Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Denkmale in Gefahr Ausgabe Nummer Juni Jahr 2019 Denkmale A-Z F
Erstmals im Jahre 1316 urkundlich erwähnt, ist der ehemalige Fleischhof sogar im schönen Quedlinburg etwas ganz besonderes.
Quedlinburg ist eine Augenweide: mittelalterliche Kirchen, Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten und der alles bekrönende, imposante Schlossberg. In Deutschland gibt es nur wenige Altstädte, die ein so geschlossenes und gut erhaltenes Stadtbild besitzen. Stundenlang kann man als Besucher durch die historischen Gassen der Welterbestadt schlendern und sich daran erfreuen, wie dieses historische Zeugnis von unschätzbarem Wert in den vergangenen Jahrzehnten restauriert wurde. Mit großer Kraftanstrengung konnte vieles gerettet werden, was schon als verloren galt.
Das gibt auch Hoffnung für den sogenannten Fleischhof. Der Westflügel des ehemaligen Adelshofs, der nur ein paar Schritte vom Marktplatz entfernt liegt, befindet sich in einem katastrophalen Zustand. Wenn nicht bald gehandelt wird, droht er sogar einzustürzen.
Die Vierflügelanlage in der Wordgasse ist einer der größten historischen Hofkomplexe in der Quedlinburger Altstadt. „Für mich alleine zu groß“, wie Hartmut Heger berichtet, der das Ensemble vor einigen Jahren erwarb. Der desolate Zustand erforderte umgehendes Handeln. Daher leitete er erste dringend erforderliche Sicherungsmaßnahmen ein und fand zwei Partner für die „Mammutaufgabe Fleischhof“.
Einiges ist schon geschafft: Inzwischen sind der Ost- und der Südflügel der malerisch zwischen Stadtmauer und Mühlengraben gelegenen Hofanlage instand gesetzt. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) half bei der Erneuerung des Dachwerks. Auch sind erste Nutzungen möglich. In den restaurierten Gebäudetrakten befinden sich Wohnungen und ein Restaurant.
Die Sanierung des Westflügels ist allerdings eine
schwer zu bewältigende Aufgabe. Seit Jahrzehnten dringt Wasser in das kaputte
Dach und setzt Wänden und Decken zu. Der Echte Hausschwamm, der gefährlichste
Pilz für verbaute Hölzer, hat sich im Fachwerk breitgemacht und schon manchen
Balken zersetzt. Als Folge ist die gesamte Holzkonstruktion instabil. Besonders
auf der Wetterseite ist die Lage dramatisch. Man kann von Glück reden, dass die
sich zur Seite neigenden Zwerchhäuser noch nicht herabgestürzt sind.
Dabei ist der Westflügel der wertvollste und älteste Gebäudeteil. Das hübsche Sandsteinportal trägt die Jahreszahl 1567. Eine Bauuntersuchung des Deutschen Fachwerkzentrums Quedlinburg hat bestätigt, dass der stattliche Wohntrakt aus dieser Zeit stammt. Das Erdgeschoss ist massiv aus Naturstein, der darüber liegende Stock ist in der für Quedlinburg so typischen Fachwerkbauweise errichtet. Drei Zwerchhäuser aus der Renaissance ragen aus dem Dach – eine Seltenheit, weil viele dieser Dachaufbauten in der Barockzeit entfernt wurden.
Im Inneren lässt sich trotz einiger Umbauten der originale Grundriss nachvollziehen. Klassischerweise lagen die beheizbaren Räume übereinander: die Küche im Erdgeschoss, der große repräsentative Saal im Obergeschoss. Verbunden durch eindrucksvolle Dielen befanden sich auf der anderen Seite des Westflügels Lager und Schlafzimmer. Einige wenige, dafür umso wichtigere Ausstattungstücke, etwa der große Kamin und zwei wunderschön geschnitzte Stützen, heben sich angesichts des vielen Bauschutts und des bröselnden Putzes besonders ab. Doch es scheint noch mehr erhalten zu sein: Die Bauforscher gehen davon aus, dass unter den vielen Farbschichten weitere kostbare Malereien und Baudetails aus dem 16. und 17. Jahrhundert schlummern.
Umso glücklicher ist Hartmut Heger, dass die Stadt Quedlinburg dieses bedrohte Denkmal übernimmt: „Dort kommt es in gute Hände.“ Die lokale Politik und die Verwaltung haben über die Jahrzehnte viel Erfahrung beim Schutz und bei der Erhaltung von Denkmalen gesammelt. In guter Zusammenarbeit mit Bauherren, Architekten, Denkmalbehörden und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz rettete die Stadt seit 1989 Hunderte Gebäude vor dem Verfall. Dabei ist das nur ein Bruchteil des großen Denkmalbestands: Mehr als 2.000 Fachwerkhäuser stehen im kleinen Quedlinburg. Denn kein Krieg hat die Stadt im Harz zerstört, keine Flächensanierung hat in das historische Gefüge eingegriffen. Erst die lang unterlassene Pflege war dem Flächendenkmal gefährlich geworden.
Oberbürgermeister Frank Ruch weiß um die überregionale Bedeutung, die das baukulturelle Erbe Quedlinburgs hat, und er weiß auch, welche wichtige Rolle jedes einzelne Denkmal für das Altstadtensemble spielt – so auch der stadtbildprägende Fleischhof. „Im Feuerwehr-Tempo“ möchte Frank Ruch mit der Sicherung des historischen Bauwerks beginnen. Auch Klaus-Dieter Plate, erfahrener Fachmann der Altstadtsanierung und Ortskurator der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mahnt: Viel Zeit bleibt nicht!
Um die Standsicherheit zu gewährleisten, soll das Fachwerk-Gerüst entlang der verformten Hölzer – ähnlich einem Knochenbruch – zunächst geschient und gestützt werden. Erklärtes Ziel aller Beteiligten ist eine behutsame, ressourcenschonende Instandsetzung mit Experten in der Denkmalrestaurierung. Das Deutsche Fachwerkzentrum Quedlinburg etwa hat gute Erfahrungen mit der Methode gesammelt, vom Echten Hausschwamm befallene Balken nicht zu ersetzen, sondern den zerstörerischen Pilz durch eine Mikrowellenbehandlung zu beseitigen.
Wenn es an die Arbeit geht, möchten die Stadt und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz den Fleischhof zu einer offenen Baustelle machen, auf der die Restauratoren, Handwerker, Studenten, Lehrlinge und Jugendbauhüttler Hand in Hand arbeiten. Als „Erlebniswelt Denkmal“ soll hier ein lebendiger Ort zum Lernen, Mitmachen und Schauen entstehen, der auch allen Förderern der DSD offensteht. Dazu passt die angedachte öffentliche Nutzung als Welterbezentrum.
Der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist es ein wichtiges Anliegen, Quedlinburg bei der Sicherung des ehemaligen Fleischhofs zur Seite zu stehen. Denn nach wie vor sind es einfach zu viele Baudenkmale, um deren Sanierung sich die Kleinstadt mit ihren knapp 25.000 Einwohnern kümmern muss. Die Bevölkerungszahl und die wirtschaftliche Entwicklung zeigen eine positive Tendenz, doch die Haushaltslage bleibt angespannt. Das erschwert das Aufbringen der erforderlichen Eigenmittel, die für die Hilfe durch staatliche Förderprogramme notwendig sind.
Jede Spende, die Sie zur Erhaltung der historischen Hofanlage beitragen, dient als Ersatz für die fehlenden kommunalen Eigenmittel und erwirkt Fördermittel in vierfacher Höhe aus dem Bund-Länder-Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“. Seit Quedlinburg 1994 zum Weltkulturerbe erklärt wurde, ist es der damals eingegangenen Verpflichtung vorbildhaft nachgekommen, „das großartige bauliche Erbe wie einen Augapfel zu hüten“. Bitte helfen Sie dabei, das erhaltene Ensemble des ehemaligen Fleischhofs zu retten und damit ein weiteres Stück der Quedlinburger Altstadt zu bewahren.
Amelie Seck
Wordgasse 4
06484 Quedlinburg
Quedlinburg liegt ca. 70 km südwestlich von Magdeburg.
Auch kleinste Beträge zählen!
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Endlich hat sich die Stadtverwaltung zur Zusammenarbeit mit Herrn Heger entschlossen. Meinen Dank
an den OB Ruch - nur gemeinsam kann diese große Herausforderung klappen. Ich freue mich auf des neue Welterbezentrum - bitte auch die Jugendbauhütte bei der Sanierung einsetzen.
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz