Denkmale in Gefahr Oktober 2016

Die romanische Kirche von Dambeck

Engel unter Gitterfolie

Die Dorfkirche in Dambeck bei Salzwedel muss restauriert werden: Eine Aufgabe, bei der die kleine Gemeinde Hilfe benötigt.

Wer es ermöglichen konnte, hat sich an diesem sonnigen Montagmorgen in Dambeck eingefunden. Mit Pfarrer Andreas Henke sind der Kirchenbaureferent vom Kirchenkreis Salzwedel, Rainer Wellkisch, der Bauingenieur Carsten Sußmann aus Magdeburg und von der Kirchengemeinde Elisabeth Müller, Roswitha Heiser und Helmut Zeh gekommen. Sie gehören zu den langjährigen Beschützern der romanischen Kirche in dem rund 220 Einwohner zählenden altmärkischen Dorf in Sachsen-Anhalt.

Sie müssen noch restauriert werden: das spätgotische Schnitzretabel und die Kanzel aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts
Dambeck, Dorfkirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Sie müssen noch restauriert werden: das spätgotische Schnitzretabel und die Kanzel aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts

Für die 50 Gemeindemitglieder ist das Gotteshaus in dem beschaulichen Straßendorf mittlerweile viel zu groß. Doch für seine Erbauungszeit um 1175, als im Zuge der Ostkolonisation im Gebiet um Salzwedel bäuerliche Siedlungen entstanden, waren seine Ausmaße passend. Bis heute ist die Kirche kaum verändert, und dies macht sie so wertvoll. Das additive Prinzip der romanischen Architektur ist leicht zu erkennen: Wie „Bauklötzchen“ sind der massive Westturm, das recht lange Kirchenschiff, der kleinere rechteckige Chor und die halbkreisförmige Apsis aneinandergefügt. Kreisrunde Löcher im Mauerwerk zeigen an, wo das hölzerne Baugerüst angebracht war, und an den Laibungen der Rundbogenfenster sind zum Teil noch die Spuren der Schalung zu erkennen. Das schlichte Eingangsportal in der Nordwand und die kleinere Priesterpforte daneben besitzen noch die alten Bohlentüren mit den mittelalterlichen Beschlägen: sehr rostig zwar, aber bis heute vorhanden.


Der rund 15 Meter hohe Turm wurde wohl erst in einem zweiten Bauabschnitt hochgezogen, denn an seiner Südseite ist der Umriss eines erhöhten Zugangs zu sehen. Über ihn konnten sich die Menschen mit Leitern in dem soliden Westbau vor Feinden in Sicherheit bringen. Den Glockenstuhl markieren große rundbogige Schallöffnungen. Sie sind mit Doppelarkaden aus Backstein verziert, deren kräftige Teilungssäulen aus flachen Trommeln gemauert sind.

Weithin sichtbar im altmärkischen Landkreis von Salzwedel: die romanische Dorfkirche von Dambeck.
Dambeck, Dorfkirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Weithin sichtbar im altmärkischen Landkreis von Salzwedel: die romanische Dorfkirche von Dambeck.

Die Kirche liegt inmitten eines wohlgepflegten Friedhofs. Die in der Rasenfläche eingebetteten Grabstellen zeigen, dass hier früher mehr Menschen beerdigt wurden. Unter einem hohen Baum ist ein verrostetes schmiedeeisernes Gitter zu entdecken, um das, wie hingeworfen, Feldsteine liegen. Geradezu auffällig überwuchern Efeu und Wildwuchs dieses Grab. Helmut Zeh, der sich seit fast 40 Jahren um Friedhof und Kirche kümmert, erklärt: „Es gibt eine Sage, die vielleicht noch die Großeltern kannten, wir leider nicht mehr. Auf jeden Fall soll man sich von dieser Stelle fernhalten – und das tun wir.“ Die Umstehenden bestätigen den 80-Jährigen nachdrücklich.


Das Gotteshaus mit dem wuchtigen Kirchturm macht keinen verlassenen Eindruck, vielmehr scheint es über die Dambecker zu wachen. Von außen ist das Bauwerk restauriert – ein großer Schritt für die Gemeinde. Über zehn Jahre zogen sich die Arbeiten hin. Schrittweise, so wie es ihr und den begleitenden Sachverständigen gelang, Fördermittel einzuholen, wurde die Dacheindeckung wiederhergestellt und das Mauerwerk aus Feldsteinen saniert. Zuvor war der auch von unten durchfeuchtete Bau rundherum ausgegraben worden, weil sich das Bodenniveau bis zu einem Meter erhöht hatte. Ein interessantes Erscheinungsbild gibt dem Gebäude der sogenannte tuchfühlige Putz. Denkmalgerecht wurde der nach dem mittelalterlichen Befund hergestellte Kalkmörtel angeworfen und verstrichen. So liegt er dünn und schützend wie ein Tuch über dem Mauerwerk, und nur die erhabenen Stellen der Feldsteine  bleiben steinsichtig.

Ein Foto das Bände spricht: Wasserspuren und Algengrün lassen erahnen, wie wichtig die Dachstuhlrestaurierung ist.
Dambeck, Dorfkirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Ein Foto das Bände spricht: Wasserspuren und Algengrün lassen erahnen, wie wichtig die Dachstuhlrestaurierung ist.

Jüngst konnte auch der Fachwerkvorbau an der Priesterpforte, eine Zutat aus dem 17. Jahrhundert, restauriert werden. Die kleine Vorhalle aus von Holznägeln gehaltenem Eichenholz schmückt ein 1667 eingeritzter Spruch des Matthäusevangeliums. Pfarrer Andreas Henke entziffert ihn flüssig: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird Euch solches zufallen.“ Die Kirche von Dambeck ist ihm sehr vertraut, auch wenn sie eine von 19 ist, die er zu betreuen hat und in der er nur alle vier Wochen den Gottesdienst hält. Er kennt sie ebenso gut wie die Menschen in seinen 22 Kirchengemeinden.


Als wir den Raum betreten, fällt es nur allzu deutlich auf, warum die romanische Kirche unser diesmaliges Denkmal in Not ist: Auch wenn durch die Baumaßnahmen das Innere nun trocknen kann, kündet der modrige Geruch von der über Jahrzehnte eingedrungenen Nässe. Algengrün in der Sockelzone zeigt genau an, wie tief das Mauerwerk in der Erde stand. Die hell verputzten Wände sind fleckig-grau, der alte Ziegelboden ist uneben und zur Mitte hin, vor dem Altar, wo sechs große barocke Grabplatten von Stiftsdamen aus dem nahen Kloster Amt Dambeck liegen, eingesunken. Ob sich darunter eine Gruft befindet, ist eine der Fragen, die bei einer Restaurierung beantwortet werden könnten.

Weil er in einer Kunstgut-Ausstellung zu sehen war, kehrte der barocke Taufengel restauriert in die Kirche zurück.
Dambeck, Dorfkirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Weil er in einer Kunstgut-Ausstellung zu sehen war, kehrte der barocke Taufengel restauriert in die Kirche zurück.

Bänke und ein Chorgestühl für die Kirchenältesten aus verschiedenen Zeiten füllen den Raum. Die Westempore trägt einen schlichten Orgelprospekt aus dem 19. Jahrhundert, das Instrument wurde schon vor Jahren ausgelagert. Am Triumphbogen zur Chorapsis steht eine barocke Kanzel, deren gemalte Propheten verwaschen wirken, und an der Südwand nehmen, ebenso mitgenommen, ein Wappenstammbaum für die 1652 gestorbene letzte Stiftsdame Dorothea von Bodenteich und ein hölzernes Epitaph für die gefallenen Dambecker Soldaten Raum ein. Die Chorfenster beleuchten den romanischen Altartisch, den ein um 1500 geschnitztes zweiflügeliges Retabel schmückt. Durchbrochenes Rankenwerk von zierlichen Säulen gestützt, rahmt farbig gefasste Heiligenfiguren. Zum Glück wenigstens notgesichert, hebt der goldfarbene Hintergrund des Retabels nicht nur die Farbigkeit der Figuren hervor, sondern taucht den gesamten Chorbereich in ein warmes, freundliches Licht. 


Vor dem Altar hängt, mit Gitterfolie abgedeckt, ein barocker Taufengel. „Er ist restauriert, und wir schützen ihn vor dem Schmutz, der ständig durch die Ritzen der Deckenbalken rieselt“, erklärt Helmut Zeh. Tatsächlich stammen auch die flache Holzdecke wie der hölzerne Dachstuhl aus der Bauzeit. „Leider können wir Ihnen auf dem Dachboden nicht die beeindruckende barocke Hebemechanik für den Taufengel zeigen“, bedauert der Bausachverständige Wellkisch. „Die Holzplanken sind zum Teil gefährlich morsch.“ Vor allem am westlichen Turmbereich muss der angegriffene Dachstuhl des Kirchenschiffs zügig restauriert werden. Ein Holzgutachter soll den genauen Schadensumfang feststellen, denn dort ließ seit 1972 ein immer wieder notdürftig repariertes Loch in der Dacheindeckung zu viel Nässe eindringen.

Sie sind unermüdlich für die Kirche im Einsatz (v. l. n. r.): Roswitha Heiser übernahm 2013 das langjährige Amt der Gemeindekirchenältesten von Elisabeth Müller, Pfarrer Andreas Henke, Bauingenieur Carsten Sußmann, Helmut Zeh – „die gute Seele“ von Dambecks Gotteshaus – und Kirchenbausachverständiger Rainer Wellkisch.
Dambeck, Dorfkirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Sie sind unermüdlich für die Kirche im Einsatz (v. l. n. r.): Roswitha Heiser übernahm 2013 das langjährige Amt der Gemeindekirchenältesten von Elisabeth Müller, Pfarrer Andreas Henke, Bauingenieur Carsten Sußmann, Helmut Zeh – „die gute Seele“ von Dambecks Gotteshaus – und Kirchenbausachverständiger Rainer Wellkisch.

Wie geschädigt die Querbalken über der Orgelempore sind, erkennt selbst der Laie. Und bei genauerem Hinsehen fallen auch die zahllosen Spuren der Holzwürmer auf: Auf dem Boden unter der Empore, unter den Kirchenbänken und auf ihrer Ablage für die Gebetbücher, überall sind die verräterischen Holzmehlhäufchen auszumachen. „Das harte Eichenholz ist widerstandsfähig, aber das weiche Nadelholz der Ausstattung ist ein Festessen für den Schädling“, erklärt Bauingenieur Sußmann. Wenn der Dachstuhl wiederhergestellt ist, steht der nächste große Rettungsakt an: die gesamte Kirche einhüllen, Fenster abdichten und den Kirchenraum begasen.


„Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten so viele Anläufe unternommen, die Kirche wieder herzurichten, doch letztendlich trauten wir uns nicht“, sagt die Vorsitzende der Kirchengemeinde Roswitha Heiser. Stets war die Sorge zu groß, unersetzbare romanische Substanz zu zerstören. Schon ein schlichter Anstrich war nicht möglich, weil Denkmalpfleger Reste mittelalterlicher Wandmalereien entdeckten, und keiner weiß, was sich noch alles unter dem Putz befindet. So geschah lange nichts, zumal während der DDR-Zeit von staatlicher Seite niemand außer der Denkmalpflege unterstützendes Interesse zeigte.

Filigrane Kunstwerke: Die Totenkronen sollen im Kirchenschiff wieder einen würdigen Platz erhalten.
Dambeck, Dorfkirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Filigrane Kunstwerke: Die Totenkronen sollen im Kirchenschiff wieder einen würdigen Platz erhalten.

Dabei wissen die Dambecker genau, wie sie ihre Kirche in Zukunft einladend gestalten wollen. Sie möchten Gottesdienste, Taufen und Hochzeiten feiern, ohne dass vorher stundenlang im Altarraum gesaugt und vom Gestühl der herabgerieselte Schmutz weggewischt werden muss. Sie möchten Veranstaltungen und Konzerte mit einer hoffentlich restaurierten Orgel organisieren, um den Ort mehr zu beleben. Und Besucher sollen nicht nur die romanische Architektur, sondern auch die Schätze der Ausstattung bewundern können. Wie etwa die 32 aus der Zeit zwischen 1789 und 1895 erhaltenen Totenkronen. Diese außergewöhnliche Sammlung erinnert an das im 19. Jahrhundert aufgegebene Trauerritual, „jungfräulich entschlafene“ Mädchen und Jungen mit einer Totenkrone zur himmlischen Hochzeit mit Chris¬tus zu geleiten. 


Die Kirche von Dambeck ist ein unerforschtes Juwel, für das die Kirchengemeinde noch viel Mühe und Geld aufbringen will. Und sie ist dankbar für jede Unterstützung, um das zu große und so wertvolle Denkmal in dem kleinen Dambeck bewahren zu können.


Christiane Rossner

Spendenaufruf

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte die Restaurierung der romanischen Kirche in Dambeck unterstützen. 


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Info

Bitte die Dorfkirche nicht verwechseln mit der spätromanischen Klosterkirche im 2 km weiter entfernt liegenden Amt Dambeck.

 

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