Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Stile und Epochen Barock Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Dezember Jahr 2019

Haus Harkorten: ein Kulturdenkmal des Ruhrgebiets

Dreiklang in Moll

Mit der Familie Harkort begann in Hagen die Industrialisierung des Ruhrgebiets. Ihr barocker Wohnsitz ist ein architekturhistorisches Juwel, das es zu retten gilt.

Das Bürgerhaus selbst war ein Juwel. Am Ende einer Lindenallee erschien es uns im Schimmer seiner Schieferplatten. […] Über der grünen Tür entfaltete das Oberlicht eine weiße Blüte, von der eine Laterne das Herz bildete.“ So schwärmerisch fiel 1794 die Beschreibung eines Reisenden von Haus Harkorten aus.


225 Jahre später am Rand von Hagen-Haspe: Die Lindenallee steht noch prächtig da, an ihrem Ende bietet der typisch bergische Dreiklang der Fassade aus Schiefergrau, Grün und Weiß nach wie vor den Blickfang. Erst aus der Nähe wird der Zeitsprung schmerzlich sichtbar: abgeblätterte Farbe, abgängige Schieferdecksteine, eine von Unkraut überwucherte Freitreppe. Die Läden sind zum Schutz der Fenster verschlossen, die Dachgauben mit Spanplatten vernagelt.

Haus Harkorten steht als Musterbau am Beginn einer neuen Architekturgattung im bergisch-märkischen Raum.
Hagen, Haus Harkorten © Björn Weiß
Haus Harkorten steht als Musterbau am Beginn einer neuen Architekturgattung im bergisch-märkischen Raum.

Seit mehr als zehn Jahren wohnt niemand mehr im „neuen Haus“ von 1756/57, dem kostbarsten Teil der historischen Gutsanlage Harkorten. Der letzte Eigentümer, ein entfernter Nachfahre der Erbauerfamilie, konnte das Anwesen nicht halten. Ein Investor hat das Ensemble erworben, um die denkmalgeschützten Gebäude schrittweise instand zu setzen und nutzbar zu machen.


In wesentlichen Teilen ist das gelungen: Das alte Stammhaus aus dem späten 17. Jahrhundert, Ökonomiegebäude genannt, wurde bereits 2014 mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz instand gesetzt. Es beherbergt Wohnungen, ebenso wie das gegenüberliegende Jungfernhaus von 1705. Beim Haupthaus mit seiner nahezu vollständig erhaltenen Ausstattung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts gestaltet sich diese Aufgabe ungleich schwieriger.


Trotz des jammervollen Zustands erfüllt die Schauseite noch immer ihren ursprünglichen Zweck: den Wohlstand und die herausgehobene Stellung ihrer Bauherren zu dokumentieren. Die Familie Harkort zählte im 18. Jahrhundert zu den führenden Kaufleuten in der Grafschaft Mark. Der Betrieb von Hammerwerken und der internationale Handel mit Eisenwaren mehrten Reichtum und Einfluss.

Ganz auf Repräsentation ausgerichtet war die großzügige Diele. Architektin Frauke Kaldewey (l.) zeigt Finessen wie den Seilzug durch sämtliche Geschosse.
Hagen, Haus Harkorten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Ganz auf Repräsentation ausgerichtet war die großzügige Diele. Architektin Frauke Kaldewey (l.) zeigt Finessen wie den Seilzug durch sämtliche Geschosse.

Johann Caspar Harkort III. (1716–60) hatte 1748 Louisa Catharina Märcker (1718–95) geheiratet. Die „Märckerin“ entstammte einer angesehenen großbür­gerlichen Familie und hatte ihre Erziehung am Hof der Essener Fürstäbtissin genossen – dem vornehmsten Frauenstift des Heiligen Römischen Reiches. Sie war hochgebildet und sehr auf Repräsentation bedacht. 

        

Selbstbewusst forcierte sie 1756 den Bau eines neuen, zeit- und standesgemäßen Wohnhauses auf Gut Harkorten. Dessen Schöpfer war offensichtlich vertraut mit den jüngsten Tendenzen beim herrschaftlichen Bauen: Die Mittelachse ist durch das zweigeschossige Zwerchhaus mit geschweiftem Giebel betont, dessen Kontur die des Hauses aufnimmt – auf der Gartenseite wird dieses Schema wiederholt. Die perfekten Proportionen zeugen von einem meisterlichen Entwurf. Auch der axialsymmetrische, quadratische Grundriss war für nicht-adelige Bauherren auf dem Land ein Novum: Hier wurde ein reines Wohn- und Kontorhaus konzipiert, das keine Produktionsbereiche mehr vorsah.


Wohl zeitgleich angelegt wurde die von 60 Linden gesäumte Allee. Sie führt auf das neue Haus zu, das mit den älteren Gebäuden zu beiden Seiten einen Ehrenhof bildet. Mit größter Sorgfalt hatte Louisa Catharina Harkort auch den Garten hinter dem Haus gestaltet.

Wäre auch eines Adelssitzes würdig gewesen: die zweiflügelige pilastergerahmte Tür
Hagen, Haus Harkorten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Wäre auch eines Adelssitzes würdig gewesen: die zweiflügelige pilastergerahmte Tür

Doch wie war es erst im Inneren? Das prächtige Rokokoportal verhieß ein nicht weniger imposantes Entree. An die großzügige Diele schlossen sich seitlich die Repräsentationsräume an. Die beiden Salons wurden durch eine zweiflügelige pilastergerahmte Tür verbunden. Darüber waren bescheidenere Wohn- und Schlafzimmer untergebracht, im Dachgeschoss die Kammern für das Personal sowie Lagerräume.


Der schillernden Märckerin war es ein Leichtes, das stattliche Haus mit Leben zu füllen – nicht nur dank ihrer zahlreichen Kinder und Enkelkinder. Nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahr 1760 führte die Witwe erfolgreich die Geschäfte fort und baute den Handel mit Eisenwaren weiter aus. Auf dem Familiensitz gab sie illustre Gesellschaften, hier verkehrten angesehene Kaufleute ebenso wie der märkische Adel, hier trafen sich führende Köpfe aus Politik und Wirtschaft. Als Louisa Catharina Harkort 1795 starb, wurde diese Tradition von den Nachkommen fortgeführt. 


Die größte Berühmtheit sollte einer der Enkel erlangen: Friedrich Harkort (1793–1880) gründete 1818 auf Burg Wetter die Mechanische Werkstätte – eine der ers­ten Maschinenfabriken in Deutschland, die Dampfmaschinen herstellte. Der „Vater des Ruhrgebiets“ ging nicht nur als Industrie- und Eisenbahnpionier, sondern vor allem als bedeutender Sozialreformer in die Geschichte ein. Der Einfluss der Familie ließ nicht nach: Bis ins 20. Jahrhundert hinein bekleideten ihre Mitglieder wichtige Ehrenämter.

Architektin Frauke Kaldewey erklärt die Schäden an der Fachwerkkonstruktion und ihre Auswirkungen.
Hagen, Haus Harkorten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Architektin Frauke Kaldewey erklärt die Schäden an der Fachwerkkonstruktion und ihre Auswirkungen.

An einem sonnigen Tag im Herbst 2019 führt uns Architektin Frauke Kaldewey durch das ansonsten verschlossene Haus Harkorten. Dessen glanzvolle Vergangenheit ist sogar im traurigen Jetztzustand greifbar. Selbst wenn man im Halbdunkel zwischen aufgebrochenen Dielen und wegfaulenden Balkenköpfen steht, erschließt sich sofort, was für ein Juwel hier seiner Rettung harrt.


Glücklicherweise war das Gebäude über Jahrhunderte im Familienbesitz, wurde nie einer anderen Nutzung zugeführt und blieb von jüngeren Eingriffen verschont. Dadurch haben sich die Raumaufteilung und die bauzeitliche Ausstattung in nahezu ursprünglicher Form erhalten. Dass die Schiebefenster nach holländischer Bauweise mit Seilzug sich immer noch geschmeidig öffnen lassen, begeistert die Architektin.


Dann zeigt sie uns eine weitere Besonderheit: Zwischen den kleinteiligen Sprossen findet sich die Originalverglasung – inklusive der eingeritzten Jahreszahl 1783, mit der sich eines der Harkortschen Kinder im Obergeschoss verewigt hat. Auch bewegliches Mobiliar und Gemälde, darunter Porträts der Familie, sind noch vorhanden und derzeit im Stadtmuseum Hagen eingelagert. All dies sind wahre Schätze, die das Herz eines jeden Hausforschers höher schlagen lassen – und die unterzugehen drohen, wenn nicht schnell gehandelt wird.

Authentisch, aber in schlechtem Zustand: Raum im ersten Obergeschoss.
Hagen, Haus Harkorten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Authentisch, aber in schlechtem Zustand: Raum im ersten Obergeschoss.

Umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen sind notwendig – am dringendsten am Dach. Hier sind die Schäden größer als erwartet, stehen Arbeiten an der Konstruktion, der Schalung und der Dachdeckung an. Bei der Fachwerkkonstruktion müssen Schädlinge bekämpft und pilzbefallene Bereiche entfernt werden.


Mittlerweile hat Investor Hans Hermes den Verein zur Förderung des Erhalts und der Entwicklung von Haus Harkorten e. V. gegründet, der nun der Eigentümer ist. Auch die Stadt Hagen ist sich der Verantwortung bewusst und will den Verein finanziell unterstützen. Dennoch reichen dessen Mittel bei Weitem nicht aus. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte unbedingt mithelfen, das national wertvolle Kulturdenkmal zu retten.


Eine Arbeitsgruppe „Zukunft Haus Harkorten“ entwickelt parallel ein Nutzungskonzept. Gewünscht ist eine temporäre Öffnung für kulturelle Veranstaltungen und eine museale Präsentation im Erdgeschoss. Immerhin nahm mit der Familie Harkort die Industrialisierung des Ruhrgebiets ihren Anfang, sie steht beispielhaft für frühes Unternehmertum. 

Beeindruckt selbst in kläglichem Zustand: das Eingangsportal mit kunstvoller Rokokozier
Hagen, Haus Harkorten © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Beeindruckt selbst in kläglichem Zustand: das Eingangsportal mit kunstvoller Rokokozier

Der Verein möchte die Öffentlichkeit teilhaben lassen und ruft die Bürger auf, ihre Ideen einzubringen. Die Bedeutung des Denkmals reicht weit: Es ist architekturhistorisch, wirtschafts- und sozialgeschichtlich von unschätzbarem Wert. Noch ein Dreiklang, den es zu bewahren gilt!


Bettina Vaupel


Haus Harkorten 1

58135 Hagen-Haspe


www.haus-harkorten.de/

Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende, Haus Harkorten zu retten

Auch kleinste Beträge zählen!

 

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

  • Albrecht Dürer und die Kartierung der Sterne 13.01.2016 Himmelskarten Der Hase am Südhimmel

    Der Hase am Südhimmel

    Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.

  • Von Seekisten und Seeleuten 08.11.2012 Seekisten Was auf der hohen Kante lag

    Was auf der hohen Kante lag

    In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.

  • Zum 10. Todestag von Ulrich Müther 04.07.2017 Ulrich Müther Hyparschalen

    Hyparschalen

    Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.

Service

Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


 
 
Monumente Probeheft

Probeheft jetzt anfordern!


1
Zeitschrift abonnieren
Magazin für Denkmalkultur in Deutschland
2
Monumente Abo



Möchten Sie ausführlicher über aktuelle Themen aus der deutschen Denkmallandschaft lesen? 


Dann abonnieren Sie Monumente!  


3

Newsletter

Lassen Sie sich per E-Mail informieren,

wenn eine neue Ausgabe von Monumente

Online erscheint.

Spenden für Denkmale

Auch kleinste Beträge zählen!

 
 
 
 
0 Kommentare

0 Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar!

Antwort auf:  Direkt auf das Thema antworten

 
 

© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn