Denkmalarten Kleine und große Kirchen Gotik Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Oktober Jahr 2019
Der spätgotische Remter des großen Klosters Anrode muss dauerhaft gesichert werden: Eine Aufgabe, bei der die engagierte Gemeinde dringend Hilfe benötigt.
Es ist ein heißer Tag in
Thüringen. Im ehemaligen Kloster Anrode herrscht eine friedvolle Stimmung.
Bienen summen in den großen Linden. Der Regen vom Vortag hat die Luft sauber
gewaschen, und die Nachmittagssonne lässt die Natur und die alten Mauern in
einem freundlichen Licht erscheinen. An diesem Ort ist man fern vom Trubel der
Welt – genauso wie es sich die Zisterzienserinnen bei der Klostergründung vor
über 750 Jahren vorgestellt hatten.
Es ist ruhig, fast zu ruhig in der leerstehenden Anlage. Prompt wird die Stille von einem kleinen Auto unterbrochen, das – eine Staubwolke aufwirbelnd – auf den Klosterhof saust. Aus dem Wagen steigt Ines Gliemann, die sich sichtbar freut, uns zu sehen. Im Sommer hatte sie aus Verzweiflung bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) angerufen: Das Kloster Anrode, besonders sein ältester noch existenter Bauteil, der spätgotische Remter, benötigt dringend Hilfe. Er droht einzustürzen.
Die Denkmalpflegerin aus dem Unstrut-Hainich-Kreis und die Stiftung kennen sich schon lange. Seit knapp 30 Jahren arbeiten sie vertrauensvoll zusammen und haben gemeinsam schon viele Restaurierungsprojekte erfolgreich abschließen können. Aber in Anrode ist noch eine Menge zu tun. So nimmt uns die zierlich-agile Frau als erstes mit auf einen Rundgang über das Klostergelände.
Die Anlage ist groß. 17 Gebäude aus Bruchstein und Fachwerk verteilen sich über das weite Gelände. Im Zentrum steht die barocke Kirche, eingefasst von Nonnenhaus, Remter, Gast- und Gerichtshaus, die allesamt auf mittelalterlichen Fundamenten ruhen. Dem Klausurkomplex gegenüber steht das ehemalige „Verwaltungszentrum“ des Klosters, die Propstei, erbaut 1652–54. Scheune, Ställe und Torhäuser folgen in ihrer Anordnung zwei Bachläufen, die die Abtei zur umgebenden Landschaft aus Wäldern und Wiesen abgrenzen. Bis zur Auflösung des Klosters 1810 lebten in Anrode Ordensschwestern.
Dann nutzte man die imposante Anlage als landwirtschaftlichen Betrieb, als Flachsrösterei, und schließlich dienten Klausur und Kirche von 1950 bis 1991 als Werk einer Seilerfabrik. Dabei nahm man keine Rücksicht auf die wertvolle sakrale Architektur, der Verschleiß der historischen Gebäude war gravierend. 1993 kaufte die Gemeinde Bickenriede, die nach einer Gebietsreform den Namen Anrode übernahm, das ehemalige Kloster. Ihr gelang es in großer Anstrengung einige der einsturzgefährdeten Gebäude zu sichern und deren Dächer decken zu lassen. Mehrfach wurde sie dabei von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unterstützt. Seit 1998 gibt es in der DSD sogar die treuhänderische Kloster Anrode-Stiftung, die sich allein dem Erhalt des Klosters widmet.
Dennoch bietet der
weitläufige, einst so prächtige Baukomplex an vielen Stellen noch einen
traurigen Anblick. Nach Umrunden der Abtei gelangen wir zum ehemaligen Remter
aus dem 13. Jahrhundert. Er beherbergte einst den Speise-, Versammlungs- und
Schlafsaal der Nonnen. Sein Zustand ist tatsächlich bedrohlich.
Schon von außen signalisieren untrügliche Zeichen dringenden Handlungsbedarf: Faustgroße Risse durchziehen das Mauerwerk. Deutlich driften die Außenwände zum Dach hin nach außen. Im Inneren sieht es nicht besser aus: Hier haben sich schon größere Teile der gotischen Gewölberippen und des Putzes von der Decke gelöst.
Ursachen für die beängstigenden Schäden gibt es mehrere, erklären uns der Statiker Thomas Schnalke, der Archäologe Dr. Holger Grönwald und Berthold Döring vom Förderkreis Kloster Anrode e. V., die inzwischen dazugestoßen sind. Wie jüngste Untersuchungen ergaben, ist das Bauwerk auf unterschiedlich festem Boden gegründet. Außerdem führten der Umbau des Südgiebels im 19. Jahrhundert und der Abriss des angrenzenden Schafstalls, der dem mittelalterlichen Gebäude ein stabilisierendes Widerlager bot, zu den Deformationen.
Schon 2008 wurde der Bau behelfsmäßig abgestützt und verklammert. Nun muss die provisorische durch eine dauerhafte Sicherung ersetzt werden. Zur Aufnahme der Schubkräfte plant man, neue Zuganker in das Mauerwerk einzubauen. Vorher muss jedoch der Gründungsbereich ertüchtigt werden. Auf der Südseite ist die Maßnahme schon erfolgt. Doch fehlen die Mittel für die entsprechenden Sicherungsarbeiten an der Ost- und Westseite. Weil man bei den Schachtarbeiten allerdings auf menschliche Knochen stieß, musste vorab eine archäologische Untersuchung stattfinden. Die Grabung machte die Sanierung teurer als kalkuliert. Das stellt die Gemeinde, die sich in der Haushaltssicherung befindet, vor große finanzielle Probleme. Andererseits freut man sich vor Ort darüber, was für Funde und Erkenntnisse zur Geschichte dieses bedeutenden Ortes zutage kamen.
Im Ausgrabungsbereich befand sich der Kreuzgang des Klosters, mit Garten und Friedhof. Von diesem für Zisterzienserklosteranlagen typischen Grundriss hat sich kaum noch etwas erhalten. Der Kreuzgang wurde systematisch abgetragen und bis in die Fundamente seiner Steine beraubt, um dort Wirtschaftsgebäude zu errichten. Bei der Grabung am Kirchenfundament stieß Holger Grönwald auf Knochen. Sie stammen von Zisterzienserinnen, die möglichst nah am geweihten Ort bestattet und vom abfließenden Regenwasser beträufelt wurden, das man damals mit Weihwasser gleichsetze.
Nicht nur in diesem Bereich der Klausur, sondern auch an anderen Stellen liegen die Spuren des klösterlichen Lebens in den alten Gemäuern verborgen. So befindet sich im ehemaligen Remter die in Thüringen größte mittelalterliche Hypokausten-Heizung, die einst für warme Luft im Speisesaal und in dem darüber liegenden Dormitorium, dem Schlafsaal, sorgte. Auch der Verlust dieser Fußbodenheizung droht, wenn der Remter weiter zu Schaden kommt.
Die Gemeinde von Anrode, allen voran der Bürgermeister Jonas Urbach, möchte, dass das Klosterareal weiterhin von seiner Geschichte und somit auch von der Geschichte des Ortes erzählen kann. Daher wird Jonas Urbach nicht müde für das Denkmalensemble zu werben. „Das Kloster war mit seiner Land- und Forstwirtschaft als kulturelles und geistiges Zentrum prägend für den Ort, die Landschaft und die Region. Ohne den Zisterzienserorden wäre Anrode nicht das, was es jetzt ist. Im Rahmen der Gemeindereform 1997 stand das Kloster für den neuen Ortsnamen sogar Pate.“
Der engagierte „Probst von Anrode“, wie Jonas Urbach
in seiner Gemeinde scherzhaft genannt wird, und Ines Gliemann haben schon viele
Investoren durch die großen Scheunen, den Klausurbereich mit seinen scheinbar
unzähligen Raumfluchten geführt. Drei der vielen Gebäude
werden inzwischen genutzt: als Gaststätte, Veranstaltungsraum und Museum.
Außerdem gibt es monatlich einen gut besuchten Tier- und Bauernmarkt. Gerne
würde die Gemeinde ein sinnvolles, langfristiges Nutzungskonzept für die
gesamte Klosteranlage erstellen lassen. Aber auch dafür mangelt es an
finanziellen Mitteln.
Mit Weitsicht und Gespür wurde die Sicherung und Sanierung des Denkmalkomplexes über Jahre vorangetrieben. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte das Engagement der Menschen für dieses bedeutende ehemalige Nonnenkloster unterstützen. Damit das gesamte Kloster weiter erhalten und der Remter gerettet wird, bitten wir Sie um Mithilfe!
Amelie Seck
Kloster Anrode, Klosterstraße 6, 99976 Anrode-Bickenriede
Anrode liegt ca. 45 km nördlich von Eisenach
Tel. 036023 570-0
kloster.anrode@googlemail.com
Im ehemaligen Gast- und Gerichtshaus informiert eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Klosters. Sie ist täglich von 8–17 Uhr geöffnet.
Außerdem findet jeden zweiten Samstag im Monat auf dem Klostergelände ein Tier- und Bauernmarkt statt.
Auch kleinste Beträge zählen!
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz