Denkmalarten Schlösser und Burgen Technische Denkmale Kurioses Herrscher, Künstler, Architekten Ausgabe Nummer Februar Jahr 2019
Die geheimnisvolle Alchemie ist weitaus mehr als das Metier unseriöser Scharlatane und „Goldmacher“ vergangener Zeiten. Lesen Sie, wieviel von ihr in unseren Denkmalen steckt.
Die Alchemisten sind mitten unter uns. Wer glaubt, die Jagd nach dem Stein der Weisen gäbe es nur in exaltierten Fantasy-Romanen, in versponnenen Erzählungen von früheren Irrglauben und den Abenteuern Harry Potters, irrt. Im anhaltischen Coswig zum Beispiel wird seit zehn Jahren der Tag der Alchemie veranstaltet, der letzte im September 2018. Mit Wissenschaftlern, renommiert in Forschung und Lehre, an einem Ort, der selbst Protagonist ist: Das Simonetti Haus, 1699 bis 1705 erbaut, beherbergte ein alchemistisches Labor – das ist historisch belegt –, und es wird bald wieder ein solches erhalten.
Dieter Lorenz, über 40 Jahre Apotheker in Coswig, organisiert diese Tage der Alchemie. Nach dem Grund seines Interesses für das Thema gefragt, antwortet er: „Berufsbedingt. Die Pharmazie ist aus der Alchemie hervorgegangen.“ Und außerdem stehe Coswig als Standort der chemischen Industrie auch in der Tradition der Alchemie. Da haben wir sie, die Verbindung der geheimnisumwobenen altertümlichen Wissenschaft mit unserer Zeit.
Alchemie – was ist das?
Brodelnde Substanzen in bauchigen Gläsern, Retorten über zischenden Flammen: In zahlreichen Zeichnungen und Gemälden wurde das Bild geprägt vom Alchemisten, der auf der Suche nach dem künstlich hergestellten Gold, nach dem Stein der Weisen ist. Das Bild ist nicht ganz falsch. Aus unedlen Metallen vollkommene Stoffe und im besten Fall Gold zu gewinnen, war lange Zeit das oberste Ziel der Alchemie.
Doch es ging nicht immer um Gold: Erst ab dem 17. Jahrhundert steht die Goldmacherei als das Opus magnum im Mittelpunkt der Alchemie – die damit in unserem rationalen Zeitengedächtnis als Scharlatanerie gespeichert ist. Johann Wolfgang von Goethe, selbst der Alchemie zugetan, hat mit seiner dämonischen Ausmalung des Doktor Faustus seinen Teil beigetragen. Dabei ist Goethe ein gutes Beispiel für einen Alchemisten der anerkannten Sorte: naturwissenschaftlich auf der Höhe seiner Zeit, universal interessiert, philosophisch bewandert.
Experimente prägen auf der einen Seite die Geschichte der Alchemie: Die Umwandlung von Stoffen, die Transmutation ist ihr Hauptgegenstand. Dafür wird in den Laboren destilliert, filtriert, kristallisiert und sublimiert. Die Alchemie – eine Vorläuferin der modernen Wissenschaft Chemie.
Auf der anderen Seite gibt es die Metaphysik, die
untrennbar zur Alchemie gehört. Diese Verbindung hat sie in nachaufgeklärten
Zeiten suspekt und beunruhigend, weil nicht einzuordnen, gemacht. Lange Zeit
wurden die Begriffe Hermetische Philosophie oder Pythagoräismus gleichbedeutend
verwendet. Alchemie war auch der Versuch, die Welt zu erklären, die Gestirne
mit dem irdischen Leben zu verbinden.
Sie galt als Kunst, in ihr zeigte sich nichts weniger als der Schöpfungsakt. Natur, Materie als Teil der Schöpfung, wurde nicht nur imitiert, sondern in etwas Höheres transmutiert. Dieser Anspruch in Kombination mit der Geheimniskrämerei der Alchemisten, den Illustrationen von Fabelwesen und gottähnlichen Geschöpfen beflügelte schon immer die Fantasie.
Der Begriff Alchemie wurde seit dem 12. Jahrhundert in Europa geformt. Entstanden ist die Alchemie aus altägyptischen Erkenntnissen, dem Gedankengut der griechischen Philosophen, arabischem Wissen, chinesischen Entdeckungen und vielem mehr. Über Byzanz fand sie den Weg ins Abendland.
Quecksilber, Schwefel und Salz
Quecksilber, Schwefel und Salz sind Grundstoffe der Alchemie. Sie führen als Mercurius, Sulfur und Sal zur Pharmazie. Die enge Verbindung zur Medizin ist naheliegend, ist doch die Suche nach dem Lebenselixier fester Bestandteil der Alchemie. Spagyrik heißt die Methode, mit alchemistisch hergestellten Heilmitteln Krankheiten zu behandeln. Die Medikamente und Tinkturen werden in oft monatelangen Prozessen aus Destillationen erzeugt.
Eingesetzt werden Mineralien, die die Informationen von Sonne, Mond und Planeten in sich tragen, pflanzliche und animalische Stoffe. Die aufwendigen Fertigungsschritte Gärung, Destillation, Reinigung, Veraschung und Zusammenführung müssen zu bestimmten kosmozyklischen Zeiten durchgeführt werden. Die Spagyrik findet in den letzten Jahren wieder vermehrt Beachtung, einige Firmen stellen entsprechende Heilmittel her.
Chemie, Pharmazie, Goldmacherei, potenziert durch die Verbindung mit dem metaphysischen Leben, mit dem Künstlerischen – all das ist Alchemie, eine Naturphilosophie.
Brisante Verbindung: Fürsten und Alchemisten
Die Geschichte der europäischen Alchemie ist eng verknüpft mit den Fürstenhöfen. Vor allem in der Zeit der Renaissance gab es populäre Beispiele von Fürsten mit alchemistischer Leidenschaft. Manche waren interessiert an Forschung, an Wissen über die Stoffe und dem Zusammenhang der Dinge, an Fortschritt und Erfindungen – wir befinden uns im Zeitalter der Wunderkammern. Viele aber wurden geradezu elektrisiert von der Aussicht auf eine lukrative Goldmacherei.
So mancher Alchemist landete nicht aus freien Stücken im Hoflaboratorium, musste bei Nichterfüllung des Auftrags um sein Leben fürchten und sich Mogeleien, effektvolle Experimente und Hinhaltetaktiken überlegen. Raffgier und Verzweiflung sowohl der hochverschuldeten bauwütigen oder kriegsführenden Herrscher, als auch der „Chemysten“ schrieben einige verworrenen Geschichten. Hochstapler hatten Konjunktur, einige baumelten am Galgen.
Die Kurfürsten der Pfalz und Brandenburgs, die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel, Landgraf Moritz „der Gelehrte“ von Hessen-Kassel: Sie alle unterhielten Alchemistenküchen an ihren Höfen. Der bekannteste unter ihnen ist Kaiser Rudolf II. Prag galt zu seiner Regierungszeit als Hochburg der Alchemie.
Eigene Architekturen entstanden: Das Labor des Kurfürsten von Sachsen wurde im Volksmund das „Goldhaus“ genannt. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg schenkte seinem Hofalchemisten Johann Kunckel die Pfaueninsel – eher eine Art Gefängnis als eine Bereicherung. Im „Dienerbuch“ Herzog Friedrichs I. von Württemberg werden allein zehn Hofalchemisten aufgeführt – von denen fünf hingerichtet wurden – und weitere 65 Laboranten und Adepten. Kein Wunder, dass dem Herzog, der bei einem der alchemistischen Versuche selbst beinahe sein Leben ließ, 1599 übermäßige finanzielle Ausgaben vorgeworfen wurden.
Wie die symbolische altägyptisch-alchemistische Schlange Ouroboros sich selbst vom Schwanz her auffrisst, drehten sich Ursache und Wirkung im Kreis. Um pekuniäre Probleme zu lösen, wurde unfassbar viel Geld in die Goldmacherei gesteckt. Aber nicht zu vergessen ist: Ebenso „investierten“ die Fürsten in die Wirtschaft ihrer Länder, der Herzog von Württemberg zum Beispiel mit metallurgisch-analytischen Untersuchungen in das Bergwesen. Bei der Suche nach Salzen wurde profitables Heilwasser entdeckt.
Im barocken Sachsen vollzog sich eine ganz eigene Variante der Transmutation: Kurfürst August der Starke hatte 1701 Johann Friedrich Böttger den Befehl zum Goldmachen erteilt. Zusammen mit Ehrenfried Walther von Tschirnhaus war dieser bei der Suche nach einem hochtemperaturfesten Material für die Tiegel auf die Formel zur Herstellung des Porzellans gestoßen – mit weitreichenden Folgen für Sachsen und Europa.
Abfälle der Alchemie
2012 wurden in Wittenberg in einer Abfallgrube an der Franziskaner-Klosterkirche die Überreste einer Alchemisten-Werkstatt entdeckt, die zwischen 1520 und 1540 betrieben wurde. Aufwendig restauriert konnten sie 2016 in einer Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle bestaunt werden und waren jetzt gerade in der großen Archäologie-Schau „Bewegte Zeiten“ in Berlin zu sehen.
Gefunden wurde das umfangreichste Inventar eines alchemistischen Labors nördlich der Alpen: Zehn Retorten konnte man mit unendlicher Geduld wieder zusammensetzen, mehrere bis zu 50 Zentimeter hohe Destillationsblasen, etliche Dreieckstiegel. Was den Wittenberger Fund so bedeutsam macht, ist die Tatsache, dass an den Gerätschaften jede Menge Reste chemischer Substanzen haften. Ihre Analyse ergab, dass in ihnen spagyrische Heilmittel produziert wurden. Die Alchemisten-Werkstatt in Wittenberg stellte verschiedene Antimonverbindungen in so großer Menge her, dass es sich regelrecht um einen pharmazeutischen Großbetrieb gehandelt haben muss.
Nach einer Idee des berühmten Arztes Paracelsus versuchte man, mit Quecksilber und Antimon, dem Arsen ähnlich, Reinigungsprozesse im Körper zu bewirken. Die Antimontherapie, die mit Brechen und Schwitzen einherging, war Ende des 16. Jahrhunderts sehr populär, jedoch grausam und hinterließ einige Tote. Die Methode aber, anorganische chemische Substanzen in der Medizin zu verwenden, ist Grundlage moderner Pharmazie. Von Paracelsus stammt der berühmte Satz: „Allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“
Alchemie in Stuck und Stein
Das Simonetti Haus in Coswig wird seit vielen Jahren von einem Verein betrieben. Kulturereignisse im angegliederten Veranstaltungssaal von 1888 und ein zähes Engagement bei der Restaurierung des Barockhauses haben die Ehrenamtler in Arbeit gehalten. Nun wird es bald soweit sein: Im Anbau soll ein Alchemistenlabor wieder aufgebaut werden, in dem vor allem Jugendliche an die Geheimnisse der frühen Chemie herangeführt werden könnten.
Das Simonetti Haus wirkt wie die Transmutation der Alchemie in Stein: mit Stuckdecken, handwerklich ein Wunderwerk, die mehr aussagen als es scheint, mit einem alchemistischen Laboratorium, das wie Phönix aus der Asche aufersteht, und Baukunst, die sich in einem langwierigen Prozess von der Ruine zum Juwel destilliert.
Beatrice Härig
www.denkmalschutz.de/simonetti-haus
Freiherr Friedrich von Meder ließ 1699 das Simonetti Haus in Coswig errichten. Wie viele Adlige in seiner Zeit war wohl auch er in Geldnöten. Ein Müller aus Ballenstedt war Gerüchten nach der „Goldmacherei“ kundig, Meder ließ den Mann nach Coswig holen. Mit Hilfe von Quecksilber wollte der den Stein der Weisen und Gold herstellen, was aber Jahre dauern könne.
Statt des Steins der Weisen sind in dem barocken Fachwerkbau außergewöhnlich aufwendige Stuckdecken entstanden, geschaffen vom vielbeschäftigten Hofstuckateur Giovanni Simonetti.
Forscher haben Deutungen der dargestellten Allegorien vorgenommen und Szenen, die zunächst wie Darstellungen aus der ägyptischen und griechischen Mythologie aussehen, in alchemistische Aussagen umgedeutet.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz förderte die Rettung der Stuckdecken. Zur weiteren Restaurierung wird noch Unterstützung benötigt.
Zerbster Straße 40, 06869 Coswig (Anhalt).
Am letzten Tag des Monates geöffnet und auf Anfrage: Tel. 034903 499223
Schloss Büdingen, Schlossplatz 1, 63654 Büdingen.
Führungen Sa und So 15 Uhr und nach Vereinbarung.
Tel. 06042 9647-0, Fax 06042 9647-10
http://www.schloss-buedingen.de/
Alchemie in Schloss Weikersheim. Ausstellung mit rekonstruiertem Labor und Bibliothek. Schloss und Schlossgarten Weikersheim, Marktplatz 11, 97990 Weikersheim.
April bis Okt. 9–18 Uhr
https://www.schloss-weikersheim.de/start/
Ausstellung über Johannes Kunckel in der Meierei auf der Pfaueninsel, Nikolskoer Weg, 14109 Berlin.
April bis Okt. Sa und So 10–17.30 Uhr
https://www.spsg.de/schloesser-gaerten/objekt/meierei-auf-der-pfaueninsel/
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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Danke für den tollen Artikel der anschaulich den Weg von der Alchemie zur Pharmazie schildert!
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