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Die westfälische Holsterburg: eine archäologische Fundgrube

Das steinerne Diadem

Lange wurde vermutet, die berüchtigte Holsterburg habe auf einem unscheinbaren Hügel gestanden. Doch dann stellte sich ein mittelalterlicher Racheakt als Glücksfall für die Archäologen heraus.

Die exakt gearbeiteten Quader verraten die Hand von Steinmetzen, die auch einer Dombauhütte zur Ehre gereicht- hätten. Das Mauerwerk ist mit hochwertigem, überdurchschnittlich kalkhaltigem Mörtel sauber verfugt. Die Archäologen vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe staunten nicht schlecht über die Qualität der Architektur, als sie zwischen 2010 und 2017 die Grundmauern der auf freiem Feld südöstlich der einstigen Hansestadt Warburg gelegenen Holsterburg ausgruben. Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) wurden die imposanten Überreste wetterfest gemacht, damit sie demnächst besucherfreundlich hergerichtet werden können.

Die Holsterburg in der Warburger Börde mit Blick zum Desenberg.
Warburg, Holsterburg © LWL/Rudolf Klostermann
Die Holsterburg in der Warburger Börde mit Blick zum Desenberg.

Als im Jahr 1191 der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg starb, tauchte die Holsterburg in einem Verzeichnis seiner Erwerbungen auf und wurde damit erstmals aktenkundig: Die Besitzer, die Brüder Hermann und Bernhard von Holthusen, genannt Berkule, hatten sie dem Kirchenfürsten gegen die Zahlung von 100 Kölner Mark übertragen. Später erhielten sie Burg und Dorf als Lehen zurück.


Aus dem 13. Jahrhundert liegen Nachrichten über Streitigkeiten zwischen den Burgherren und der Stadt Warburg vor. Leibeigene Bauern des Hauses Berkule suchten dort häufig Zuflucht. Es kam immer wieder zu Scharmützeln und Überfällen auf Kaufleute, bis den Bürgern der Kragen platzte. Im November 1294 gab der Landesherr, der Paderborner Bischof Otto von Rietberg, einer Städteallianz grünes Licht, das Adelsnest auszuräuchern.


Die Streitmacht der Verbündeten stürmte die Burg, ließ etliche gefangene Verteidiger „über die Klinge springen“ und riss den Bau bis auf die Grundmauern nieder. Anschließend häuften die Sieger Erdreich über die Reste, um jede Erinnerung an das Treiben der Raubritter zu tilgen. Mehr als sieben Jahrhunderte lag der Ort so da, eine grüne, buschbewachsene Erhebung inmitten flacher Wiesen. Dass hier die in den mittelalterlichen Quellen erwähnte Holsterburg gestanden hatte, war nie in Vergessenheit geraten. Jedoch herrschte bis vor zehn Jahren die Ansicht, sie habe sich auf dem Hügel erhoben.

Allzu geräumig hatten es die Bewohner der Holsterburg nicht. Auf nur 428 Quadratmetern stand ein über vier Seiten des Oktogons verlaufender Haupttrakt (Gebäude 3), flankiert von zwei kleineren Bauten (1 und 2). Der Bergfried wurde bei der Zerstörung bis auf die Grundmauern abgetragen und das Loch ebenso wie der Brunnen mit Schutt verfüllt.
Warburg, Holsterburg © LWL/Rudolf Klostermann (Beschriftung: DSD)
Allzu geräumig hatten es die Bewohner der Holsterburg nicht. Auf nur 428 Quadratmetern stand ein über vier Seiten des Oktogons verlaufender Haupttrakt (Gebäude 3), flankiert von zwei kleineren Bauten (1 und 2). Der Bergfried wurde bei der Zerstörung bis auf die Grundmauern abgetragen und das Loch ebenso wie der Brunnen mit Schutt verfüllt.

Dass sie darunter begraben war, wurde erst klar, als 2010 bei Vermessungsarbeiten ein Eckquader ans Licht kam. Seither haben Archäologen die Mauerreste komplett freigelegt. Sie gewannen nicht nur ein klareres Bild von der bewegten Geschichte der Holsterburg, sondern auch Aufschlüsse über das Selbstbewusstsein der Bauherren, die sie, wie sich anhand aufgefundener Keramik datieren lässt, zwischen 1170 und 1180 errichteten: „Es sieht so aus, dass die Berkules versucht haben, im Konzert der ganz Großen mitzuspielen“, sagt Grabungsleiter Kim Wegener.


So gaben sie keinen schlichten Wehrbau in Auftrag, sondern eine repräsentative Residenz, deren hochwertige Architektur auch einem Fürstensitz angestanden hätte. Einen gehobenen Geschmack verrät nicht zuletzt der extravagante Grundriss in Form eines Oktogons, eines Achtecks, womöglich ein Entwurf italienischer Architekten. Die Berkules haben ein steinernes Diadem ins Flachland gesetzt.


Der berühmteste, freilich ungleich prächtigere Palastbau dieser Art, das Castel del Monte Kaiser Friedrichs II. in Apulien, ist rund sieben Jahrzehnte jünger. Ebenfalls etwas späteren Datums sind vier achteckige Anlagen im Elsass und in Württemberg. So ist die Holsterburg nicht nur der am weitesten nördlich gelegene, sondern auch der älteste bislang bekannte oktogonale Adelssitz – ein Denkmal von „europäischer Relevanz“, meint Archäologe Wegener.

In jährlichen Grabungskampagnen zwischen 2010 und 2017 legten Fachleute vom Referat Mittel­alter- und Neuzeit­archäologie des Landschafts­verbands Westfalen-Lippe die Grundmauern frei.
Warburg, Holsterburg © LWL/Maja Thede
In jährlichen Grabungskampagnen zwischen 2010 und 2017 legten Fachleute vom Referat Mittel­alter- und Neuzeit­archäologie des Landschafts­verbands Westfalen-Lippe die Grundmauern frei.

Wesentlich komfortabler als damals üblich hatten es die Bewohner. Sie genossen sogar den Vorzug einer Wandheizung. Zur Überraschung der Forscher fand sich in der Innenseite der Ringmauer ein 36 Meter langer, waagerecht über vier Oktogonsegmente verlaufender Warmluftkanal. Rötliche Verfärbungen in seinem Inneren, Hitzespuren, belegen, dass die Anlage funktioniert hat, auch wenn eine zugehörige Feuerstelle sich nicht lokalisieren ließ.


Sicher ist, dass die Bewohner der Holsterburg abweichend von der Standardausstattung mittelalterlicher Wehrbauten über mehr als nur eine beheizbare Kemenate verfügt haben müssen. Aus der Erbauungszeit fand man sogar einen exquisit geschnitzten Elfenbeinkamm mit Jagdszenen, der schon in einer Sonderausstellung im Berliner Gropiusbau zu sehen war.

Zwei bedeutende Fundstücke von den Grabungen. Links: Dass gegen die Holsterburg für die Zeit hochmodernes  Gerät im Einsatz war, davon zeugt dieses Projektil, das vermutlich bei der Belagerung 1294 von einer Steinschleuder, einer sogenannten Blide, abgeschossen wurde. Rechts: Reichtum und sozialen Status der einstigen Burgherren illustriert ein kunstvoll gearbeiteter Elfenbeinkamm aus dem späten  12. Jahrhundert.
© LWL/Maja Thede; © LWL/Stefan Brentführer
Zwei bedeutende Fundstücke von den Grabungen. Links: Dass gegen die Holsterburg für die Zeit hochmodernes Gerät im Einsatz war, davon zeugt dieses Projektil, das vermutlich bei der Belagerung 1294 von einer Steinschleuder, einer sogenannten Blide, abgeschossen wurde. Rechts: Reichtum und sozialen Status der einstigen Burgherren illustriert ein kunstvoll gearbeiteter Elfenbeinkamm aus dem späten 12. Jahrhundert.

Seit 2010 fanden rund 10.000 Interessierte den Weg zum „westfälischen Castel del Monte“ – unter ihnen ein Japaner, auf dessen Deutschland-Programm, wie er sagte, drei Bauwerke standen:  Schloss Neuschwanstein, das Brandenburger Tor und die Holsterburg. Diese in einen Besuchermagneten zu verwandeln, ist der Stadt Warburg ein Anliegen. Derzeit werden die Mauern verfugt und gegen Einsturz gesichert, die Mauerkronen gegen Regenwasser abgedichtet, das Bodenniveau dem Ursprungszustand angeglichen. Geplant sind ein Rundweg mit Erläuterungstafeln und zwei Aussichtsplattformen. Wenn wie erhofft Mitte 2020 alles fertig ist, wird dies auch der DSD zu verdanken sein.   


Winfried Dolderer


Holsterburg, 34414 Warburg

Die Holsterburg liegt etwa 2km südöstlich der Warburger Innenstadt.


www.denkmalschutz.de/holsterburg

  

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