Denkmalarten Kleine und große Kirchen Stile und Epochen Barock 1200 Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer April Jahr 2020 Denkmale A-Z K
So klein wie sie ist, zeugt sie mit ihrer barocken Ausstattung von der großen Zeit des Zerbster Fürstentums. Doch Kermens Kirchlein braucht dringend ein dichtes Dach und einen sicheren Stand für den kostbaren Kanzelaltar - der Pfarrer und die Gemeinde brauchen Hilfe bei ihrer Rettung. Erleben Sie den Innenraum der Dorfkirche Kermen mit dem beeindruckenden Altar in einem virtuellen 360°-Panorama.
Die Kirche von Kermen ist nicht
zu sehen: Ohne Turm steht sie in dem 50-Seelen-Ort unauffällig in der „zweiten“
Reihe. Früher hatte der kleine Feldsteinbau einen Dachreiter aus Fachwerk, doch
im Zweiten Weltkrieg diente er so nah vor Zerbst als Spähturm und wurde 1945
zerstört. „Als ich 2005 hierher kam, sah ich vornehmlich die Sträucher und dann
erst die Kirche. Das war schade, denn gerade das brauchte der romanische
Kirchenbau nicht – sich verstecken“, sagt Pfarrer Albrecht Lindemann.
Sträucher und Efeu umwucherten das Gotteshaus. Je mehr die Ranken sich an dem Feldsteinmauerwerk hoch schlängelten, desto mehr verschwand die 1974 entwidmete Kirche aus dem Blickfeld und damit aus dem Bewusstsein der meisten Dorfbewohner.
Dem entgegenzuwirken, ist eines der Anliegen von Kreispfarrer Albrecht Lindemann, engagierter Seelsorger und Kirchenbauherr. 2005, als er noch Vikar an St. Bartholomäi in Zerbst war, regte er die Gemeinde an, das Bauwerk vom Wildwuchs zu befreien. Er überzeugte sie, zu der Kirche im Mittelpunkt ihres Dorfes zu stehen – zumal sie darüber hinaus noch eine kleine kunsthistorische Perle ist, die Beachtung finden sollte. So angespornt, legten die Kermener Hand an: Strauch um Strauch wurde abgeschnitten und abgesägt. Dornige Ranken und widerspenstige Zweige gemeinschaftlich gemeistert, das Wurzelwerk, besonders an den lockeren Ziegelsteinen der Stützpfeiler, vorsichtig entfernt.
Mit dem Ergebnis ihrer mühsamen Arbeit waren die Dorfbewohner sehr zufrieden. Denn jetzt ist der recht selten anzutreffende Grundriss an dem um 1300 errichteten Kirchenbau wieder zu erkennen: Nahtlos geht das Kirchenschiff in einen halbkreisförmigen Chorabschluss über.
Auch innen birgt die kleine Kirche eine Überraschung: Das barocke Inventar mit Patronatsempore im Westen, Gestühl und Predigerstuhl ist noch einheitlich erhalten. Zu seiner hochwertigen Ausstattung kam das nach den Heiligen Petrus und Paulus benannte Bauwerk durch die Zerbster Fürsten. Die Siedlung gehörte zu einem ihrer Güter. 1717 ließ der damalige Gutsverwalter das Gebäude im Stil der Zeit umgestalten. Das Mauerwerk wurde an der Trauflinie des Dachs um etwa einen Meter mit Ziegelsteinen erhöht, auf dem Westbau ein Dachreiter aus Fachwerk mit Glockenstuhl für die – heute noch erhaltene – Glocke aus dem 13. Jahrhundert errichtet, und die Fensteröffnungen wurden vergrößert.
In dem helleren Licht ist der hölzerne Kanzelaltar von 1711 in der originalen Farbfassung aus Blau, Weiß und mattem Gold unangefochtener Blickfang. Er ist eine Kostbarkeit, ein Relikt aus der untergegangenen Zeit der berühmten fürstlichen Zerbster Barockkunst. Wie eine Loge ist die Kanzel gestaltet: Mit gerafftem Vorhang befindet sie sich in einer – aufgemalten – Marmorarchitektur mit Gesims, bekrönt vom Auge Gottes und umrankt von filigranem Schnitzwerk mit Akanthusblättern. Zwei vollplastische Figuren des heiligen Petrus und des heiligen Paulus flankieren die Kanzel. Das kleine Lesepult wirkt im ersten Augenblick wie ein auf die Brüstung des Kanzelkorbs abgelegtes, aufgeschlagenes Buch.
Doch gelesen und gepredigt wird von der Kanzel schon lange nicht mehr: Der Altaraufbau, den aufgemauerte Podeste abstützen, ist so instabil, dass der Pfarrer ihn nicht besteigen darf. Dennoch ist das Kunstwerk ein würdiger Rahmen für den Altartisch: Seine zweigeteilte Mensaplatte stammt noch aus dem Mittelalter, wie die eingeritzten Weihekreuze an den Ecken bezeugen.
Wie der Kanzelaltar ist der gesamte Kirchenbau ein Kleinod – und er ist ebenso bedroht. Das Gemäuer ist vollkommen durchfeuchtet, und zwar massiv. Die Feuchtigkeit schadet dem Inventar, an dessen Holz bereits Nagekäfer ihre zerstörerischen Spuren hinterlassen. Das in den 1990er-Jahren aufgebrachte Notdach ist undicht und hat eine mangelhafte Entwässerung. An den Wänden machen sich Algen breit und Putz blättert ab, zwischen Deckenbalken rieselt Schmutz vom Dachboden herab.
„Ich kehre und sauge regelmäßig in der Kirche – gefühlt habe ich sie schon zweimal eingesaugt“, sagt Heidrun Ligmal, „und im Winter fege ich Schnee – hier drinnen!“ Sie ist seit Jahrzehnten die gute Seele des Kirchleins. „Mehr als das“, sagt Pfarrer Lindemann und schaut sie lächelnd an, „wir nennen sie unsere Kirchenmutter.“
Seitdem die Dorfgemeinschaft das Gotteshaus vom Wildwuchs befreit hat, ist es wie wachgeküsst. Trotz seines bedauernswerten Zustandes gehört es wieder zum Dorf dazu. Der eigentlich gemütliche Saalraum mit knapp 40 Plätzen bietet sich für kleinere Festlichkeiten an. Trauungen und Hochzeitsjubiläen sind gefragt. Besonders geeignet ist die Kirche auch für Geburtstagsandachten mit dem kirchlichen Segensgruß. „Es ist ein Raum, in dem man sich nicht verloren fühlt“, sagt Maren Gabriel, die Vorsitzende des Gemeindekirchenrats von Eichholz-Kermen.
Ein mit Vorfreude erwarteter Höhepunkt im Jahr ist seit 2006 das Kirchenfest Peter und Paul am 29. Juni: Dann sorgt die Dorfgemeinschaft für genügend Kuchen und Getränke, denn es bietet in dieser sonnigen Jahreszeit die schöne Gelegenheit für ein anschließendes Dorffest. Überhaupt besinnen sich die Kermener auf ihr Gotteshaus. „Seit unserer gemeinsamen Knochenarbeit ist auch die Wiese des Friedhofs immer ordentlich gemäht“, bestätigt Heidrun Ligmal.
An dem Engagement der Gemeinde trägt Pfarrer Lindemann – seit 2011 Pfarrer der Kirchengemeinde Eichholz-Kermen – großen Anteil. Er ist nicht nur ein mitreißender Geistlicher, der die Menschen seelsorgerisch abholt, ihm liegen auch die zwei Stadtkirchen und acht Dorfkirchen, für die das Pfarramt St. Bartholomäi in Zerbst zuständig ist, am Herzen. Die Zuversicht, das Gotteshaus zu erhalten und wieder „in Dienst nehmen zu können“, ist gewachsen, auch wenn ihm der Zustand der Kermener Kirche mittlerweile große Sorgen bereitet.
Deshalb hat er 2019 den in Kirchenrestaurierungen bewanderten Architekten Dietmar Sauer mit einem Gutachten beauftragt, um eine Grundlage für ihre zukünftige Rettung unter fachlicher Regie zu schaffen. Ihre „Revitalisierung“, wie es der Architekt nennt, soll dem Dorf und den Gästen einen Ort der Gemeinschaft zurückgeben, einen Raum für Andacht, Musik und Stille.
Mit diesem Wunsch ist der Pfarrer auch hoffnungsvoll an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz herangetreten. Sie möchte ihm und den Dorfbewohnern gern mit einer finanziellen Förderung für die Restaurierung des kleinen Kirchenbaus beistehen. Daher bitten wir Sie, liebe Spenderinnen und Spender, um ihre Unterstützung. Wie stets ist jeder Betrag willkommen!
Christiane Rossner
Erleben Sie die Dorfkirche Kermen mit ihrem beeindruckenden Altar in einem virtuellen Panorama.
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Dorfkirche Kermen
Lepser Straße
39264 Zerbst/Anhalt
Kermen liegt ca. 7 km südwestlich von Zerbst.
Tel. Pfarramt: 03923 785 966
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
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