In den 1970er-Jahren wurde die Alte Kirche in Bürgeln durch engagierte Bürger vor dem Abriss gerettet - jetzt benötigt sie erneut Hilfe!
Die Alte Kirche im oberhessischen Bürgeln macht seit Jahren
eine zweite Karriere: als Kulturkirche für Nachwuchskünstler. Die Idee war aus
der Not geboren. 1973 wurde der Förderkreis Alte Kirchen e. V. gegründet, um
das barocke Denkmal vor dem Abriss zu retten. 1984 übernahm er es sogar in sein
Eigentum und begann, mit ersten kleineren Kulturveranstaltungen das ehemalige
Gotteshaus im öffentlichen Bewusstsein zu halten. Schon bei den zaghaften Anfängen
erwies sich die Kirche mit Platz für 40 bis 100 Gäste als ein angenehmer
Spielort mit viel Charme. „Die Künstler möchten nicht in Kneipen auftreten. Sie
schätzen die Alte Kirche sehr: Denn die Leute kommen hierher, weil sie ihrem
Programm die ganze Aufmerksamkeit schenken wollen“, sagt Dr. Kurt Bunke. Er
kümmert sich um das Kulturangebot und ist der Vorsitzende des Kulturvereins
Alte Kirche Bürgeln e. V., der seit 2006 das abwechslungsreiche Programm mit
Konzerten von klassisch bis Soul und Pop, mit Lesungen und Kunstausstellungen
gestaltet. Mittlerweile lassen sich die Kulturschaffenden auf die Warteliste
setzen, in der Hoffnung, dass sie den Ansprüchen des Vereins genügen.
Doch je mehr sich die Alte Kirche in Bürgeln als dörfliches Kulturzentrum im regionalen Kulturangebot etabliert, umso hinfälliger wird der Kirchenbau. In den 1980er-Jahren fand unter dem Förderkreis Alte Kirchen e. V. die letzte größere Maßnahme statt. Seither wartet das Bauwerk auf eine grundlegende Restaurierung. Dass es für die Kirche in dem kleinen Ort vor den Toren Marburgs dringend Zeit wird, bestätigen auch Franziskus Hartmann, der zuständige Architekt, und der Bezirksdenkmalpfleger Dr. Bernhard Buchstab vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Doch der Kulturverein Alte Kirche Bürgeln e. V., der 2017 das Denkmal als Schenkung vom Förderkreis Alte Kirchen übernommen hat, kann das Geld kaum aufbringen.
Bereits 2006 stimmte eine Bestandsaufnahme der Schäden
bedenklich. Setzrisse noch unbekannter Ursache und der Dachstuhl bereiten
statisch-konstruktive Probleme. Durch schadhafte Stellen in der Dachdeckung,
die zwar immer wieder repariert wurden, ist Feuchtigkeit ins Gebälk
eingedrungen und hat sich wie so oft an den Fußpunkten der hölzernen Sparren
auf dem Mauerwerk gesammelt. Nun sind sie zum Teil so verfault, dass die Kräfte
des Daches nicht mehr richtig abgeleitet werden. Zudem gibt es Feuchteschäden
im Fachwerk und an der Decke. Fazit ist, dass die Dachstuhlkonstruktion die
Wände an der Nord- und Südseite auseinanderdrückt. Risse, die langsam, aber
stetig tiefer werden, sind ein untrügliches Zeichen für die Bewegung im
Bauwerk, wie auch die herabgefallenen Putzstückchen, die regelmäßig vom
Kirchenboden aufgekehrt werden. Der nicht atmungsaktive Dispersionsanstrich an
Wänden und Decke lässt die Feuchtigkeit nicht austreten und trägt zum
Schadensbild bei, auch wenn er 1984 teilweise entfernt wurde.
All dies spielt sich unsichtbar für den Betrachter ab. Er freut sich über die kleine Kirche, die so anmutig auf dem einstigen Friedhof steht und nur zu Fuß durch die verwinkelten Gässchen zu erreichen ist. Unter dem Walmdach mit dem Dachreiter, der die Glocken trägt, sind mehrere Jahrhunderte Baugeschichte vereint. Von außen zeigt die Kirche mit den kleinen Rundbogenfenstern in dem kompakten Mauerwerk der Nordwand noch deutlich, dass ihr Kern eine um 1100 gebaute Kapelle ist. Die Chorsüdseite mit einem Spitzbogenfenster erzählt davon, dass ab dem 13. Jahrhundert die Herren von Fleckenbühl auf der Burg Bürgeln das Patronat hielten. Sie veranlassten in der Spätgotik, dass der Rechteckchor angebaut und das Westportal errichtet wurde. Um 1685, als sich die Region von den Auswirkungen des Dreißigjährigen Kriegs zu erholen begann, wurde die Kirche unter finanzieller Mithilfe des Marburger Professors Johannes Tesmer, der auf Gut Fleckenbühl wohnte, umgestaltet und im Inneren neu ausgestattet. Weil sie wohl zu klein für die Gläubigen geworden war, erhöhte man sie um ein Fachwerkgeschoss, damit eine zweireihige Empore an der Nordwand Platz fand. Von außen betrachtet, könnte der Betrachter darüber nachdenken, ob es sich um eine Kirche oder nicht vielmehr um ein Schulhaus handelt. Im Inneren jedoch erweist sich das alte Gotteshaus mit der freundlichen Aura über jeden Zweifel erhaben: Der Blick fällt als erstes auf die Kanzel und den Altar. Statt des Gestühls stehen nun Stühle im Raum. Die Orgelempore wird von der 1752 erbauten Orgel eingenommen, der 1897 ein romantisches Werk eingebaut wurde. Auch an der Chorwand befindet sich eine Empore, die noch bis in die 1970er-Jahre den privilegierten Familien vorbehalten war. Heute sitzt dort übrigens der Tontechniker, der die trockene Akustik in dem Raum regelt. „Sie ist für A-cappella-Musik hervorragend geeignet“, erklärt Kurt Bunke begeistert.
Als in den 1980er-Jahren restauratorische Maßnahmen
ergriffen wurden, um die schädliche Farbe von den Wänden zu entfernen, traten
barocke Rankenmalereien an den Fensterlaibungen und dem Chorbogen zutage, die
man nicht erwartet hatte. An den Seitenwänden wurden gemalte Bibelsprüche aus
der Zeit um 1780 freigelegt, die der Erbauung für die nach Geschlecht getrennt
sitzenden Gläubigen dienen sollten. Besonders verziert ist der Triumphbogen:
Die Illusionsmalerei suggeriert Quadersteine mit Diamantschliff. Leider ist sie
in ihrem jetzigen Zustand nur schwer zu erkennen. Die zwischen 1685–97
entstandene Ausschmückung der Kirche bestimmte vermutlich ein Pfarrer Preusch,
der sie der lutherischen Tradition folgend dekorativ gestalten und sich selbst
über dem Triumphbogen – was unüblich war – namentlich verewigen ließ. All diese
Besonderheiten waren noch unbekannt, als dem barocken Kleinod 1970 der Abriss
drohte: Die Kirchengemeinde wünschte sich eine größere Kirche. Außerdem sollte
die frei werdende Fläche der unmittelbar benachbarten Grundschule zur Verfügung
gestellt werden. Doch wie das Leben so spielt: Jetzt im Herbst zeugt ein
beachtlicher, orange leuchtender Kürbis davon, dass seit Jahren ein Bereich
des Kirchgartens von den Grundschülern fürsorglich gepflegt wird. „So mancher
aus der Dorfgemeinschaft engagiert sich für die Alte Kirche und würde sie
vermissen“, sagt Kurt Bunke. Das Denkmal mit kulturellem Leben zu erfüllen und
dadurch zu retten, war und ist ein hervorragendes Konzept. Für die Bewahrung
des Bauwerks allerdings braucht der jetzige Förderverein finanzielle
Unterstützung, um die wir Sie herzlich bitten. Frei nach Karl Valentin: Kultur
ist schön, macht aber viel Arbeit – und selten reich.
Christiane Rossner
An der Alten Kirche 8, 35091 Cölbe-Bürgeln
Auch kleinste Beträge zählen!
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz