Kleine und große Kirchen Menschen für Monumente Interviews und Statements Oktober 2017
Zusammen mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz engagiert sich der Arzt und Komiker Eckart von Hirschhausen für die Alte Dorfkirche in Berlin-Zehlendorf und widmet der Kirche, die er seit seiner Jugend kennt, in Monumente Online einen Beitrag.
Das Wort 'Denkmal' ist inzwischen fast 500 Jahre alt. Martin Luther erfand es bei seiner Übersetzung der Bibel. Das Denkmal, für das ich mich gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz engagiere, ist die Alte Dorfkirche in Berlin-Zehlendorf. Sie stammt von 1768, wird also nächstes Jahr 250 Jahre alt. Ein schöner Anlass, und daher habe ich gerne diesen Gastbeitrag für die Monumente übernommen. „Denk mal!“ ist für mich eine Empfehlung, ein Denkanstoß: „Mensch – denk mal über dich hinaus!“
Als Arzt und als Komiker interessiert mich immer der Perspektivwechsel. Unsere westliche Zeitvorstellung ist ziemlich gradlinig. Alles hat einen Anfang und ein Ende. Und durch diese beiden Punkte wird eine Zeitstrecke definiert. Die Vergangenheit liegt hinter uns, die Zukunft vor uns. Fertig.
Kann man die Dinge nicht auch ganz anders sehen? In der Vorstellung vieler afrikanischer Kulturen liegt die Vergangenheit vor uns, statt hinter uns. Was eigentlich ganz logisch ist. Denn wir können die Vergangenheit ja sehen. Die Zukunft liegt da, wo wir nicht hinschauen können, hinter uns. So als ob wir gegen die Fahrtrichtung in einem Zug sitzend nach vorne ins Ungewisse gezogen würden, und das, was ist, und das, was war, liegt in unserem Sichtfeld. Hat was.
In dieser Weltsicht bekommt das Wort „Vorfahren“ auch eine schöne
neue Bedeutung. Unsere Vorfahren sind diejenigen, die uns vorgefahren
sind und dabei Spuren hinterlassen haben – ihre Erfahrungen sollten wir
nutzen und ihre Spuren bewahren. Väterlicherseits waren meine Vorfahren
über Generationen hinweg Pastoren.
„Die Alte Dorfkirche in Zehlendorf ist mir seit meiner Kindheit ans Herz gewachsen. Ich habe dort viele Gottesdienste, Konzerte und Jahreswechsel erlebt. Ich schätze den Wert solcher Orte der Stille mitten im Trubel der Welt. Deshalb setze ich mich gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz dafür ein, diese schöne kleine Kirche zu erhalten.“
Dr. Eckart von Hirschhausen
Bischof Dr. Wolfgang Huber (links) im Gespräch mit Dr. Eckart von Hirschhausen
Mein Vater war der erste, der sich für die Naturwissenschaften entschied. Und in meiner Leidenschaft für die Medizin und die seelische Gesundheit, für die Wissenschaft und das Wunder, für die Kraft von Worten und Glauben kommen beide Stränge wieder zusammen. Vielleicht fühle ich mich auch deshalb in alten Kirchen so wohl, ich fühle mich da verbunden. Das Wort „Religion“ bedeutet ja im Kern: wieder verbunden sein. Und um diese Verbindung zu spüren, muss man offline sein.
In Kirchen habe ich den Eindruck, etwas davon spüren zu können, was dort schon passiert ist, von all den Ritualen, Wünschen und Gebeten, die in diesem Raum mitschwingen. Die Steine halten sich an ihre Schweigepflicht, aber sie haben viel gehört und gespeichert. Und so fühlen sich Neubauten anders an als alte Kirchen, und ein Dom mit viel touristischem Durchgangsverkehr anders als eine abgelegene Kapelle in Stille.
Meister Eckhart, der spätmittelalterliche Theologe und Philosoph,
sagte sinngemäß: „Wenn ihr glaubt, Gott in der Kirche näher zu sein als
im Stall, liegt es nicht an Gott, sondern an euch.“ Das mag stimmen, und
wenn Gott überall ist, kann man ihm in einem Hobbykeller, in einem
Kindergarten oder der Natur so nah sein wie in einem „geweihten“ Haus.
Von Manfred Lütz, der Arzt und Theologe ist, stammt die Beobachtung, dass es inzwischen mehr Mitglieder in Fitnessstudios als in Kirchen gibt. Doch vielleicht liegen die Bedürfnisse gar nicht so weit auseinander? Sind Kirchen nicht spirituelle Fitnesscenter? Orte, an denen man etwas üben kann, was einem dann Kraft im Alltag gibt? Klar könnte ich auch zu Hause meine Liegestütze machen und beten. Aber wer bekommt das schon diszipliniert hin? Es ist um einiges leichter, wenn der räumliche Rahmen einen dabei leitet. Und wo zwei oder drei versammelt sind, wächst die Unterstützung.
Die Kirche, die meine Jugend prägte und die mich bis heute
fasziniert, ist die Alte Dorfkirche in Berlin-Zehlendorf (ADK). An einer
großen Straßenkreuzung der Bundesstraße 1, zwischen Berlin-Mitte und
Potsdam, steht hinter alten Bäumen ein zunächst unscheinbarer Bau, der
Kirche und Turm in einem ist. Friedrich II. zeigte sich angesichts des
verfallenen Vorgängergebäudes seinerzeit großzügig und stiftete 6.000
Taler sowie das Bauholz für den Neubau.
„Der achteckige Bau dieser Dorfkirche knüpft in der Form an die alten Taufkirchen an, die sogenannten Baptisterien. Der Taufstein in der Mitte und das Oktagon darum herum symbolisierte die himmlische Vollkommenheit. Die außergewöhnliche Erfahrung der Konzentration, die man hat, wenn man hier Gottesdienst feiert oder sich in einer stillen Minute zurückzieht, hängt mit der Struktur dieses Gebäudes zusammen.“
Bischof a. D. Prof. Dr. Wolfgang Huber, Schirmherr der Alten Dorfkirche Zehlendorf
Es kam wie so oft: Der Baumeister veruntreute einen guten Teil des
Geldes, und so wurde diese Notlösung wie alle Provisorien sehr
standhaft. Später um 1906 kam in der Gemeinde noch eine große
Gründerzeitkirche dazu, doch mehr Charme hat bis heute die Dorfkirche,
wo man eng aufeinander rückt beim Gottesdienst, wo wir als Jugendliche
Morgenandachten vor der Schule gefeiert haben und wo wir Theater und
Konzerte erlebten, weil man so schön nah dran ist an allem. Immer wieder
trete ich hier gerne aus dem Lärm der großen Kreuzung und der
geschäftigen Welt für einen Moment der Stille in den seltsamen,
achteckig-unrunden und doch so heimeligen Bau ein. Prunkvoll war die ADK
nie, das macht für mich gerade ihren protestantischen Charme aus.
„So wie wir Freude an alten und 'weisen' Räumen haben dürfen, sollen sich auch zukünftige Generationen wohlwollend ihrer Vorfahren und Wurzeln erinnern können.“
Dr. Eckart von Hirschhausen
Es tut mir in der Seele weh, zu sehen und zu wissen, wie die Substanz der Alten Dorfkirche zerbröselt. Es braucht für eine lebendige Kirche und eine engagierte Gesellschaft, die sich ihrer Wurzeln bewusst ist, sichere Orte des Miteinanders, bei denen einem die Decke nicht auf den Kopf fällt. Deshalb bin ich gerne zusammen mit dem Alt-Bischof Professor Wolfgang Huber Schirmherr für die Sanierung der Alten Dorfkirche geworden.
Wie sollen wir uns in andere Zeiten und Gedankenwelten hineinversetzen, wenn nicht auch „Erfahrungsspeicher“, sprich Baudenkmäler, aus diesen Zeiten erhalten wurden und erhalten werden. Wenn wir heute alte Lieder singen, schmunzeln wir manchmal über den umständlich formulierten Text. Und doch verbindet das Wissen, das schon Eltern, Großeltern und noch viel mehr Generationen vor uns auch mit diesen Liedern Glaube, Liebe und Hoffnung gesucht und ausgedrückt haben. „Und wenn die Welt voll Teufel wär ...“, so denken wir Gott sei Dank heutzutage nicht mehr. Aber die Welt ist voller Details – und da stecken die kleinen Teufelchen dann doch wieder drin. Gerade wenn es um Denkmalschutz geht.
Es braucht eine Menge Geld, um das Dach der Alten Dorfkirche wieder dicht, die Mauern fest und den Friedhof begehbar zu machen. Ich freue mich über jeden Menschen, der mit einer Spende oder Zuwendung aktiv zur Sanierung der Alten Dorfkirche beiträgt. Und bedanke mich jetzt schon für Ihre Unterstützung. Wir haben von den Generationen vor uns Gedanken, Musik, Gedichte und Gebäude empfangen. Es ist an uns, diese Schätze auch für die nächsten Generationen zu erhalten.
Ein letztes Bild: Für mich ist die Dorfkirche in Zehlendorf wie eine alte Dame, die sich für ihren runden 250. Geburtstag keine Blumen, sondern Handwerker wünscht, keine Vasen, sondern etwas Mörtel für ihren Sockel. Oben und unten dicht. Mehr nicht. Ein paar Falten und Schrammen dürfen ruhig sichtbar bleiben. Schließlich hat sie schon viel erlebt. Und noch viel vor!
Dr. Eckart von Hirschhausen
Eine der ältesten Dorfkirchen Berlins
Schon seit dem 13. Jahrhundert stand eine Dorfkirche an dieser Stelle in Berlin-Zehlendorf. Bereits vor dem Siebenjährigen Krieg (1756–63) galt dieser Vorgängerbau der heutigen Kirche als baufällig. Kriegsschäden gaben ihr schließlich den Rest. 1767 erließ Friedrich der Große höchstpersönlich die „Ordre“, einen Kirchen„neu“bau zu errichten. 1768 fertiggestellt, zählt sie heute zu den ältesten noch erhaltenen Dorfkirchen Berlins und zu den ältesten Gebäuden Zehlendorfs. Und nicht nur das macht sie so einzigartig: Ihre Bauform – ein achteckiger Zentralbau, überspannt von einem Zeltdach – ist selten für eine dörfliche Kirche. Doch genau diese Konstruktion schafft nun Probleme: Das Dachtragwerk ist nicht ausreichend ausgesteift. Balken im Dachstuhl fehlen teilweise oder sind durch Holzschwamm geschädigt. Dadurch droht nicht nur der Dachstuhl selbst zusammenzubrechen, sondern das Gewicht des Daches drückt auch die Mauern der Kirche auseinander und verformt diese. Tiefe Risse im Mauerwerk sind sichtbare Zeichen dafür, wie sehr dies die Substanz des Kirchengebäudes angreift.
Auch kleinste Beträge zählen!
Die heutige evangelische Alte Kirche Zehlendorf liegt im historischen Kern von Berlin-Zehlendorf.
Ecke Potsdamer Straße 357, 14169 Berlin
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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Es wäre eine große Freude für viele Menschen gewesen, wenn sich Herr von Hirschhausen mit gleichem Engagement für die Erhaltung des Immerather Doms, einer denkmalgeschützten Kirche, einsetzte, die ebenso wie viele weitere besondere Baudenkmäler (wie zB. Haus Pallen, Haus Pesch, das über 1000 Jahre alte Borschemich) der Braunkohle weichen muss.
Wo sind eigentlich die prominenten Fürsprecher dieser (verschwundenen) Baudenkmäler?
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