Denkmalarten Wohnhäuser und Siedlungen Öffentliche Bauten Technische Denkmale Landschaften, Parks und Friedhöfe Streiflichter Material Ausgabe Nummer April Jahr 2019 Denkmale A-Z N
Im Februar standen in Bayern Tausende Menschen geduldig vor den Meldestellen, um sich für das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ einzutragen. In München wand sich die Warteschlange mehrmals vor den Toren des Rathauses. Überwältigende 1,8 Millionen Bürger machten schließlich mit ihrer Unterschrift klar: Es läuft etwas schief im Umgang mit der Natur in Deutschland und es muss Grundlegendes geändert wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie nehmen sich Denkmale beim Thema Natur- und Klimaschutz aus? Wie nachhaltig ist Denkmalschutz?
Es ist ein hochaktuelles Thema, denn es geht um unsere Zukunft. Schüler ziehen demonstrierend durch die Straßen. Sie klagen die Elterngeneration an: Auf der Erde wird es wärmer, der Kohlendioxid-Ausstoß steigt weiter – allen Appellen zum Trotz. Flugzeuge und Autos gelten derzeit als die schlimmsten Schadstoffverursacher. Der übermäßige Fleischkonsum steht in der Kritik, und der Gütertransport muss im Hinblick auf das Klima dringend reduziert werden. Völlig vernachlässigt in diesem Kontext ist der Blick auf den Sektor Bauen.
Als graue Energie wird die Energiemenge bezeichnet, die man für die Herstellung, für den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung eines Produkts benötigt. Ein Neubau benötigt viel, sehr viel graue Energie. Das Bauen wird von Wissenschaftlern für ein Fünftel des jährlichen weltweiten Ressourcenverbrauchs verantwortlich gemacht. Das kritische Hauptaugenmerk liegt aber immer noch vorrangig auf dem Energieverbrauch während der Nutzung eines Gebäudes.
Zu wenig beachtet werden die anderen Faktoren, die in der Summe die Energiebilanz eines Gebäudes ausmachen. Baudenkmale – Ausnahme sind jene aus dem 20. Jahrhundert – bestehen in der Regel aus Materialien, die aus der Region stammen. CO2-Emissionen durch lange Transportwege, die heutige Bauvorhaben immens belasten, fielen bei ihrer Errichtung schlicht aus logistischen und technischen Gründen weg.
Überwiegend wurden nachwachsende Rohstoffe verwendet. Holz war in fast allen Gegenden die meist verwendete Ressource. Ein Baustoff, der haltbar ist, sich leicht verarbeiten lässt, Wärme gut hält – und durch seine CO2-Speicherleistung eine optimale Klimaschutzbilanz hat. Für die Dachdeckung wurde teilweise nachwachsendes Stroh oder Reet genutzt oder es wurden Ziegel aus nahen Tonvorkommen gebrannt.
Man lebte und baute mit dem, was man vorfand, dazu gehören auch Wind und Wetter. Die lokalen klimatischen Bedingungen ließen typische Architekturformen zum Wohnen entstehen. In den Haubargen an der Nordsee ebenso wie in den Schwarzwaldhäusern in Südwestdeutschland haben die Notwendigkeit des Schutzes vor Kälte und Hitze zusammen mit der Art der Nutzung ihren Ausdruck gefunden. Südseiten zeigen viele Fenster, Nordseiten bis auf den Boden herabgezogene Dächer. Heute schaffen diese traditionellen Gebäude für die Bewohner nicht zuletzt auch eine Art innere Wärme, nämlich das beruhigende Gefühl der Identifikation mit ihrer Region.
Althergebrachtes wird plötzlich wieder sehr modern. Neben Holz und Stein war Lehm seit jeher ein weiteres wichtiges Baumaterial. In unseren Breiten jahrhundertelang in Fachwerkbauten verwendet, verlor es seine Attraktivität im 20. Jahrhundert. Doch seit einigen Jahren, nach einem Jahrhundert der mit Wohngiften belasteten Baustoffe, hat es sich herumgesprochen: Die uralte Technik des Lehmbaus ist nicht so antiquiert wie sie klingt. Lehmwände regulieren optimal die Luftfeuchtigkeit.
Heute werden nicht nur von Handwerkern, sondern auch von privaten Hausbesitzern Lehmbau-Kurse besucht. Sie stecken bis zu den Ellbogen in der Masse und bringen sie liebevoll eigenhändig auf ihre zukünftigen vier Wände, um dann in einem Haus mit gesundem Raumklima zu leben. Es ist ein Beispiel dafür, dass Vergangenes Zukunftspotenzial hat, denn längst wird auch bei Neubauten mit Lehm experimentiert: mit Lehmbausteinen und vielfältigen Lehmputzen, auch Edelputzen für die direkte Verarbeitung.
Baudenkmale in ihrer ganzen Vielfalt: Sie stehen schon seit Generationen, in manchen Fällen Jahrhunderte. Sie wurden repariert, vielleicht in Teilen umgestaltet. Bei vielen ist die eigentliche Funktion durch den gesellschaftlichen Wandel verloren gegangen. Eine klug durchdachte moderne Umnutzung verlängert das Leben von historischen Bauwerken – und macht damit die Energieverbrauchsbilanz eines Denkmals, gerade im Bereich Wohngebäude, unschlagbar.
Denn nicht zuletzt ist das pure Alter eines Denkmals das überzeugendste Argument für dessen positiven ökologischen Wert: Nicht nur die benötigte Betriebsenergie eines Bauwerks ist von Bedeutung, für eine rechnerisch korrekte Einschätzung muss der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet werden. Jedes Jahr, das ein Bauwerk länger steht, ist ein positives Jahr für den Klimaschutz.
Flächenneuinanspruchnahme ist nicht nur ein hässliches Wort aus der Welt der Bürokratie, sondern auch in seiner praktischen Umsetzung unschön und hat fatale Folgen. Täglich werden in Deutschland rund 62 Hektar zur Neubebauung für Verkehrsprojekte und Wohnbauten ausgewiesen, was einem Flächenverbrauch von etwa 88 Fußballfeldern entspricht. Landschaften werden zersiedelt, Bodenflächen versiegelt.
Hier kommen die Bienen wieder ins Spiel.
Wie andere Insekten leiden auch sie unter dem Verschwinden und der
Zerschneidung ihres Lebensraums. Denkmalschutz im ländlichen Bereich erhält
gewachsene Kulturlandschaften, die Platz für Blühwiesen, Streuobstwiesen und
Nistplätze lassen. In der Stadt sorgt er für eine optimale Nutzung des Bestands,
die eine Bebauung des Umfelds minimieren kann – und damit indirekt wiederum
gegen das Insekten- und Artensterben wirkt.
Das Fazit: Das Baudenkmal an sich ist nachhaltig. Denkmalpflege ist kein Hobby für geschichtsversunkene Exoten, sondern leistet gesellschaftlich und umwelttechnisch einen beachtenswerten Beitrag. Die Erhaltung und Nutzung von Baudenkmalen wird den Planeten Erde nicht retten, aber sie schont ökologische Ressourcen. Abbruch und Neubau belasten die Umwelt wesentlich mehr als der Unterhalt eines bestehenden Gebäudes, das optimalerweise behutsam energetisch modernisiert wird und damit die direkten und indirekten Emissionen senkt.
Traditionelle Handwerkstechniken gehen mit nachhaltigen Baustoffen einher. Historische Materialien sind nicht nur umweltverträglicher, sie sind außerdem ressourcenschonender in der Herstellung. Und eine sinnvolle Umnutzung spart Neubauten. Überzeugende Argumente, die die finanzielle Herausforderung, die Denkmalpflege oft darstellt, in der Gesamtrechnung etwas abmildert.
Auch wenn in Deutschland je nach Bundesland nur zwischen drei und dreieinhalb Prozent des Gebäudebestands unter Denkmalschutz stehen, so handelt es sich doch um rund 630.000 Baudenkmale. Das bedeutet 630.000 Bauwerke, die zudem noch mit ganz anderen Argumenten überzeugen: Sie sind ein Teil unserer Kultur, sie bewahren Erinnerung und sie erhalten Schönheit. Und immer öfter dienen sie als Vorbild für die heutigen Baumeister und weisen damit in die Zukunft.
Beispiel Kastenfenster – frühes energetisches Bauen
Fast 40 Prozent der CO2-Emissionen der privaten Haushalte in Deutschland verursacht der Bereich Wohnen. Direkte Emissionen fallen bei der Verbrennung von Energieträgern an – Gebäude müssen geheizt werden, und Wasser soll warm zur Verfügung stehen. In Zukunft soll Architektur selbst zum Kraftwerk werden, die Energieeffizienz muss gesteigert werden, deshalb werden Bestandsimmobilien nachgerüstet. Am Denkmal wird in einem zugegeben engeren Rahmen ebenso versucht, energetisch zu modernisieren, zum Beispiel mit einer zeitgemäßen Heizungsanlage.
Eine vernünftige Dämmung der Kellerdecke und des Daches ist auch im Altbau möglich, am besten mit nachwachsenden Rohstoffen: Holz- und Schafwolle, Hanf und Kork werden mehr und mehr verwendet. Aus schlichter Notwendigkeit heraus wurde schon früher auf Wärmedämmung geachtet, zum Beispiel durch die Verwendung doppelter Fenster, der Kastenfenster. Hier wirkt die Luftschicht zwischen den Glasscheiben als Schutz gegen Wärmeverlust.
Beispiel Trockenmauern – das „Ritzenbiotop“
Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung hat eine Rückbesinnung auf die jahrhundertelang gepflegten Trockenmauern in den Weinanbaugebieten stattgefunden. Denn sie sind nicht nur Zeugnisse menschlicher Arbeit und Kultur und Teil einer eindrucksvollen identitätsstiftenden Landschaftsgestaltung, sondern dienen darüber hinaus allerlei Getier als Wohnstätte.
Als Material wurden Steine aus nahegelegenen Steinbrüchen, aus dem Weinberg selbst oder – eine Form des frühen Recyclings – aus niedergelegten Häusern und Mauern gewonnen. Trockenmauern zeichnen sich dadurch aus, dass sie ohne Bindemittel errichtet werden, was viel Erfahrung erfordert. Im Ergebnis bieten sie mit den trockenen, sich aufheizenden Mauerköpfen und den eher feuchten Schildmauern unterschiedliche Lebensräume für Flora und Fauna.
Beispiel Holzwirtschaft wie anno dazumal – Schwerstarbeit und Erkenntnisse
Alte Praktiken im Umgang mit der Natur: In der Forstwirtschaft werden seit einigen Jahren wieder vermehrt Rückepferde eingesetzt, weil man erkannt hat, dass sich ein behutsamerer Umgang mit dem Wald auszahlt. Die riesigen Harvester, die Holzvollernter-Maschinen, schaffen Masse weg, zerstören aber viel. Die Pferde hingegen arbeiten zentimetergenau und hinterlassen statt Abgasen düngenden Mist.
Traditionelle Waldwirtschaft und Holzgewinnung spielt auch im Hausbau eine Rolle. Die Jugendbauhütte Stade lernte in einem Waldseminar im Februar zum Beispiel mittels Baumfällung mit Handwerkzeugen, Behauen von Stämmen zu Balken mit Axt und Breitbeil und dem Sägen von Baumstämmen mit der Schrotsäge, wie schnell sich der Wert von natürlichem Material erhöht, wenn man eigene Hand anlegen muss. Balken und Bretter, die so gewonnen und verbaut werden, sind nicht für eine Verfallszeit von wenigen Jahren geplant.
Hinzu kommt ein tiefes Verständnis für das Bauwerk selbst: Jugendliche, die mit möglichst authentischen Werkzeugen Holz bearbeiten, haben einen anderen Blick auf die Zeit und die Geschichte, zum Beispiel der Hanse. In Wismar wurde eine historische Kogge, in Lübeck der Keller eines mittelalterlichen Kaufmannshauses nachgebaut, was in den letzten Monaten sogar als „Schaubaustelle“ in der großen Berliner Archäologieausstellung im Gropius-Bau zu sehen war.
Beispiel Gartendenkmalpflege – Verzahnung von Denkmal- und Naturschutz
Zur Denkmalpflege gehört auch die Erhaltung und Pflege von Gartendenkmalen: 2.600 gibt es in Deutschland, zahlreiche Förderprojekte der DSD zählen dazu. Darunter fallen Parkanlagen und Grünflächen oder ganze Kulturlandschaften, die oft außergewöhnlichen Altbäumen einen geschützten Lebensraum bieten. Immer enger arbeiten dabei die zuständigen Ressorts zusammen, zum Beispiel bei der Pflege von Streuobstwiesen und der Rekultivierung alter Baum- und Obstsorten.
Beispiel Historische Baustoffe – konsequentes Recycling
Sie arbeiten mit dem Abrissbagger im Nacken: Oft gelangen die Informationen vom Abbruch eines Gebäudes erst in letzter Minute an die Betreiber von Depots, die historische Bauelemente sammeln. Dann heißt es schnell handeln und die Schätze sichern, die sich bei Restaurierungen oder Umbauten wiedereinsetzen lassen: Dachziegel, Wand- und Bodenfliesen, Säulen verschiedenster Materialien, Bauschmuck, schmiedeeiserne Gitter, historische Türen und Holzfenster.
Natürlich sind die Erhaltung eines Bauwerks und seiner Bauteile vor Ort erstrebenswert, wenn dies aber nicht möglich ist, können die gesicherten Materialien in einem zweiten Leben sinnvoll eingesetzt werden. Sollingdachplatten zum Beispiel werden nicht mehr hergestellt. Bei Restaurierungen ist man auf historische Baustofflager angewiesen. Nachhaltiger kann Bauen nicht sein.
Langsam kommt der Recycling-Gedanke auch in der Bauindustrie an: Architekten und Bauingenieure versuchen, „Upcycling“-Gebäude zu entwerfen. Sie bestehen aus Reststoffen. Ebenso denkt man über Gebäude nach, die zu hundert Prozent aus wiederverwertbaren Materialien bestehen, und ist damit wieder da, wo man früher schon war.
Beispiel Lebensraum Denkmal
Die Fledermaus ist zum Symbol geworden für die tierischen Verlierer bei der hemmungslosen Neubebauung von ländlichen Flächen. Ideale Sommerquartiere finden sich bevorzugt in großflächigen Dachstühlen, wie sie Scheunen, Schlösser, Burgen und Kirchen zu bieten haben. So manches Bau- oder Restaurierungsprojekt – auch der DSD – wird heute deshalb nach den Belangen des Großen Mausohres oder der Kleinen Hufeisennase geplant. Kirchengebäude kommen immer mehr als Orte der Biodiversität ins Spiel: Über tausend Kirchen wurden seit 2007 mit der NABU-Plakette Lebensraum Kirchturm ausgezeichnet: Vögel wie Schleiereulen, Dohlen und, der Name ist Programm, Turmfalken sind hier zu Hause.
Beispiel moderner ökologischer Denkmalschutz in Berlin
Eine andere Art ökologischen Denkmalschutzes finden wir in Berlin: Als die Besitzer der alten Malzfabrik im Bezirk Schöneberg 2005 begannen, ihre Projekte zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion umzusetzen, galten sie als alltagsfremde Visionäre. Heute wird diese Art von Landwirtschaft als global richtungsweisend angesehen: Das Urban Farming kombiniert mit minimalem Wasser- und Flächenverbrauch Gemüse- und Fischzucht, Pestizide kommen nicht zum Einsatz.
Dazu wird das Industriedenkmal von 1914 energetisch saniert – inklusive der charakteristischen Darrenschornsteine, die wie Ritterhelme mit hochgeklapptem Visier aussehen und längst Markenzeichen der Malzfabrik sind. In der ehemaligen Mälzerei wird das Thema Umnutzung gelebt: ein altes Gebäude mit Zukunft. Hier treffen sich also nicht nur viele Menschen bei zahlreichen Events in einem wiederbelebten historischen Industriebau, sondern Denkmal- und Klimaschutz in sinnvoller Synergie.
Beatrice Härig
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat alle gezeigten Beispiele gefördert.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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