Technische Denkmale 1850 Menschen für Denkmale Restaurierungstechniken Juni 2017
Lübecks Jugendbauhütte ist zu Gast in Kiel. 22 Teilnehmer sind im Einsatz, um die Seefestung Friedrichsort zu erhalten.
Ende April, Kieler Förde. Der kalte Norden macht seinem Namen alle Ehre. Der Wind ist eisig, zeitweise fällt sogar Schnee. Aber den Jugendlichen, die sich voller Eifer an der Seefestung Friedrichsort zu schaffen machen, scheint das wenig anzuhaben. Sie lassen sich nicht einmal von den großen, eindrucksvollen Fährschiffen ablenken, die so nah an ihnen vorbeiziehen.
Die Freiwilligen der Jugendbauhütte Lübeck wurden vom Kieler Stadtplanungsamt gerufen um zu helfen. Und sie sind gerne gekommen. Schon zum zweiten Mal tragen sie dazu bei, den drohenden Verfall der Kasematte 1 zu stoppen, die Teil der letzten erhaltenen Seefestung Deutschlands ist.
An der schmalsten Stelle der Kieler Förde ließ der dänische König Christian IV. 1632–37 diese Festung errichten. Unter seinem Sohn Friedrich III. wurde sie zur sternförmigen Anlage mit Eckschanzen, Wällen und Wassergräben ausgebaut. Nachdem das Herzogtum Schleswig 1867 infolge des Deutsch-Dänischen Kriegs an Preußen gelangt war, riss man den Großteil der dänischen Gebäude ab. An ihrer Stelle wurden 1869 und 1876 zwei 150 Meter lange Kasematten angelegt, die damals noch mit Erdreich überdeckt waren. Obwohl im 20. Jahrhundert durch Kriege und Industrialisierung viel von der Festung verlorenging – Gräben wurden zugeschüttet, Gebäude zerstört, die Wälle wucherten zu –, gehört sie immer noch zu den wichtigsten und ältesten Bauzeugnissen der maritimen Geschichte Kiels.
Noch liegt sie auf privatem, gewerblich genutztem Areal und ist dem Blick verborgen hinter hohen Zäunen und Sicherheitskontrollen. Doch das soll sich ändern. Eine städtebauliche Untersuchung ist im vollen Gange, die eine Basis für eine umfassende Sanierung und Revitalisierung des Geländes liefern soll. Die Kasematte 1 gehört der Firma Caterpillar Motoren, die sie als Lager vermietete. „Wir möchten dieses direkt am Falckensteiner Strand gelegene Baudenkmal erwerben, um es instand zu setzen und für die Zukunft öffentlich nutzbar zu machen“, erklärt Bernward Völmicke vom Stadtplanungsamt beim Rundgang über das ehemalige Fort. „Die Firma Caterpillar Motoren steht dem Verkauf glücklicherweise sehr aufgeschlossen gegenüber.“
Die 22 Frauen und Männer der Lübecker Jugendbauhütte führen im Rahmen eines ihrer Seminare erste Maßnahmen zur Substanzsicherung der Kasematte 1 durch. „Es ehrt uns, an diesem spannenden und großen Projekt mitwirken zu dürfen. Dafür reisen wir gerne aus unserer eigentlichen Wirkungsstätte Lübeck an“, berichtet Dr. Ivalu Vesely, die Jugendbauhütten-Leiterin. Die jungen Leute entkernen und beräumen das Denkmal von späteren Einbauten, restaurieren Teile des Mauerwerks und reparieren das Dach. An vielen Stellen ist es so verrottet, dass fast alle Balken ausgetauscht werden müssen. Die Jugendlichen arbeiten dabei so eingespielt, als kämen sie täglich dafür zusammen. Auch sind sie dabei mit sich selbst nicht zimperlich. Eine junge Frau hat sich bei der Arbeit das T-Shirt zerrissen. „Ein bisschen Schwund ist immer“, kommentiert sie trocken-norddeutsch, während sie einen morschen Dachsparren mit einem lauten Krachen in den Holzcontainer wirft. Anderen treibt die Anstrengung die Röte ins Gesicht. Trotzdem herrscht ansteckend gute Stimmung.
Dass die Bauhüttler bei der schweren körperlichen Arbeit so gerne mit anpacken, liegt sicherlich auch an den motivierenden Anleitern. Die kleine Gruppe, welche sich an der Restaurierung des Mauerwerks erprobt, wird von einem erfahrenen „Altmeister“ des Maurerhandwerks, Alf Geist, begleitet. Ehrenamtlich gibt er traditionelle Handwerkstechniken an den Nachwuchs weiter. Dies ist der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ein wichtiges Anliegen. Der erfahrene Zimmermann Eric Janssen unterstützt die jungen Leute nicht nur während des Seminars. Eine Besonderheit der Lübecker Jugendbauhütte, die maßgeblich von der ortsansässigen Possehl-Stiftung unterstützt wird, sind die Mobilen Denkmalpfleger. Diesem Team von fünf Teilnehmern steht Eric Janssen als handwerklicher Anleiter das ganze Jahr zur Seite. Während sich diese Gruppe verschiedenen denkmalpflegerischen Aufgaben in Lübeck widmet, haben die anderen Freiwilligen weit über die Stadtgrenzen hinaus ihre festen Einsatzstellen.
Zu den Mobilen Denkmalpflegern gehört auch die Österreicherin Katharina Kral. Ihr Vater, der bei einem Besuch in Lübeck von Bauhüttlern durch die Stadt geführt wurde, brachte sie auf die Idee, dort ihr Freiwilliges Soziales Jahr in der Denkmalpflege (FSJ) zu absolvieren. Die Salzburgerin genießt das breite Spektrum der Tätigkeiten: „In den letzten Wochen durften wir den Mast der Kraweel Lisa von Lübeck rekonstruieren und einen Holzkeller von 1180 im Modell nachbauen, das im nächsten Jahr im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigt wird“, erzählt sie in der Pause zwischen einem spannenden Vortrag über Muschelkalkmörtel und ihrer Arbeit am Ziegelmauerwerk. Höhepunkt aber seien, so ist sie sich mit vielen einig, die Seminare, zu denen alle zusammenkommen und in einer Gemeinschaft leben und arbeiten. Denn hier geht es um mehr als das Erlernen von Handwerk und Fachwissen.
Das Ende der Schulzeit bedeutet für viele Jugendliche einen extremen Wendepunkt. Entlassen in die Selbstständigkeit, fühlen sich viele unsicher. Das Orientierungsjahr in den Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz bietet ihnen Hilfe in der Berufswahl, sowie die Zeit und den Raum, sich in Eigenverantwortung und Selbstorganisation zu üben.
Das Konzept Jugendbauhütte geht auf. Das beweist die hohe Zahl derjenigen, die dem Denkmalschutz auch nach dem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Denkmalpflege (FSJ) treu bleiben, nämlich stolze 75 Prozent. Aus den ehemaligen Teilnehmern werden junge Steinmetze, Kunstschmiede und Historiker. 2014 hat Luis Naber sein FSJ bei der Jugendbauhütte Lübeck beendet. Ihm gefielen die Arbeiten so gut, dass er eine Lehre bei der Altstadtzimmerei in Lübeck anschloss. Nun engagiert sich der großgewachsene Zimmermannsgeselle als dritter Anleiter im Seminar auf der Seefestung Friedrichsort. „Immer habe ich engen Kontakt zu der Jugendbauhütte gehalten. Gerne möchte ich nun das weitergeben, was mir damals an Freude und Wissen vermittelt wurde.“
Der eine oder andere Teilnehmende der Jugendbauhütte Lübeck wird nach diesem Jahr der Denkmalpflege beruflich einen anderen Weg einschlagen – die schöne Erfahrung und das Bewusstsein für das kulturelle Erbe jedoch bleiben. Luis Naber fasst es gut zusammen: „Einmal Bauhüttler, immer Bauhüttler.“
Amelie Seck
Die Jugendbauhütten ermöglichen es jungen Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren, ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst in der Denkmalpflege zu absolvieren. In einer der bundesweit 14 Jugendbauhütten können die Jugendlichen in unterschiedlichsten Einsatzstellen traditionelle Handwerkstechniken erlernen und sie am Original anwenden. Verschiedene Seminare zu Stil- und Materialkunde, Arbeitsmethoden und Grundlagen der Denkmalpflege ergänzen die praktische Arbeit am Denkmal. Rund 3.500 Jugendliche haben bislang ein FSJ in den Jugendbauhütten absolviert, die ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Trägerschaft der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd) sind.
Das Freiwillige Soziale Jahr in der Denkmalpflege beginnt jeweils am 1. September. Bewerbungen sind noch möglich.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Silke Strauch, Tel. 0228 9091-160, jugendbauhuetten@denkmalschutz.de, www.jugendbauhuetten.de
Die Broschüre „JugendBauhütten“ und den „Jahresbericht 2016“ können Sie unter oben angegebener Adresse bestellen oder hier herunterladen
Über die Jugendbauhütte Lübeck erfahren Sie hier weiteres.
Führungen und Veranstaltungen
auf dem Festungsgelände organisiert der Verein "Freunde der Festung Friedrichsort e. V."
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Lassen Sie sich per E-Mail informieren,
wenn eine neue Ausgabe von Monumente
Online erscheint.
Auch kleinste Beträge zählen!
Antwort auf: Direkt auf das Thema antworten
© 2023 Deutsche Stiftung Denkmalschutz • Monumente Online • Schlegelstraße 1 • 53113 Bonn
Spenden | Kontakt | Impressum | Datenschutz