Denkmalarten Kleine und große Kirchen Stile und Epochen 1900 Herrscher, Künstler, Architekten Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Dezember Jahr 2019
Seit diesem Jahr steht die Deutsche Stiftung Denkmalschutz der Berliner Domgemeinde bei der Fassadenrestaurierung ihrer eindrucksvollen Kirche zur Seite. Ein Besuch auf der Baustelle zeigt, wie dringend das Wahrzeichen Hilfe braucht.
Lesen Sie hier den Artikel zum Auftakt der Spendenkampagne für den Berliner Dom in Monumente 3/2019.
Mit dem ratternden Bauaufzug fahren wir an der westlichen Seite des Berliner Doms hoch. Ziel sind die Restauratoren: In 33 Metern Höhe arbeiten sie an den vorderen Ecktürmen und den Sandsteinfiguren der Hauptfassade. Der über 110 Jahre alte Kirchenbau hat mächtig Probleme: Die Fassade aus Sandstein ist durch Witterung und Umwelteinflüsse geschädigt. „Und zwar sehr viel stärker, als es den Anschein hatte“, klärt uns Projektleiterin Damaris Gorrissen auf, während die offene Kabine an hellgelben, grauen und erschreckend rußschwarzen Mauerbereichen vorbeizieht.
Oben angekommen, steigen wir auf das mit blauen Netzen geschützte Gerüst. Unter uns ist nur noch gedämpft das geräuschvolle Treiben der Dreimillionenstadt zu hören. Hier herrscht eine angenehm ruhige Arbeitsatmosphäre. Hinter der ersten Turmecke treffen wir auf den Restaurator Mike Uckermann. Neben sich eine Reihe von Töpfchen mit verschiedenen Farbpigmenten widmet sich der 54-Jährige dem angegriffenen Sandstein.
Im Verhältnis zur massigen Fassadenfläche wirken Pinsel und Schwamm geradezu däumlingshaft klein. Doch genau diese Millimeterarbeit ist erforderlich, um die oftmals feinen Haarrisse und Abplatzungen im Stein aufzufüllen und zu tränken. Für das Schlämmen verwendet Uckermann ein Zweikomponentenmittel auf Quarzsandbasis, das er auf den Stein individuell farblich abstimmt. Ein aufwendiges Unterfangen, das nicht nur Können, sondern auch einen künstlerischen Blick erfordert: Aus fünf sächsischen Sandsteinarten wurde der monumentale Kirchenbau errichtet, und jede hat ihre Farbnuance.
Die Oberfläche des weichen Sandsteins ist an unüberschaubar vielen Stellen angegriffen: Die schützende Patina des Steins ist zerstört, die Steine zersetzen sich, Fugen waschen aus. Das Wasser läuft nicht mehr richtig ab und dringt durch Poren, Risse und offene Fugen in und hinter den Stein ein. „Dadurch sind der Naturstein und die Fassaden geschädigt und werden es nachhaltig weiter – wenn nichts dagegen unternommen würde“, erklärt Projektleiterin Gorrissen. Mit dem Finger streicht der Restaurator über eine Auskerbung und schon rieseln Sandkörner. „Es ist wie bei der Haut – wenn die Schutzschicht weggeschürft ist, ist sie sehr anfällig. Hier ist es die schützende Patina, die wegsandet.“ Vier Quadratmeter schafft Mike Uckermann in rund sieben Stunden, je nach Zustand und Verfärbung des Steins. „Der Bau soll ja auch optisch wieder ein einheitliches, standfestes Bild abgeben“, sagt der Steinmetz.
Weiter geht es über das Gerüst. Zurzeit arbeitet das Team zu viert hier. Wir treffen auf Restaurator Ingo Mundil, der gerade die Lettern von „Glaube ist“ aus dem Spruch oberhalb des Hauptportals vergoldet. Zwei Ecken weiter, blicke ich unvermittelt Petrus direkt ins bärtige Gesicht. Vier Meter sind die Apostelstauen hoch – „das macht rund 35 Quadratmeter Sandsteinfläche“, sagt Restauratorin Birgit Neuhaus. Auch Petrus wird säuberlich gefestigt und aufgefrischt; alles in allem dauert die Maßnahme an einem Apostel rund drei Wochen. Auf die Frage, ob sie eigentlich noch die Figur sieht, antwortet die Restauratorin: „Mehr die Struktur des Steins, die Risse und die Farben.“
1982 wurde mit der Wiederherstellung der äußeren Hülle des im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten Kolossalbaus begonnen. „Da hat man Fehlstellen und Fugen mit sehr zementhaltigem Mörtel ergänzt“, sagt Gorrissen. Jedoch wurde im Verhältnis zum weichen Sandstein oft ein zu festes Material angemischt. Beide reagieren unterschiedlich auf die Witterung, was ebenfalls zu Abplatzungen an den Kontaktstellen führt. Heute ist mineralischer Fugenkitt das Material der Wahl. Tritt die eindringende Nässe auf im Stein eingesetzte Eisenanker, korrodieren sie. Noch ein fataler Faktor, der die Standsicherheit des Monumentalbaus bedroht. Die Anker wurden mit Ultraschall aufgespürt, durch Bohrungen auf ihren Zustand geprüft und – wenn nötig – durch Edelstahl ersetzt. „32 Eisenanker haben wir lokalisiert, 17 davon mussten wir erneuern.“
Wir wenden uns wieder Petrus zu: Mit seinem lockigen Kopf, dem akkuraten Faltenwurf seines Umhangs und den sehnigen Armen sieht er bereits wieder sandsteinfarben freundlich aus. Nun ist auch zu erkennen, wie fein die Statuen trotz ihrer Größe gearbeitet sind. Die sechs Bildhauer legten Wert auf Details, auch wenn man sie nur aus der Nähe sieht. Avoie Sitter weist mich auf die rechte Hand des Apostels Andreas hin, an dem sie arbeitet. Für den Betrachter nicht sichtbar, hat der Bildhauer zur Sicherheit zwischen den einzelnen Gliedern Stege stehengelassen, damit die Finger nicht abbrechen – ein geschickter Kunstgriff.
Zwei Gerüstetagen höher: Nun stehe ich vor einem Puttentorso, der ein Baldachintürmchen schmückt. Sein Rücken ist mit einer Bleiwanne belegt, die sich auch an den Sandstein anschmiegt. So kann das Wasser seitlich ablaufen und sammelt sich nicht in der Rückenkehle. Die Fugen darüber sind mit Bleiwolle tief ausgefüllt. Gerade die Turmbauten sind dem Rütteln der Windkräften ausgeliefert. „Blei geht mit der Bewegung des Steins mit und ist an besonders wettergefährdeten Stellen unschlagbar in seiner schützenden Materialeigenschaft“, erklärt Restauratorin Sitter. Aber Blei ist teuer und auch giftig. Daher sind Mund- und Handschutz ein Muss. „300 Kilo Blei haben wir bislang am Dom verarbeitet. Damit haben wir ihn auch ein bisschen schwerer gemacht.“
Zum Schluss führt mich Damaris Gorrissen aus dem Gerüstgewirr auf das mit Kupferblech abgedichtete Dach nahe der riesigen Kuppel. Von dort habe ich einen freien Blick auf die Stadt, auf ihre historische Mitte – und auf den Südturm. „Die schwarzen Verkrustungen durch die Luftverschmutzung lassen den Stein tatsächlich nicht mehr atmen“, sagt Dagmar Gorrissen. 2020 wird auch er in Arbeit genommen und dann für etwa drei Jahre hinter dem Gerüst mit den blauen Schutznetzen verschwunden.
Wie viele Fotos mögen die Menschen dort unten in der Zeit unseres Baustellenbesuchs auf Berlins größter Kirche bereits wieder gemacht haben? Ob ihnen der Unterschied zwischen den gereinigten und konservierten Figuren im Gegensatz zu den dunkelgrauen auffällt? Eine von Domgemeinde und Deutscher Stiftung Denkmalschutz gemeinsam konzipierte Ausstellung hilft den Besuchern aus aller Welt, das Ausmaß der Schäden zu erkennen und sie von der Wichtigkeit der umfangreichen Restaurierungsarbeiten an diesem imposanten Bauwerk zu überzeugen. Angesichts der eindrucksvollen Aufnahmen braucht es nicht vieler Worte – aber viele Spenden.
Christiane Rossner
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Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
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