Öffentliche Bauten Jugendstil / Art Déco Herrscher, Künstler, Architekten Interieur Interviews und Statements August 2018 B
Johannes Barner ist einer der Urenkel vom Gründer des Sanatoriums Dr. Barner in Braunlage. Er kümmert sich um die Erhaltung des Jugendstil-Gesamtkunstwerks, in dessen altehrwürdigen Räumen ein moderner Klinikbetrieb läuft. Nun wurde ihm der Europa Nostra Award verliehen.
Johannes Barner zu folgen ist nicht immer einfach: Traumwandlerisch sicher und zügig geht er durch die Gänge der verwinkelten Gebäude, öffnet hier die Tür zu einem unerwarteten weiteren Raum, biegt da um die Ecke in einen bis dahin unbekannten Verbindungsgang und lächelt zufrieden, wenn er einen der sagenhaft schönen Aufenthaltssäle perfekt illuminieren kann. Er leitet, zusammen mit seinem Bruder, dem Mediziner Dr. Andreas Barner, bereits in vierter Generation das Sanatorium und Krankenhaus Dr. Barner. Gegründet wurde es 1900 von Friedrich Barner, der als einer der ersten Ärzte Psychotherapien durchführte. Diese bilden neben psychosomatischen Behandlungen auch heute noch den Schwerpunkt des medizinischen Betriebs. Geblieben sind auch die Jugendstil-Gebäude, entworfen 1905 und 1913 von Albin Müller, dem späteren Leiter der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe, im ebenso ganzheitlichen lebensreformerischen Ansatz wie die Behandlungen: Von der Architektur über die Tapeten, vom Geschirr bis zu den Linoleumböden stammt alles aus der Hand Müllers. Und jedes einzelne Detail ist Johannes Barner seit frühester Kindheit bekannt und bewusst. Der schwere gusseiserne Heizkörper wird ebenso kenntnisreich erläutert wie die Leuchter, der Stoffbezug der eleganten Sessel und die Linkrusta-Tapeten. Gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos von 1914, überall aufgestellt, belegen die Kontinuität des Ortes. Schließlich führt Johannes Barner auf den Dachboden. Einer der hohen Räume beherbergt eine Art Albin Müller-Archiv: Ordentlich sind Stühle, Tapeten-Proben und Linoleum-Stücke verstaut, sortiert nach Müllers Magdeburger und Darmstädter Phase – das allein wäre ein Museum wert.
2010 wurde das Sanatorium als national wertvolles Denkmal eingestuft, jetzt konnten Johannes Barner und das Büro David Chipperfield Architects eine der höchsten Auszeichnungen der Denkmalpflege entgegennehmen: Am 22. Juni wurde dem Sanatorium Dr. Barner in Berlin im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres der Europa Nostra Award in der Kategorie „Erhaltung“ verliehen. Die ungeheuren Anstrengungen, mit der sich die Barners einer für kleine Kliniken fatalen aktuellen Gesundheitspolitik und dem ewigen Verfall historischer Gebäude entgegenstemmen, sind damit im passenden Rahmen gewürdigt worden.
Monumente: Herr Barner, Sie sind in diesem Zauberberg mitten im Harz aufgewachsen. Wie empfindet man als Kind einen Ort, den Denkmalpfleger und Architekturliebhaber anbeten, der jedoch ein wenig aus der Zeit gefallen scheint?
Johannes Barner: Die Familie Barner hat immer im Sanatorium gelebt. Im Entwurf Albin Müllers war fast der gesamte Mitteltrakt des Hauptgebäudes für die Familie Barner vorgesehen. Ich bin im Sanatorium aufgewachsen und lebe hier immer noch neben meinem Wohnsitz in Berlin.
Natürlich nimmt das Sanatorium einen großen Raum in meinem Leben ein. Eine Kindheit in einem Sanatorium zu verbringen, bedeutet immer auch ein wenig abseits der anderen zu stehen. Das ist vielleicht nicht immer einfach, schärft aber auch den Blick auf das Besondere und die Schönheit der Dinge.
Mein Bruder hat als Arzt die medizinische Nachfolge unserer Vorväter übernommen. Ich wusste schon früh, dass ich mich um das kulturelle Erbe kümmern werde. Das ist eine große Herausforderung, aber auch ein ungeheuer wertvolles Geschenk.
Monumente: Das Architektenbüro von David Chipperfield hat 2008 einen Masterplan zur behutsamen Instandsetzung für das Sanatorium entworfen. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande und wie denkt sich Chipperfield in ein zu sanierendes Gebäude ein?
Barner: In den 80er-Jahren studierte ich in Berlin Kunstgeschichte. Mit einem Kommilitonen und Freund wechselten wir zusammen in die Architektur. Er wurde Architekt und arbeitete für Chipperfield als Projektleiter am „Neuen Museum“. Die Herangehensweise der Chipperfield Architekten ist mit dem ganzheitlichen Behandlungsansatz des Sanatoriums durchaus vergleichbar, denn auch diese entwickeln eine angemessene und individuelle Therapie, basierend auf einer umfassenden Untersuchung des baulichen Bestandes und einer detaillierten Erfassung der einzelnen Schäden. Beim Sanatorium etwa wurden die erforderlichen Maßnahmen priorisiert und unter Berücksichtigung des jährlichen Baubudgets und der „Zumutbarkeitsgrenze“ für den laufenden Klinikbetrieb zu sinnvollen Bauabschnitten gruppiert. Ziel aller Maßnahmen war es, die bauliche Substanz behutsam und werktechnikgerecht zu reparieren und auf den Zustand von 1914 zurückzuführen.
Monumente: Die Zusammenarbeit mit der amtlichen Denkmalpflege im Zusammenspiel mit den Vorschlägen Chipperfields scheint im Wesentlichen unproblematisch zu sein. Wie sieht es im medizinischen Bereich aus?
Barner: In der Tat ist es so, dass hier eine große Diskrepanz besteht: Zum einen wird mittlerweile auf Landesebene die Bedeutung des Ensembles als Baudenkmal voll anerkannt, aber zum anderen die Daseinsberechtigung als gelistetes öffentliches Krankenhaus verweigert. Das Haus ist zu klein, um mit den von der Politik gewollten großen Kliniken mitzuhalten. Hier muss unbedingt ein Umdenken stattfinden. Seit Jahren stetig steigende Patientenzahlen belegen, dass sich medizinische Patientenversorgung und Denkmalschutz bestens ergänzen und darüber hinaus dass im Land Niedersachsen nach wie vor ein nicht gedeckter Versorgungsbedarf im Fachgebiet der psychosomatischen Medizin und Psychotherapie besteht. Die Klinik betreibt daher seit 2013 gegen große Widerstände ihre Aufnahme in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen. Wir hoffen, dass durch die europäische Anerkennung des Kulturdenkmals die Klinik von der niedersächsischen Landesregierung als psychosomatisches Krankenhaus anerkannt wird.
Monumente: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) unterstützt seit 2002 kontinuierlich die Sanierung. Dabei ging es nicht nur um Fördergelder?
Barner: Die DSD war Initiator der Mammutaufgabe, dieses Gesamtkunstwerk zu retten. Ohne ihre frühe Unterstützung hätte es keinen Anfang gegeben. In ihrer Obhut wurde 2002 eine treuhänderische Stiftung gegründet. Und mit ihrer Hilfe wurde die Stiftung Sanatorium Dr. Barner schließlich auf eigene Beine gestellt. Sie ist ausschließlich für den Erhalt der Bauwerke zuständig, die Miete der Klinik sorgt für eine stetige Förderung. Heute ist eine Kuratorin für die Stiftung fest angestellt. Dazu sind mehrere Fachleute ständig beauftragt, darunter eine Haus-Restauratorin. Die DSD half beim Aufbau dieser funktionierenden Struktur, aber sie half eben auch im Detail. Zum Beispiel förderte sie 2003 die wissenschaftliche Untersuchung der Linoleumbeläge, damals restauratorisch noch ein unbekanntes Gebiet. Zudem hat die DSD vehement die akribische Zustandsanalyse befürwortet, die vom Büro David Chipperfield Architects auf Initiative des niedersächsischen Landesdenkmalamtes als Grundlage für den Masterplan erstellt wurde. Die Fördermittel der DSD waren jeweils zur Komplettierung besonders wichtig, um das notwendige Budget für die einzelnen Förderabschnitte zu erreichen.
Monumente: Wenn man mit Ihnen durch die Räume des Sanatoriums und durch den Park geht, wird einem schwindlig bei den vielen Projekten, die schon durchgeführt wurden, und denen, die noch anstehen, um das Ensemble zu bewahren. Wie behalten Sie Ihren Optimismus und Ihre Tatkraft?
Barner: Unter anderem durch eine Anerkennung wie die durch den Europa-Nostra-Preis. Denn hier handelt es sich nicht einfach um eine Auszeichnung für eine Restaurierung, sondern um die Anerkennung des Zusammenspiels von Baudenkmal und medizinischer Nutzung und den Versuch, beides zu erhalten. Ich sehe den Preis auch als Ermutigung, Baudenkmäler zu nutzen und diese nicht zu musealisieren.
Doch auch ohne solch einen Preis wäre die Motivation immer da: Wir haben ein einzigartiges kulturelles Erbe in eine Stiftung überführt und werden alles daransetzen, dieses zu erhalten und es für die heutige Gesellschaft zu nutzen. Das Gesamtensemble der Gebäude, der Park mit Lufthütte und Liegehalle ist das eine. Aber ich muss auch nur eines der vielen Details im Haus sehen, und mein Herz geht auf.
Das Interview führte Beatrice Härig
Jeden Samstag um 15 Uhr wird eine Führung im Sanatorium Dr. Barner angeboten, jeden Samstag um 20 Uhr wird im Musiksaal ein Konzert gegeben – auch dies ist Teil der Öffnung des Baudenkmals.
Dr.-Barner-Straße 1
38700 Braunlage
Tel. 05520 804-0
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz