leiter der Sächsischen Jugendbauhütte fühlte ich mich sofort aufgehoben und gut beraten.


Jetzt bin ich als Jugendbauhüttlerin beim Sächsischen Landesamt für Archäologie. Ich könnte mir keinen geeigneteren Arbeitsplatz vorstellen! Gemeinsam mit erfahrenen Wissenschaftlern und Technikern bin ich auf Grabungen tätig. Außerdem wirke ich an der Dokumentation und der Konservierung der Funde mit. Aber auch organisatorische und bürokratische Aufgaben werden von mir übernommen.


Ein Erlebnis hat mich tief beeindruckt: Im Zentrum von Rothenburg/Oberlausitz fand die erste Grabung statt, an der ich teilnehmen durfte. Beim Abtragen einer Schicht entdeckte ich ein großes, relativ unscheinbares Keramikfragment. Im Endeffekt stellte sich heraus, dass dies die erste zu Tage geförderte Scherbe war, mit der man dort die bronzezeitliche Besiedlung nachweisen konnte. Der Fund steigerte meine Neugier an der Archäologie noch mehr: Wer hatte das Gefäß wohl in der Hand, zu dem diese Scherbe einst gehörte? Wie hat die Person gelebt? An was hat sie geglaubt?"

Jovan Reuter, 19 Jahre. Jugendbauhütte Stralsund/Szczecin, Einsatzstelle bei einem Restaurator für Wandfassungen und Steinobjekte
Bonn, Schloss Annaberg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Jovan Reuter, 19 Jahre. Jugendbauhütte Stralsund/Szczecin, Einsatzstelle bei einem Restaurator für Wandfassungen und Steinobjekte

"Es gibt viele Gründe, weshalb ich mich für ein Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege entschieden habe: Zum einen wollte ich nach dem Abitur praktisch und handwerklich arbeiten, um etwas Neues zu lernen, was mir in meinem späteren Leben nützen kann. Zum anderen möchte ich ehrenamtlich tätig sein und das Freiwillige Soziale Jahr dazu verwenden, mich in Ruhe und mit neuem Blickwinkel für ein passendes Studium zu entscheiden.


Meine Einsatzstelle ist keine große Firma, sondern eher eine One-Man-Show. Meistens arbeite ich nur mit meinem Chef, dem Restaurator Simon Gebler. Allerdings schließen wir uns für die meisten größeren Projekte mit einigen Fachkollegen zusammen, wodurch eine angenehme familiäre Arbeitsatmosphäre entsteht. Die Aufgaben sind sehr unterschiedlich: Sie erstrecken sich vom Aufbau beschädigter Steine, über die Ergänzungen von Putzoberflächen bis hin zur Retusche von Deckenmalereien. Nebenbei werde ich bei all diesen Aufgaben in die Grundlagen des Mauerns, Tischlerns und Malens eingeführt.


Ich habe in diesem halben Jahr so viel gelernt, dass ich hier gar nicht alles aufführen kann. Dazu gehört auch, dass ich ganz neue Dimensionen von körperlicher Arbeit und von Kälte erfahren habe. Aber jetzt kommt ja der Frühling! Was noch viel wichtiger ist: Meine Wahrnehmung hat sich sehr geändert. Ich kann viel mehr wertschätzen, was die Menschen vor Hunderten von Jahren geleistet haben. Die vielen Meisterwerke der Architektur, die ich in meinem FSJ kennenlerne, haben in mir den Wunsch geweckt, Bauingenieurwesen zu studieren und damit einmal in der Denkmalpflege zu arbeiten."

Deborah Seick, 20 Jahre. Internationale Jugendbauhütte Gartendenkmalpflege, Einsatzstelle Schlosspark Altdöbern
Bonn, Schloss Annaberg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Deborah Seick, 20 Jahre. Internationale Jugendbauhütte Gartendenkmalpflege, Einsatzstelle Schlosspark Altdöbern

"Meine Einsatzstelle im Schlosspark Altdöbern hat zwei Besonderheiten: Zum einen befassen wir uns dort mit dem speziellen Bereich der Gartendenkmalpflege, der „grünen Denkmalpflege“. Zum anderen arbeiten wir in einem internationalen Team. Die Teilnehmer kommen aus Frankreich, Armenien, Italien, Spanien, Georgien und Deutschland. Gemeinsam unterstützen wir die Pflegearbeiten an dem historischen Schlosspark Altdöbern, einem Landschaftspark aus dem späten 19. Jahrhundert im Süden von Brandenburg.


Unsere Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Derzeit sind wir mit der Rekonstruktion historischer Weganlagen, dem Bau eines Bootanlegestegs und der Wiederherstellung der ursprünglichen Bepflanzung beschäftigt. Darüber hinaus kann jeder Freiwillige in einem eigenen Projekt seinen individuellen Interessen nachgehen. Ich selber restauriere aktuell eine alte Hollywoodschaukel und beschäftige mich mit dem Thema „Nachhaltigkeit im Park“.


Wir Jugendbauhüttler in Altdöbern arbeiten nicht nur zusammen, sondern leben als Gruppe in einer internationalen Wohngemeinschaft nicht weit vom Schloss entfernt. Es ist spannend, viel Zeit mit Menschen zu verbringen, die wenig deutsch sprechen, ihnen die Sprache näher zu bringen. Diese Gemeinschaft hat mich auf jeden Fall persönlich weitergebracht. Wir haben schon fest verabredet, uns gegenseitig zu besuchen. Außerdem habe ich viel über die historischen Parkanlagen, die Fachthemen Botanik/Arboristik erfahren und gelernt, dass viele handwerkliche Arbeiten gar nicht so schwer sind, wie man zu Beginn denkt. Man muss sich einfach nur trauen!"

Noah Hinkes, 18 Jahre. Jugendbauhütte Hamburg, Einsatzstelle Hufnerhaus in Hamburg-Allermöhe
Bonn, Schloss Annaberg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Noah Hinkes, 18 Jahre. Jugendbauhütte Hamburg, Einsatzstelle Hufnerhaus in Hamburg-Allermöhe

"Für mich stand schon während der Oberstufe fest, dass ich nach dem Abitur ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege mache. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich durch mein Engagement auch ein wenig zu einem ressourcenschonenden Umgang mit unserer Umwelt beitrage.


Die Einsatzstelle Hufnerhaus ist ein gutes Beispiel dafür, wie nachhaltig Denkmalpflege sein kann: Das Bauernhaus, errichtet 1547, zählt es zu den ältesten erhaltenen Fachhallenhäusern Norddeutschlands. Vor fünf Jahren konnte es in letzter Minute vor dem Abriss gerettet werden. Seitdem restauriert die Jugendbauhütte Hamburg das Denkmal Schritt für Schritt. Unser siebenköpfiges Team ist der vierte Jahrgang, der sich um die Erhaltung und Erforschung des Hufnerhauses kümmert. Nachdem von unseren Vorgängern bereits das Dach neu in Reet gedeckt und die Fensterflügel gesichert wurden, kümmern wir uns um die Sanierung der Fachwerkwände. 


In Zeiten von Klimawandel und steigenden CO2-Emissionen stehen Denkmäler für Langlebigkeit und Qualität. Diese Standards sind – auch im Baugewerbe – immer seltener zu finden, was sich in einer steigenden Abfallproduktion bemerkbar macht. Die Holzbalken, die am Hufnerhaus verwendet wurden, sind dagegen bis zu 470 Jahre alt. Aber Holz ist nicht nur ein beständiger Baustoff, sondern auch regional verfügbar und nachwachsend. Dadurch werden bei dessen Verarbeitung wenig Emissionen freigesetzt."

Hanna Röhrs, 23 Jahre. Jugendbauhütte Brandenburg/Berlin, Einsatzstelle Schwieger, Raue PartG, Diplom-Restauratoren
Bonn, Schloss Annaberg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Hanna Röhrs, 23 Jahre. Jugendbauhütte Brandenburg/Berlin, Einsatzstelle Schwieger, Raue PartG, Diplom-Restauratoren

"Die Jugendbauhütte bietet einen hervorragenden Rahmen für ein Jahrespraktikum in der Denkmalpflege. Das habe ich in mein Studium der Kunstgeschichte eingeschoben. Ich stehe kurz vor meinem Abschluss und möchte danach noch Wandmalerei-Restaurierung studieren.

 

Auch wenn erst die Hälfte des Freiwilligen Jahres in der Denkmalpflege vorbei ist: Schon jetzt habe ich den Restauratorenberuf in seiner großen Spannweite gut kennengelernt. Was mir an dem Konzept der Jugendbauhütten besonders zusagt, sind die Wochenseminare, zu denen sich alle aus den Einsatzstellen der Jugendbauhütten Brandenburg/Berlin treffen: Das Zusammenleben mit sehr unterschiedlichen Menschen, die sich doch alle für eine Sache interessieren, haben mich stark geprägt. Das gemeinschaftliche Kochen, die selbstorganisierte Freizeit und vor allem die vielen gemeisterten Projekte bringen die Gruppe zusammen. An diese Erlebnisse werde ich mich noch sehr lange erinnern. Wo bekommt man schon mal die Gelegenheit, das Zimmerhandwerk auszuprobieren? Oder die Kunst des Glasschneidens? Um nichts in der Welt würde ich diese Erfahrung eintauschen wollen!

 

Die Jugendbauhütten sind ein so tolles Projekt, das ich auch gerne nach Ende des Freiwilligen Sozialen Jahres unterstützen möchte. Vielleicht engagiere ich mich als Teamer in einer Jugendbauhütte oder biete später selbst eine Einsatzstelle an"

Bitte fördern Sie mit Ihrer Spende die Arbeit der Jugendbauhütten!

Auch kleinste Beträge zählen!

Auf Schloss Annaberg in Bonn fand das Treffen der Sprecherinnen und Sprecher aller Jugendbauhütten statt.
Bonn, Schloss Annaberg © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Auf Schloss Annaberg in Bonn fand das Treffen der Sprecherinnen und Sprecher aller Jugendbauhütten statt.
 

  

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