Denkmalarten Technische Denkmale Streiflichter Technik Verkehr Ausgabe Nummer Juni Jahr 2019
Die ehemalige Eisenbahnbrücke Dömitz ist spannendes Zeugnis der Eisenbahngeschichte und deutsch-deutscher Geschichte zugleich.
Vor neun Jahren entdeckte der niederländische Unternehmer Toni Bienemann in einem Auktionskatalog, dass in Niedersachsen eine Brücke zu erwerben war, und griff zu. Das Bauwerk, ein bedeutendes Industriedenkmal, hatte es ihm angetan. Die Eleganz der stählernen Fachwerkkonstruktion. Die Lage in einer malerischen Flusslandschaft. Nicht zuletzt die historische Bedeutung als Denkmal der deutschen Teilung und des Kalten Krieges. An dieser Epoche ist Bienemann auch persönlich interessiert. Seine in Arnheim ansässige Firma wickelte damals zeitweise 60 Prozent des niederländischen Handels mit dem Ostblock ab.
Mittlerweile hat Bienemann einen sechsstelligen Betrag in seine Brücke investiert, die bis 1945 die Elbe zwischen dem mecklenburgischen Festungsstädtchen Dömitz und dem Dorf Kaltenhof im heutigen Niedersachsen überspannte. Als sie 1870–73 für die Berlin-Hamburger Eisenbahngesellschaft errichtet wurde, war sie die längste Brücke Deutschlands. Übrig geblieben ist nur ein imposantes Fragment, 16 Bögen, die sich auf westlicher Seite zwischen Elbdeich und Flussufer erstrecken, sowie das Kopfgebäude, das mit Zinnen und Schießscharten die Anmutung einer Burg hat.
Ab 2017 wurde der westliche Brückenkopf denkmalgerecht instand gesetzt, auch mit Mitteln der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das Mauerwerk hatte unter Feuchtigkeit gelitten. Risse waren abzudichten, zerbröselte Sandsteine in der Sockelzone und Ziegel in den Obergeschossen aufzuarbeiten und zum Teil auszutauschen. Am 9. September 2018 waren die Arbeiten abgeschlossen. Die weitaus größere Herausforderung steht freilich noch bevor: die Sanierung der Brückenpfeiler und die Installation eines Fußgängerstegs im ehemaligen Gleisbett, wo künftige Besucher die Elblandschaft aus luftiger Höhe erleben sollen.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war die Brücke einen knappen Kilometer lang einschließlich eines drehbaren Segments, das vor allem dem Zweck diente, sie bei Bedarf sperren zu können. Am 20. April 1945 erlitt sie einen Bombentreffer, der erste Strombogen auf Dömitzer Seite stürzte in die Elbe. An Wiederaufbau war in Zeiten der deutschen Teilung nicht zu denken. Im westlichen Brückenkopf setzte sich der Bundesgrenzschutz fest, gegenüber saßen die Grenztruppen der DDR.
Eine zusätzliche Komplikation ergab sich daraus, dass die Bundesrepublik die gesamte Breite der Elbe beanspruchte, während nach östlicher Lesart die Grenze in der Flussmitte verlief. Helmer Süßenbach, 2010 Mitbegründer des „Freundeskreises Dömitzer Eisenbahnbrücke“ im niedersächsischen Dannenberg, erwähnt unliebsame Begegnungen mit DDR-Patrouillenbooten und ein Vorkommnis, bei dem britische Panzer am Elbdeich auffuhren. Als technisches Kulturgut und Mahnmal der deutschen Teilung wurde das Brückenfragment 1985 unter Denkmalschutz gestellt.
Zuvor waren 1977/78 zum Unmut der Anwohner die im Strom erhaltenen Pfeiler und Bögen beseitigt worden. Zehn Jahre später wurden auch auf östlicher Seite die Überbleibsel der Brücke gesprengt. Um den Grenztruppen ein übersichtlicheres Schussfeld zu schaffen, wie Süßenbach annimmt. Dass der verbliebene Rest künftig einem „sanften Tourismus in den Elbauen“ dient, ist seine Hoffnung.
Winfried Dolderer
Am Deich
29484 Langendorf
Etwa 50 km nordöstlich von Uelzen.
Die Dömitzer Brücke ist Teil des Grünen Bandes, einem Naturschutzprojekt entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Lesen Sie hierzu auch den Artikel Biotop Grenze von Beatrice Härig.
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