Denkmalarten Kleine und große Kirchen Stile und Epochen 1900 Herrscher, Künstler, Architekten Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Juni Jahr 2019

Spendenkampagne: Der Berliner Dom braucht Ihre Hilfe!

Der Koloss schwächelt

Berlins größte Kirche, 1894–1905 nach Plänen von Julius Raschdorff erbaut, muss saniert werden: Die Fassade ist akut gefährdet. Gemeinsam mit dem Berliner Dom hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz eine Spendenkampagne zur Fassadenrestaurierung gestartet.

Er steht da, als könne ihm nichts und niemand etwas anhaben: beherrschend und gewaltig. Ein steinernes Auftrumpfen an denkbar prominenter Stelle. Und genau so war der Berliner Dom am Lustgarten von Anfang an gedacht. Ein Denkmal schon bei seiner Grundsteinlegung 1894.


Kaiser Wilhelm II. hatte hohe Ansprüche an das Projekt, das bereits lange gärte. Der Vorläufer an diesem Ort war ein schlichter Kuppelbau mit Seitenflügeln, 1747–50 nach Plänen von Knobelsdorff durch Johann Boumann errichtet und von Karl Friedrich Schinkel 1820–22 verändert. Unter Friedrich Wilhelm IV. wurde lange über einen Dom-Neubau diskutiert. An den Entwürfen waren Schinkel, Friedrich August Stüler und, nach einem Wettbewerb des Jahres 1867, Julius Carl Raschdorff beteiligt.


Als Wilhelm II. am 15. Juli 1888 die Regentschaft antrat, rückte der Dom auf seiner Agenda ganz weit nach oben. Der Kaiser wollte mehr als nur einen prächtigen neuen Sakralbau neben seiner Residenz. Er wollte seinen Herrschaftsanspruch manifestieren und legitimieren, wollte mit einer Hauptkirche des Protestantismus die Allianz von Thron und Altar im Deutschen Reich ins Bild setzen. 

„Der Berliner Dom braucht Sie!“ – an diesem Hilferuf auf deutsch und englisch kommt nun kein Besucher mehr vorbei.
Berlin, Dom © Joachim Liebe, Potsdam
„Der Berliner Dom braucht Sie!“ – an diesem Hilferuf auf deutsch und englisch kommt nun kein Besucher mehr vorbei.

Wilhelm II. berief Raschdorff kurzerhand zum Dombaumeister, ganz ohne neuerlichen Architektenwettbewerb, und erzürnte damit die gesamte Branche. Der Kaiser brachte eigene Vorstellungen ein und leitete meist selbst die Sitzungen der Baukommission.

 

Raschdorff plante einen Kolossalbau mit Anklängen an die italienische Hochrenaissance und den römischen Barock. Dass er eine imposante Kuppel haben musste, stand außer Frage. Wenn schon der Parlamentssitz in Gestalt der Reichstagskuppel das Berliner Schloss überragte, sollte der neue Dom majestätisch dagegenhalten. 114 Meter Höhe bot die große Mittelkuppel schließlich auf – der Vergleich mit dem Petersdom war gewollt. Vier gleichfalls überkuppelte Ecktürme rahmen sie und bilden mit ihr die charakteristische Silhouette. Die Hauptfassade öffnet sich zum Lustgarten hin mit einer Säulenhalle.

Bald soll er wieder dauerhaft gesichert sein: der Berliner-Dom vom Lustgarten aus gesehen.
Berlin, Dom © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz
Bald soll er wieder dauerhaft gesichert sein: der Berliner-Dom vom Lustgarten aus gesehen.

Der Architekt, der bei der Ausführung mit seinem Sohn Otto zusammenarbeitete, musste die Pläne mehrfach überarbeiten, auch weil die anfangs veranschlagten 20 Millionen Reichsmark um die Hälfte reduziert werden sollten. So wurde – man mag es heute kaum glauben – beim figürlichen Schmuck an der Fassade und bei der Innenraumgestaltung abgespeckt.    


Dabei waren die renommiertesten Künstler der wilhelminischen Ära am Werk: Im stuckstrotzenden, goldglänzenden Innenraum vergegenwärtigen Mosaiken, Glasbilder und Skulpturen die protestantische Heilsgeschichte und feiern die Protagonisten der Reformation. Einige herausragende Stücke wurden aus dem friderizianischen Vorgängerbau übernommen.

„Im Herzen unserer pulsierenden, zusammenwachsenden Hauptstadt ist der Berliner Dom für mich ein ganz besonderer Ort der Einkehr, Ruhe und Besinnung. An einer Brücke des Erinnerns möchte ich hier gerne mitbauen.“


Die Schauspielerin und Sängerin Eva Mattes hat die Schirmherrschaft über die Kampagne übernommen.

© Jim Rakete
 


Neben der großen Predigtkirche unter der Zentralkuppel verfügte der Dom über eine Festkirche, ein Dommuseum sowie über eine Denkmalskirche an der Nordseite, in der die Grabdenkmäler und Prunksarkophage der Hohenzollern zur Aufstellung kamen. Von dort gelangte man in die Fürstengruft unter dem Dom. Die öffentliche Zugänglichkeit war Wilhelm II. wichtig, um die dynastische Entwicklung des Herrscherhauses – und dessen Anteil an der Herausbildung des deutschen Nationalstaats – „zum Verständnis der Beschauer“ zu bringen.

 

Die Fertigstellung, eigentlich für die Jahrhundertwende geplant, zog sich hin. Am 27. Februar 1905 wurde der neue Dom, der für so vieles stehen sollte, eingeweiht. Stilistisch gehörte der Monumentalbau dem vergangenen Jahrhundert an. Das einzige, was wirklich auf der Höhe der Zeit war, war der Fahrstuhl, den Wilhelm II. zu guter Letzt in das kaiserliche Treppenhaus einbauen ließ.

Mit einer Pressekonferenz startete Ende März die gemeinsame Kampagne. In luftiger Höhe stand Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der DSD, den Journalisten Rede und Antwort.
Berlin, Dom © Joachim Liebe, Potsdam
Mit einer Pressekonferenz startete Ende März die gemeinsame Kampagne. In luftiger Höhe stand Dr. Steffen Skudelny, Vorstand der DSD, den Journalisten Rede und Antwort.

Groß genug war die Angriffsfläche, die der Dom von Anfang an bot: „Reklamezwingburg für die Dynastie der Hohenzollern“, „ein großer Kladderadatsch und nichts weiter“, schmähten die Kritiker. „Seelengasometer“ tauften ihn die Berliner, nie um Spitznamen verlegen. Viele Christen monierten, dass mit diesem Koloss mehr dem Kaiser als Gott gehuldigt werde.

 

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Dom schwer beschädigt. Im Mai 1944 traf eine Fliegerbombe die große Kuppel, die brennende Laterne schlug durch bis zur Gruft. Die Ruine wurde jahrelang ihrem Schicksal überlassen.

In der jungen DDR war das wilhelminische Relikt nicht gut gelitten. Als Inbegriff reaktionärer Herrscher-Architektur war es kaum in den neuen sozialistischen Hauptstadtentwurf zu integrieren. Über einen Abriss wurde zwar diskutiert, allerdings wäre die stückweise Abtragung unglaublich teuer geworden – eine Sprengung kam an dieser Stelle nicht in Betracht.

 

So arrangierte man sich schließlich unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten mit der ungeliebten Hinterlassenschaft und begann 1975 mit dem Wiederaufbau. Allerdings ließ die DDR-Regierung die Denkmalskirche sprengen und die kaiserliche Unterfahrt entfernen, die Kuppel errichtete man in vereinfachten Formen neu. Die Rettung dieses Kulturerbes wurde mit Spendengeldern aus der Bundesrepublik kräftig mitfinanziert. 1980 war der Außenbau fertig, in der Tauf- und Traukirche fanden wieder Gottesdienste statt. Erst 1993 wurde die Wiedereinweihung gefeiert. Die aufwendige Instandsetzung der Ausstattung dauerte sogar bis ins 21. Jahrhundert an.            

Rüstzeit: der segnende Christus im Baldachin über dem Hauptportal
Berlin, Dom © Joachim Liebe, Potsdam
Rüstzeit: der segnende Christus im Baldachin über dem Hauptportal

Im wiedervereinigten Berlin musste sich der Dom seine Stellung neu erobern. Heute verkörpert er das, was Wilhelm II. im Sinn hatte und was seinerzeit nicht recht gelang: ein nationales Denkmal – im positiven Sinn. Ein imperialer Bau, belebt und bespielt von einer demokratischen Gesellschaft, die sich ihrer Geschichte, ihrer Kunstschätze und ihrer Verantwortung für beides bewusst ist.


Die Oberpfarr- und Domkirche, wie sie offiziell heißt, ist nun wieder das repräsentative Gotteshaus für die Evangelische Kirche in ganz Deutschland. Staatsakte, Gedenkfeiern und ökumenische Trauergottesdienste von nationaler Bedeutung finden hier statt. Gleichzeitig ist sie eine Kirche für die Bürger. Die Domgemeinde steht jedem evangelischen Christen in Berlin offen und hat derzeit rund 1.700 Mitglieder. Ihren Etat muss sie zu 97 Prozent selbst erwirtschaften, was den Unterhalt des Denkmals zu einer großen Herausforderung macht.


Der Dom ist zudem ein wichtiger Kulturort, der museal genutzt wird, in dem hochkarätige Musik- und Theateraufführungen stattfinden und der für den spannenden Dialog mit zeitgenössischer Kunst bekannt ist. Er ist ein ruhender Pol in der alten Berliner Mitte, die sich gerade zwischen Museumsinsel und Schlossbaustelle neu erfindet. Besucher aus aller Welt staunen hier tagtäglich über die prachtvoll ausgestatteten Innenräume oder feiern die simultan ins Englische übersetzten Sonntagsgottesdienste mit.

Blick in die großartige Kuppel. Um die Pracht im Inneren auf lange Sicht zu bewahren, muss die äußere Hülle schnell gesichert werden.
Berlin, Dom © Clemens Meyer
Blick in die großartige Kuppel. Um die Pracht im Inneren auf lange Sicht zu bewahren, muss die äußere Hülle schnell gesichert werden.

"Ein Aufschub der Sanierung wäre unverantwortlich!"

Wer seinen Blick über filigrane Ornamente und kunstvolle Reliefs bis in die Kuppel mit ihren leuchtenden Mosaiken schweifen lässt, ahnt nicht, was sich draußen in vierzig Meter Höhe abzeichnet: Die Fassade mitsamt ihrem figürlichen Schmuck ist in Gefahr. Die Oberflächen sind durch Schmutz, Bewuchs und Verkrus­tungen so stark geschädigt, dass Feuchtigkeit durch Risse und defekte Fugen in den Sandstein eindringt und weitere Abplatzungen verursacht.


Auf längere Sicht ist die Stabilität der vier Türme und der Kuppel nicht mehr gewährleistet. Bei der Instandsetzung des nordwestlichen Glockenturms, für die man im vergangenen Jahr weit oben ein Gerüst aufbaute, wurde den Fachleuten das ganze Ausmaß erst bewusst. Ein Aufschub der Fassadensanierung wäre nicht zu verantworten, betonen Domarchitektin Sonja Tubbesing und der Vorsitzende des Domkirchenkollegiums Dr. h. c. Volker Faigle. So kann immerhin vermieden werden, dass große Mengen Stein ausgetauscht werden müssen.

 

Vier Jahre wird die Maßnahme dauern, im Frühjahr 2020 soll es losgehen. Die dafür veranschlagten Kosten belaufen sich auf 1,6 Millionen Euro. Diese Summe kann die Domgemeinde unmöglich alleine aufbringen. Daher hat sie gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die bundesweite Spendenkampagne gestartet.

Der Berliner Dom ist ein beeindruckendes und in Deutschland einzigartiges Denkmal – das nach der großen Anstrengung des Wiederaufbaus jetzt ein ­weiteres Mal bewahrt werden muss. Dabei sind alle gefragt!     

 

Bettina Vaupel

 

Berliner Dom, Am Lustgarten, 10178 Berlin,

Tel. 030 20269136, tägl. 9–20 Uhr (Okt.–März –19 Uhr)

https://www.berlinerdom.de/

Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende, den Berliner Dom zu erhalten.

Auch kleinste Beträge zählen!

 

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