Öffentliche Bauten 1900 August 2018 F
Sonnenschein, blaues Wasser, ein Eis in der Hand: In Flüssen zu baden, gehörte früher zu jedem Sommer. Seit die Gewässer wieder sauberer werden, rückt das Thema jetzt vermehrt ins Bewusstsein – und mit ihm die Badeanstalten.
Für viele Zürcher ist der Besuch der Badi ein tägliches Ritual, gerade im Sommer. Mit rund vierzig Badeanlagen wird Zürich gemessen an seiner Einwohnerzahl die höchste Bäderdichte der Welt nachgesagt. Und nicht wenige davon liegen an Flüssen. Beim „Limmatschwimmen“ im August sind Tausende unterwegs. Mitten in der Altstadt befindet sich die „Frauenbadi“ mit nostalgisch anmutenden Holzbauten von 1888. Noch älter ist die „Männerbadi“ von 1864. Dazu kommt: Abends werden einige dieser Bäder zu stimmungsvollen Bars. Denkmale, die außerordentlich viel zum Charme der Stadt beitragen. Das Schwimmen in den Schweizer Stadtflüssen ist ein Kulturgut und so bekannt, dass es zum festen Katalog der ohnehin zahlreichen Attraktionen des Alpenlands gehört.
Kein Wunder, dass das Baden in Flüssen auch in Deutschland seit einiger Zeit wieder ein Thema ist. Vor 14 Jahren setzte das Flussbadeschiff in der Berliner Spree nahe der Oberbaumbrücke ein stylisches Zeichen. Sehr schnell avancierte es zu einem der Orte in der Stadt, in der Berlin sich so gibt, wie es gerne sein möchte: lässig, mit ein wenig Hinterhofatmosphäre, gar heiter. Doch das Flussbadeschiff ist Flussbaden mit doppeltem Boden. Das Schwimmbecken und die Umkleidekabinen befinden sich auf einem Trägerschiff, das fest am Ufer installiert ist. Jetzt fühlt sich Berlin bereit für das echte Abenteuer, nämlich das Schwimmen im Fluss selbst. Engagierte Gruppen werben für ihren Traum. An der berühmten Museumsinsel, im Kupfergraben direkt an den großen Kulturtempeln wie dem Neuen Museum, der Nationalgalerie und dem Bodemuseum, soll man in die Spree gehen können. Das wäre Baden vor monumentaler Kulisse. Doch es gibt Probleme. Die Wasserqualität der Spree ist schlecht, schon 1925 schlossen deswegen die meisten der früher zahlreichen Badeanstalten. Ohne Filteranlagen sollte heute kein Mensch freiwillig in die Fluten der Spree steigen. Zudem ist die Museumsinsel ausgewiesenes Unesco-Weltkulturerbe und fordert einen gewissen Respekt ein.
Vom großen experimentell-urbanen Lebensentwurf zu den ruhigeren Gefilden: Flussbaden in und vor Städten muss nicht immer der ganz große Auftritt, kann aber umso schöner sein – und das seit Generationen. Elementares Naturerlebnis gekoppelt mit Stadtansicht ergibt höchstes Vergnügen. In Lübeck etwa, umgeben von vielen Gewässern, locken mehrere Flussbäder, darunter eines am Krähenteich inmitten der Altstadt. Und vom Marli-Freibad an der Wakenitz im Westen der Stadt, gegründet 1905, kann man schwimmend direkt das nächste, das am anderen Flussufer liegende historische Naturbad Falkenwiese erreichen. Seit 1899 ist diese Badeanstalt in Betrieb und kann mit der Kreidemannschen Anstalt sogar mit einem Vorgänger von 1799 aufwarten. Hier wie dort kümmern sich Fördervereine. Wie bei vielen Flussbädern waren es engagierte Bürger, die die aus der Mode gekommenen und entsprechend verwahrlosten historischen Anlagen retteten. Sie organisieren den Badebetrieb und dazu oft noch ein Kulturprogramm.
Obwohl so nahe an der Stadt gelegen, bieten die Wakenitz-Bäder eine idyllische und absolut ruhige Lage und eben das, was neben dem Schwimmen das Beste an Flussbadeanstalten ist: Die Möglichkeit, sich am Ufer in der Sonne zurückzulehnen, die Bäume rauschen zu hören, den Strom neben sich glucksen zu lassen. Im besten Fall einen Sonnenuntergang genießen. Womit der Förderverein vom Naturbad Marli zusätzlich punktet: „Das Wasser der Wakenitz hat nahezu Trinkwasserqualität – ohne Chlor und Zusätze –, was der Haut und der Seele gut tut.“
Obwohl erst im Juni die Bundesrepublik Deutschland vom Europäischen Gerichtshof wegen der viel zu hohen Nitratwerte im Grundwasser verklagt wurde, hat gleichzeitig eine europäische Studie zur Qualität der Badestellen in Deutschland ein sehr positives Ergebnis bescheinigt: 98 Prozent der 2.287 untersuchten Flüsse, Seen und Meeresküsten erfüllen die EU-Mindeststandards für Badegewässer. 91,4 Prozent zeichnen sich laut dem Bericht sogar durch eine ausgezeichnete Qualität aus. Denn es muss unterschieden werden zwischen dem ökologischen Zustand des Gewässers und der Eignung zum Schwimmen. Seit der Einführung der EG-Badegewässerrichtlinie 1976 hat sich die Qualität der Badegewässer massiv verbessert, überprüft vom Bundesumweltamt, das seinen Sitz in Dessau-Roßlau hat. Eine überzeugende Bestätigung dieser Entwicklung findet sich genau vor seiner Tür: im Rehsumpf im Westen der Stadt.
„Wo hast Du schwimmen gelernt?“ – „Im Schweinekasten“, ist die Antwort, die man in Dessau erhält, erzählt Elisabeth Kremer vom Förderverein Rehsumpf. Sie steht auf einer Brücke über der Jonitzer Mulde, die die ehemalige Badeanstalt Rehsumpf in einer großen Schleife idyllisch umrundet. Ganz an den Rand ist sie getreten, denn die maroden Bohlen unter ihr drohen zu brechen. So wie insgesamt das Bild, das sich ihr bietet, zwar ausgesprochen romantisch, aber ein Trauerspiel des Verfalls ist. Rund 90 Badekabinen, verwildert, besprüht, von umgestürzten Bäumen eingedrückt, stehen im hohen Gras. Spuren der Vergangenheit lugen heraus: eine Tischtennisplatte, eine Kegelbahn.
Der „Schweinekasten“ liegt am Ufer auf dem Trockenen. Es handelt sich um ein hölzernes Gatter, mit Latten als Boden wie im Schweinestall – daher der gebräuchliche Name. Er konnte im strömenden Wasser an Pfosten in unterschiedlichen Höhen befestigt werden und diente als Schwimm-Lernbecken für Kinder. Die Besonderheit der Flussbadeanstalt im Rehsumpf ist das Sportbecken im Nebenarm. In den 1920er-Jahren als Schwimmbahn für die Armee eingerichtet, war es zu DDR-Zeiten Trainingsstätte für namhafte Sportvereine. Wasserballer, die DDR-Meisterschaften gewannen, Schwimmathleten – einer soll sogar olympische Chancen gehabt haben, wäre er nicht in Amerika Schauspieler geworden – nutzten die 50-Meter-Bahn. Hier im sauberen, weil vom Grundwasser gespeisten Nebenarm der Mulde war das Baden durchgängig möglich. Die Mulde selbst war seit den 1940er-Jahren durch die Werke in Bitterfeld zu sehr verschmutzt.
Bis 2012 wurde die denkmalgeschützte Badestätte noch genutzt. Nach dem zweiten großen Mulde-Hochwasser 2013 – das erste von 2002 hatte schon viel Kraft für den Wiederaufbau gefordert – gab die Stadt den Ort auf. Nicht aber die Bürger der Stadt: Sie gründeten 2016 einen Verein, der sich die Wiederbelebung des Rehsumpf-Bads zur Aufgabe gemacht hat.
Die Ironie des Ganzen: Dem Wasser wird mittlerweile wieder eine Top-Badequalität attestiert, aber jetzt ist die Badeanstalt zerstört. Erschreckend ist, dass dieser Verfall in nur fünf Jahren stattgefunden hat. Das aber zeigt eine der Ursachen auf, warum historische Badeanstalten nur selten erhalten sind: das Baumaterial Holz. Dazu kommt beim Rehsumpf in den letzten Monaten ein verstärkter Vandalismus.
Zerstört wird damit nicht nur eine der schönsten Flussbadestätten, sondern auch eine der ältesten erhaltenen überhaupt. Dessau galt einst als Zentrum der Flussbäder, allein hier auf Höhe der Jonitzer Mühle gab es drei, insgesamt waren es zehn in der Stadt. Einer der Gründe reicht ins 18. Jahrhundert zurück: Johann Bernhard Basedow, schillernde Gestalt der Aufklärung, hatte in Dessau Fuß gefasst und mit dem Philantropinum eine Schule mit revolutionär neuer Geisteshaltung gegründet. Ein wichtiger Baustein seiner Pädagogik war die körperliche Ertüchtigung. Geist und Körper wurden als Einheit gesehen, und Sport wurde als eigenes Fach unterrichtet. Dazu standen seit 1780 das Schwimmen im Sommer und der Eislauf im Winter fest auf dem Programm. Geschwommen wurde in Seen und in den Dessauer Flüssen. Das Philantropinum wurde 1793 geschlossen. Schnell nahm die Pädagogik wieder ihren restriktiven Lauf. Gute hundert Jahre später bildet sich die lebensreformerische Bewegung. Viele ihrer Ideen – Bewegung in freier Natur, Luft und Sonne – könnten direkt den Pionierschriften Basedows entnommen sein. Auch in Dessau fallen die neuen, alten Ideen auf fruchtbaren Boden. 1904 wird im Rehsumpf der Dessauer Schwimm-Club 04, 1907 die Flussbadeanstalt errichtet.
Flussbäder wurden oft – wie auch die Sportvereine – für eine bestimmte Klientel gegründet: Arbeitervereine betrieben in manchen Orten eigene Schwimmbäder, im Rehsumpf hingegen war Luft- und Wasserkultur für die Bürgerlichen angesagt. Doch egal welchen Standes: Der leicht gebräunte Teint löst als Ideal die bleiche Haut vergangener Zeiten ab, der Körperertüchtigung wird eine gesundende Wirkung zugesprochen.
Die meisten der für das Bad im Rehsumpf charakteristischen aufgeständerten Kabinen sind fest in der Hand einzelner Familien. Hugo Junkers, Dessauer Ingenieur und Unternehmer im Flugzeugbau mit ganzheitlichem Interesse, liebt den Rehsumpf und baut für sich und seine Familie eine eigene Kabine auf dem Gelände. Er unterstützt die Badeanstalt auch „bei der Verbreitung dieses Volkssports“ großzügig und weiß denjenigen auf seiner Seite, „der die gesunde Wirkung des Schwimmens in freier Natur bei Luft und Sonne erlebt hat.“
Das Flussbad im österreichischen Plank am Kamp
8Dieses Gefühl zurückzugewinnen, dafür geben die Mitglieder des Fördervereins alles. Die Vorsitzende Helga Sinner schüttelt immer mehr Ideen für den Rehsumpf aus dem Ärmel: Radwanderer sollen im historischen hölzernen Vereinshaus zwei Selbstversorgerzimmer mieten können, Familienfeiern so wie einst im Vereinshaus aus den 1950er-Jahren stattfinden. Die Kegelbahn und der Bolzplatz können wieder bespielt werden, ein Fußballverein hat bereits Interesse bekundet. Natürlich darf ein Imbiss nicht fehlen. Vor Augen steht stets die freundliche Atmosphäre, der Spaß im Sommer im stilvollen Rahmen inmitten einer wunderschönen Auenlandschaft, an den sich so viele Familien in Dessau noch gut erinnern können.
Der Schweinekasten soll restauriert werden und mitsamt einem Steg wieder am östlichen Teil der Mulde-Schleife installiert werden – dort, wo die Strömung am geringsten ist und Kinder ungefährdet schwimmen lernen können.
Zurzeit richtet die Stadt Dessau aus den Fördertöpfen des Hochwasserschadensfonds die hölzernen Böden und Wände der Badekabinen her. Um die Dächer muss sich der Förderverein kümmern, wobei ihn die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt. Bei so viel Optimismus und Tatkraft scheint auch der ambitionierte Zeitplan kein Hirngespinst zu sein: Am 1. Mai 2019 ist das große Anbaden geplant.
„Mehr Licht, Luft und Sonne“ lautete der Leitsatz der Lebensreformer. Im 21. Jahrhundert hat dieser Ansatz eine neue Dimension erhalten. Die Rückkehr an den Fluss als im wörtlichen Sinne „Lebensader“ wird nicht nur in groß angelegten Stadtplanungen verfolgt, sondern auch im Praktischen: Die Flussbadeanstalten erleben eine Renaissance. Chlorfrei, in die Natur eingebettet und ressourcenschonend entsprechen sie einer neuen Achtsamkeit gegenüber der Umwelt. Die Begeisterung zeigt sich an Neubau-Planungen, so wie in München, wo man sich an der Isar seit Jahren ein Flussbad herbeiwünscht. Hier würde wegen der starken Strömung – und wegen des kalten Wassers – eher die sportliche Variante entstehen. Die wenigen überlieferten historischen Schwimmbäder an Flüssen dagegen haben einen ganz besonderen Zauber inne – und immer mehr Bade-, Natur- und Denkmalfreunde verfallen ihrem Charme. Sie lassen sich im wörtlichen Sinne mitreißen für die Bewahrung eines Kulturguts mit Kultcharakter.
Beatrice Härig
Flussbäder als Architekturform
Die ersten Badeanstalten in Flüssen wurden schon Ende des 18. Jahrhunderts errichtet. Um dem immer populärer werdenden, wilden Schwimmen mit zahlreichen Todesfällen Einhalt zu gebieten und auch aus Sittlichkeitsgründen, gab es seit etwa 1850 in europäischen Städten offizielle Flussbäder. Einige waren als große, zu allen Seiten geschlossene, also blickdichte, hölzerne Kastenbäder aufwendig gestaltet in typisch historisierenden Formen, verziert mit Holzdekorationen und Türmen. Die Aufbauten der schwimmenden Anlagen enthielten Infrastruktur wie Umkleidekabinen, Aufsicht, Kasse und Gastronomie. Die Badebereiche im Fluss waren für Frauen und Männer streng getrennt. In der Regel wurden in ihnen Schwimmschulen angeboten. Manche Kastenbäder befanden sich in Bassins, die im Fluss schwammen. Das einfache Flussschwimmbad hingegen bestand aus Umkleidegebäuden und Kabinen am Ufer und durch Stege abgetrennte Schwimmbereiche im Fluss. Die Buden wurden aus Holzlatten errichtet, manchmal mit Veranden und Brüstungen versehen. Wegen der sich verschlechternden Wasserqualität waren die Flussbadeanstalten in den Großstädten ab den 1920er-Jahren verboten. Sie wurden ab den 1930er-Jahren abgelöst durch weitläufige Freibäder, die in parkähnlichen Anlagen errichtet wurden mit Terrassen, Brücken und Sprungtürmen in den eleganten Formen der Sachlichkeit und später der Nachkriegsmoderne.
Rehsumpf,
Wasserstadt 20,
06844 Dessau.
Zurzeit kann das Gelände nicht betreten werden. Wer Interesse hat, meldet sich bitte beim Förderverein Rehsumpf
e.V., Tel. 0162 9274988
Auch bei den Bauhausschülern war der Rehsumpf Dessaus beliebt. Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums 2019 wird im Museum für Stadtgeschichte eine Ausstellung „Baden in freier Natur“ vorbereitet.
Auch kleinste Beträge zählen!
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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