Landschaften, Parks und Friedhöfe K
Kurgärten und Kurparks sind ein stadtbildprägender Bestandteil von Badeorten und Kurstädten. Sie dienen der Freiluft-Therapie und als gesellschaftlicher Treffpunkt.
„Einer der größten Vortheile bey den Brunnencuren ist die
Abwendung des Gemüths von den täglichen Geschäften und die Pflicht, sich
unaufhörlich zu ergötzen“, hieß es in einer 1761 veröffentlichten
wissenschaftlichen Abhandlung über Frühlings- und Sommerkuren. Der Besuch von
Kurorten war nie ausschließlich auf die Gesundheit ausgerichtet, sondern Teil
des gesellschaftlichen Lebens und der Konversation. Das galt für die Bäder der
Antike genauso wie für die der Neuzeit. Ob offen für breite Kreise oder
reserviert für einen exklusiven Zirkel – sie umfassten immer Stätten der
Unterhaltung und des Vergnügens. Die Spielwiese, auf der sich all dies so
trefflich vereinen ließ, war der Kurgarten: Hier konnte man die
gesundheitsfördernde Bewegung unter freiem Himmel absolvieren, sich am frischen
Grün erfreuen und zugleich die Zusammenkunft mit anderen Badegästen
zelebrieren. Somit bildet der Park nicht nur den wesentlichen Bestandteil eines
jeden Kurortes, sondern markiert in vielen Fällen seinen historischen Kern.
Die Brunnenalleen
Die Geschichte der Badeorte reicht mitunter sehr weit zurück: Aachen, Wiesbaden oder Baden-Baden etwa haben ihren Ursprung in römischen Anlagen. Im Mittelalter wurde die Badekultur in Europa erst langsam wiederbelebt. Orte, die über wohltuende Thermalquellen verfügten, richteten Badestuben und Herbergen für die auswärtigen Gäste ein. Hinzu kamen ab dem 14. Jahrhundert immer mehr Heilquellen, die man außerhalb der Städte in freier Natur erschloss. Diese gemeinschaftlichen Badeplätze inmitten von Wald oder Wiesen waren meist nur mit einfachen Brunnen, offenen Wannen oder schlichten Holzbauten ausgestattet. Einen entscheidenden Aufschwung erlebte das Bäderwesen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Als die therapeutische Wirkung von verschieden angereicherten Quellwassern entdeckt wurde, kam die Trinkkur in Mode und mit ihr die Brunnenallee. Sie bot die Möglichkeit, nach dem Trinken unter Schatten spendenden Bäumen, bevorzugt Linden oder Kastanien, zu wandeln. Diese Leibesübung war medizinisch ausdrücklich erwünscht: „Alles läuft, vom Wasser und Arzte getrieben.“
In Bad Wildungen wurde eine solche von der Stadt zum Gesundbrunnen führende Allee bereits 1652 angelegt. Auch die Pyrmonter Hauptallee besteht seit 1667, sie wurde kurz darauf durch zwei Nebenalleen ergänzt und im Lauf der Zeit zu einem ganzen Alleensystem erweitert. Vielerorts bestimmt das Alleekreuz bis heute die Grundstruktur des Kurparks.
Nach 1700 entstanden in zahlreichen neu erschlossenen oder wiederbelebten
Badeorten Brunnenhäuser, Trink- und Wandelhallen, die die geforderte Bewegung
auch bei schlechter Witterung erlaubten. Auf der Promenade kam die
Kurgesellschaft nach dem morgendlichen Wassertrinken zusammen, hier fanden die
ersten wichtigen Begegnungen des Tages statt, konnte man Verabredungen für den
Nachmittag treffen.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein fester Typus des Badeortes ausgeprägt, der nicht nur bauliche Einrichtungen wie Gesellschaftssäle, Logierhäuser oder Theater umfasste, sondern gleichermaßen den unverzichtbaren Kurpark betraf: Mit immer größerem Aufwand wurden die Freiflächen jenseits der meist mehrreihigen Alleen aufgewertet und gestaltet. Krambuden säumten die Wege, Musik- und Tanzpavillons sowie Plätze für Spiele sorgten für Abwechslung.
Der Adel verlegte seine monatelangen Sommeraufenthalte nun von den Landsitzen in die Kurbäder, und das gehobene Bürgertum tat es ihm zunehmend nach. Die Badereise war ein „Muss“ für die vornehme Gesellschaft. Die heilenden Quellen und die sie umgebenden Parks standen aber normalerweise allen Bevölkerungsschichten offen, es gab auch einfache Quartiere in den Badeorten. So war es zum Beispiel im luxuriösen und beim Hochadel sehr beliebten Pyrmont Usus, dass Personen von Stand sich im Brunnenhaus bedienen konnten, während für „arme gebrechliche Leute“ ein Brunnen im Freien zur Verfügung stand.
Erbprinz Wilhelm IX. von Hessen-Kassel hatte beim Bau der Kuranlage Wilhelmsbad bei Hanau 1777–82 ausdrücklich die Aufweichung der Standesschranken im Sinn und wünschte, dass sich hier königliche Hoheiten unter „gesittete Bürger“ mischen. Tatsächlich waren es dann vor allem reiche Frankfurter, die sich in elegantem Putz auf der Kurpromenade zur Schau stellten.
Der Bewegung in der freien Natur maß der aufgeklärte Bauherr allergrößte Bedeutung zu. Den weitläufigen Park ließ er als Landschaftsgarten im englischen Stil gestalten, mit aufwendigen Staffagebauten, diversen Attraktionen und Spielgeräten wie Karussells, Schaukeln und Wippen. Die Einbettung der Anlage in die sanft modellierte Natur, die vielen malerischen Sichtachsen und Aussichtspunkte – all dies war ganz am Puls der Zeit.
Auch Christian Cay Lorenz Hirschfeld, wichtigster
Gartentheoretiker der Aufklärung, propagierte das Ideal naturnaher Landschaftsgestaltung
nach englischem Vorbild. Im fünften und letzten Band seiner 1779–85
veröffentlichten „Gartenkunst“ widmete er sich unter anderem den Gärten von
Gesundbrunnen und Bädern und lobte Wilhelmsbad als das anmutigste Beispiel in
Deutschland. Kurgärten sollten offene und heitere Ansichten bieten, „nicht
allein bequeme und mannichfaltige Spaziergänge haben, die zur Bewegung an der
freyen Luft anreizen, sondern auch viele Plätze zur Versammlung, zu
gesellschaftlichen Belustigungen, zur Ruhe im Schatten.“
Kuren in der Landschaft
Das veränderte Verhältnis zur Natur schlug sich in der Gartengestaltung nieder und wurde in den Kurbädern bereitwillig aufgegriffen. An jenen Orten, wo verschiedene Funktionen wie Gesundung, Sommerfrische und Vergnügen gebündelt wurden, kam der Erschließung der Landschaft eine besondere Bedeutung zu. Für Johann Gottfried Herder, der zwischen 1772 und 1777 mehrfach in Pyrmont weilte, war die „heilsame Natur“ auf jeden Fall sehr viel wichtiger als die Spieltische und die „bunten Alleenpuppen“. Der Aufenthalt der Badegäste im Freien blieb spätestens nach 1800 nicht mehr auf die Wege um den Brunnen beschränkt, sondern bezog immer stärker die Umgebung mit ein. Auch Wanderwege, Ausflugslokale und Aussichtstürme gehörten fortan zur Infrastruktur eines Kurortes.
Mit dem Anstieg der Besucherzahlen kam es in vielen Bädern im 19. Jahrhundert zu einem systematischen Ausbau – unter Einbeziehung der Grünanlagen. Das Schleifen von Wällen und Befestigungsanlagen bot nun auch in den größeren Städten Raum für Entfaltung. So wurde in Wiesbaden der ab 1810 um das neue Kurhaus angelegte erste Kurgarten innerhalb der nächsten hundert Jahre in seinem Umfang verdoppelt und mehrfach neu geordnet. Zunächst von einem großen Weiher und Rasenflächen bestimmt, präsentierte er sich schließlich als romantischer Landschaftsgarten. Die Gäste gierten nach Attraktionen, mit denen der Kurpark immer dichter bestückt wurde. Bei den Kleinarchitekturen musste Exotisches her, ersetzte man eine Sennhütte durch einen chinesischen Pavillon, baute einen maurischen Kiosk, einen Wasserfall und Steingrotten, belebte den Teich mit Gondeln und Kähnen.
Welchen Stellenwert man den Kurgärten beimaß, macht auch die Tatsache deutlich, dass renommierte Gartenkünstler Pläne für Neuanlagen lieferten: um die Jahrhundertmitte zum Beispiel Peter Joseph Lenné für Oeynhausen, Homburg und Neuenahr. Sein „gemischter Stil“, der regelmäßig gestaltete Partien mit natürlich anmutenden, weit in die Landschaft weisenden Flächen verband, schien für diese Aufgabe besonders passend.
Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kamen weitere Anreize hinzu, mit denen die Bäder um die Gunst des Publikums wetteiferten. Die schon länger üblichen, locker verteilten Spieleinrichtungen in den Kurparks ersetzte man jetzt durch veritable Sportanlagen. Groß in Mode waren aus England übernommene Freiluft-Sportarten wie Tennis, Golf und Crocket. Der erste Rasen-Tennisplatz auf dem Kontinent war ab 1876 im Kurpark von Bad Homburg zu finden.
Zur Aufwertung des Gesamtbildes internationaler Badeorte
wie Wiesbaden oder Baden-Baden zählte schließlich auch der planmäßige Ausbau
der Villenviertel mit ihren repräsentativen Gärten. Die Landhäuser für den Adel
und das Großbürgertum hatten somit einen nicht unwesentlichen Anteil am Grün
der Kurstädte.
Die Kur für alle
Mit dem Ersten Weltkrieg war die große Blütezeit der Kurbäder und ihrer Gärten erst einmal vorbei. Unter veränderten sozialpolitischen Vorzeichen kam es in der Bundesrepublik ab den 1950er-Jahren zu einer Neubelebung der Kurbetriebe. Als Angebot für die breite Masse der gesetzlich Versicherten stand der medizinische Nutzen wieder im Vordergrund. Durch stetiges Modernisieren und Erweitern wurden viele etablierte Kurorte nachhaltig verändert, vor allem in Bezug auf ihre Architektur, aber auch auf ihre Freiflächen.
Wurden im 20. Jahrhundert neue Grünflächen in Badeorten angelegt, so blieb der spektakuläre gartenkünstlerische Wurf doch eher die Ausnahme. Dennoch gibt es herausragende Beispiele moderner Kurparks wie in Bad Malente. 1955 als Kneippheilbad anerkannt, musste der Ort in der Holsteinischen Schweiz zeitnah einen zentralen Park mit entsprechenden Einrichtungen vorweisen. Beauftragt wurde der Landschaftsarchitekt Karl Plomin, der sich durch die Gestaltung des Hamburger Stadtparks „Planten und Blomen“ sowie durch die Konzeption mehrerer Internationaler Gartenausstellungen in der Hansestadt einen Namen gemacht hatte. 1962–66 schuf er in Malente auf dem Brahmberg und den Schwentinewiesen unter sensibler Nutzung der vorhandenen Topografie eine sechs Hektar umfassende Kuranlage. Plomins Handschrift zeigt sich in der stimmungsvollen Abfolge von Vegetationsbildern mit blühenden Stauden und Gehölzen, die sich mit dem Wechsel der Jahreszeiten malerisch verändern. Zusammen mit den von Peter Arp entworfenen Bauten – Haus des Kurgastes, Liegehalle, Freilichtbühne und Konzertpavillon – ist der Kurpark von Malente ein herausragendes Zeugnis der 1960er-Jahre. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hat über ihre Gemeinschaftsstiftung Historische Gärten in jüngster Zeit Nachpflanzungen gefördert.
Alte und neue Wege
In der Rückschau lässt sich sagen, dass Kurparks, abgesehen von bestimmten charakteristischen Ausstattungselementen, keinen speziellen Gartentyp vorstellen. Grundsätzlich folgte man den allgemeinen Tendenzen der Gartenmode, wie sie sich auch in den Stadtgärten ablesen lassen. Im Bezug auf die Bäume, Stauden und die wechselnde Bepflanzung in den Beeten war man in den Kurgärten sicher noch stärker auf das Vorkommen seltener Gehölze und einen dekorativen Gesamteindruck mit effektvoller Blütenpracht bedacht. Im Vergleich zu anderen öffentlichen Anlagen waren die Intervalle der Umgestaltungen tendenziell kürzer, schließlich standen Kurorte generell unter großem Modernisierungsdruck. Umso bedeutender sind historische Kurgärten, die weitgehend im Originalzustand belassen wurden. Sie auch für die Zukunft zu bewahren, kann allerdings nicht allein Aufgabe der Gartendenkmalpflege sein. Wollen Badeorte mit langer Tradition diese erfolgreich fortführen, dürfen sie die stadtbildprägende Komponente der Grünanlagen nicht außer Acht lassen.
Parkpflegewerke zur fachgerechten Erhaltung und Weiterentwicklung der Kurgärten berücksichtigen auch die Einbindung in die Umgebung und sorgen für das Wiederherstellen von Sichtbeziehungen in die Landschaft.
Längst ist die wochenlange präventive Kur als Kassenleistung passé, viele deutsche Heilbäder hat der drastische Rückgang der Gästezahlen in die Krise gestürzt. Sie müssen sich anstrengen, um ihren Standort bei selbstzahlenden Gesundheitsurlaubern zu sichern, zumal man in den böhmischen Traditionsbädern vor alter Prachtkulisse viel günstiger kuren kann. Viele versuchen sich als Erholungsort neu zu erfinden und mit Baumwipfelpfaden, farblich illuminierten Gradierwerken oder Mondscheinbaden in der Therme zu punkten.
Wie historisches Erbe und moderne Anforderungen elegant zu vereinen sind, kann man im Gräflichen Park Driburg erleben, dem einzigen noch privat betriebenen Kurbad Deutschlands. Im April wurden Gräfin Annabelle und Graf Marcus von Oeynhausen-Sierstorpff mit dem Großen Denkmalpreis der Stiftung der Deutschen Burgenvereinigung ausgezeichnet – dafür, dass sie die Kuranlagen bewahrt und gleichzeitig neuen Ansprüchen angepasst haben. Der Park ist dabei die wertvollste Ressource: Mit dem zur Heilquelle führenden Alleekreuz des 18. Jahrhunderts, dem Landschaftspark des 19. Jahrhunderts und den originellen Schöpfungen zeitgenössischer Gartenkünstler ist er als Kur- und als Kulturstätte gleichermaßen etabliert.
Bettina Vaupel
Bedeutendes Erbe in Gefahr:
der Kurpark von Bad Neuenahr mit seiner Lennéschen Gartenanlage und den
Bauten im Stil der Neuen Sachlichkeit. Das von Hermann Weiser 1927 entworfene
Ensemble aus Konzert- und Trinkhalle, Wandelgang und Kolonnaden (ausgeführt
1934–38) ist ein singuläres Beispiel für Bäderarchitektur, die in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem Geist des Bauhauses errichtet wurde. Nun
droht den Gebäuden entlang der Kurgartenstraße der Abriss: Der Park soll
modernisiert und „aufgewertet“ werden. Einzig die drehbare Orchestermuschel
will die Stadt in den Neubau integrieren. Schon lange kämpft die
Bürgerinitiative „Lebenswerte Stadt“ für die Erhaltung, unterstützt vom
Ortskuratorium Ahrtal der DSD. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, der
Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz und die
Bürgerinitiative haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an die zentrale
Verwaltungsbehörde des Landes Rheinland-Pfalz gewendet und dringend gebeten,
die erteilte Abrissgenehmigung zu überprüfen.
Bei diesen denkmalgeschützten Kur- und Badeanlagen hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gefördert:
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
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Bad Neuenahr: Kurstadt mit Anlagen
Aus meiner Sicht sind sowohl die Kuranlagen in Bad Neuenahr als nördlichster Kurstadt in Rheinland-Pfalz mit ihrem Kurpark und auch der Kurpavillon am Bahnhof erhaltenswert. Auch mit Blick auf 2022, die Landesgartenschau. Erhalt meint nicht Statisches. Sondern immer auch Weiterentwicklung.
Im Sinne ERHALT DURCH AUSBAU war eine politische Initiative "von unten" Anfang der 1990er Jahre in der südlichsten Kurstadt in NRW, Bad Münstereifel, die Erfttalbahn Euskirchen - Bad Münstereifel aktiv.[1] Die Bahnstrecke konnte zunächst versuchsweise erhalten, später ausgebaut werden und die Züge fahren, meist sogar pünktlich, werktäglich im Stundentakt und auch mehrmals täglich am Sonnabend und am Sonntag.
[1] Bericht dazu hier https://soziologisch.wordpress.com/2014/11/26/die-erfttalbahn-im-kreis-euskirchen-oder-erhalt-durch-ausbau/
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