Historismus Denkmale in Gefahr August 2016
Die Grabkapelle von Eduard Rudolph Jahn (1816-90) im mecklenburgischen Klein Vielen bei Neustrelitz soll nach der Restaurierung touristischer Anziehungspunkt werden.
Es sollte eine Inszenierung von stiller Würde sein.
Winterlinden und Kastanien säumen den Weg auf den Hügel, der bald nach dem
Passieren der ringförmig angelegten Feldsteinmauer steil ansteigt. Ganz oben
thront die neugotische Kapelle: ein achteckiger Bau, reich geschmückt mit
Fialen, Maßwerk und Zierbändern. Auf diese Weise wollte der Bauherr die waldige
Anhöhe, der er kurz zuvor sein „Teuerstes“ – die geliebte Gattin – hatte
anvertrauen müssen, als Begräbnisstätte aufwerten und bewahren.
Eduard Rudolph Jahn (1816–90), bürgerlicher Eigentümer des
Gutes im mecklenburgischen Klein Vielen, scheute für seinen ganz persönlichen
Gedenkort keine Kosten und Mühen. Er verpflichtete einen renommierten
Architekten, der ihm ab 1851 auf dem Klingenberg eine entsprechend
qualitätvolle Grabkapelle errichtete.
Tragische Ironie der Geschichte: Der Memorialbau fiel dem Vergessen anheim. Längst ist der Hügel zugewachsen, die Kapelle zwischen den hohen Bäumen kaum auszumachen. Wer aus der Distanz noch an romantische Ruinenarchitektur denken mag, wird beim Betreten des zweigeschossigen Ziegelsteingebäudes jäh mit der Wirklichkeit konfrontiert: Auf dem Boden liegen die bemoosten Überbleibsel der Fialtürmchen, man stolpert über Steinhaufen und versprengte Verzierungen.
Tragische Ironie der Geschichte: Der Memorialbau fiel dem
Vergessen anheim. Längst ist der Hügel zugewachsen, die Kapelle zwischen den
hohen Bäumen kaum auszumachen. Wer aus der Distanz noch an romantische
Ruinenarchitektur denken mag, wird beim Betreten des zweigeschossigen
Ziegelsteingebäudes jäh mit der Wirklichkeit konfrontiert: Auf dem Boden liegen
die bemoosten Überbleibsel der Fialtürmchen, man stolpert über Steinhaufen und
versprengte Verzierungen.
Im Untergeschoss fehlen in sämtlichen Fenstern die Maßwerke. In dem eingezogenen oberen Oktogon sind sie vorhanden, aber geschädigt. Der Eingangsbereich – ein schnödes Eisengitter ersetzt die verlorene Tür – lässt die aufwendige Gestaltung noch erkennen. Sowohl die Fenster wie auch das Portalgewände sind mit gelben Formsteinen akzentuiert. Viele sind herausgebrochen. Die einst weithin sichtbare hölzerne Laterne hat sich geneigt, das Notdach aus Blechplatten bietet keinen hinreichenden Schutz mehr.
Der Architekt bediente sich der Urform der Grabeskirche und
entwarf die Jahn-Kapelle als Zentralbau. Über das Totengedenken hinaus mag es
noch einen weiteren Grund für einen eigenen repräsentativen Begräbnisplatz
gegeben haben. Schon seit längerer Zeit bestanden Streitigkeiten zwischen der
fortschrittlich gesinnten bürgerlichen Familie Jahn und dem äußerst
konservativen Julius Freiherr von Maltzan, Besitzer des benachbarten Gutes
Peckatel und Patron der Kirche.
Die anspruchsvolle Ausführung der Kapelle spricht jedenfalls für sich. Auch wenn die Autorenschaft nicht eindeutig zu belegen ist, weisen sowohl die Stilelemente als auch Zitate auf Friedrich Wilhelm Buttel (1796–1869) hin. Buttel hatte in Berlin studiert und unter der Leitung von Karl Friedrich Schinkel als Regierungs-Bau-Conducteur gearbeitet. Ab 1821 wirkte er im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz als Landesbaumeister und war darüber hinaus im Auftrag diverser Rittergutsbesitzer tätig. Zu seinen Hauptwerken zählt die Schlosskirche in Neustrelitz, deren neugotische Fassade durch zahlreiche schlanke Türmchen akzentuiert ist. Buttel begeisterte sich zeitlebens für Backsteinbauten und die Fabrikation von Ziegeln. Sie galten ihm sowohl in ästhetischer als auch konstruktiver Hinsicht als das Material der Wahl für eine neugotische „vaterländische“ Kunst. Er lieferte zahlreiche Entwürfe für Formsteine sowie Terrakotten und perfektionierte ihre Verwendung.
So ambitioniert das Bauvorhaben auch war – offenbar wurde die Jahn-Kapelle nie als Grablege genutzt und geweiht. Über die Gründe schweigen die Quellen ebenso wie über den Zeitpunkt der Vollendung. Eduard Jahn, der zwar ein zweites Mal heiratete und weitere Kinder zeugte, fand unter den Söhnen wohl keinen Erbherren für Klein Vielen. 1880 verkaufte er das Gut. Das Grundstück mit dem Zugang zur Kapelle blieb weiterhin in Jahns Besitz.
Wer genau sich nach dessen Ableben im Jahr 1890 darum kümmerte, ist nicht überliefert. Eine Weile soll sich alles noch in einem guten Zustand befunden haben, in den 1930er-Jahren kam es zu Vandalismus. Nach 1945, das Gutshaus war abgebrannt, ging das verbliebene Areal an die Gemeinde über. An der Dorfstraße siedelten sich Neubauern an, im vorderen Teil des Parks wurde ein Hühnerstall gebaut. Die Kapelle verschwand hinter dichtem Grün und aus dem Gedächtnis. Für die Geschichte der ländlichen Güter interessierte sich kaum noch jemand. Vereinzelte kritische Stimmen überhörte man geflissentlich und gab das Gebäude dem Verfall preis.
Erst nach der Wende rückte der Wert der Kapelle, inzwischen
zur Ruine verkommen, wieder ins Bewusstsein. Nicht nur ihre Architektur,
sondern vor allem die Lage inmitten der Felder, macht sie so besonders für die
Mecklenburgische Kulturlandschaft. Seit einigen Jahren rauscht es gehörig im
Wäldchen auf dem Klingenberg. 2015 wurde der Förderverein Jahn-Kapelle Klein
Vielen gegründet, der sich für die denkmalpflegerische Instandsetzung und
Pflege des Ensembles einsetzt.
Zunächst steht die Restaurierung des Gebäudes an: Die Pfeiler müssen dringend überarbeitet, die Gewölbe gesichert und Teile des Mauerwerks neu verfugt werden. Unzählige Zierelemente sind zu ergänzen. Man will die Arbeiten zügig vorantreiben, schon allein, weil die komplizierte Einrüstung einen hohen Kostenfaktor darstellt. Auch die parkartige Anlage soll später wieder zu erleben sein.
Die Zeiten unrühmlicher Zurückhaltung der Gemeinde sind glücklicherweise vorbei: In vielen Wochenendaktionen haben Freiwillige aus dem 300-Seelen-Dorf die abgängigen Bauteile ins Innere der Kapelle geschafft und kleinere Erhaltungsmaßnahmen gestemmt. Aus den sieben Gründungsmitgliedern des Vereins sind mittlerweile 30 geworden – darunter bezeichnenderweise auch Auswärtige, die die Gegend als Touristen kennen- und schätzen gelernt haben.
Die Umgebung ist das große Kapital. An ihr orientieren sich auch die Konzepte zur dauerhaften Nutzung. Die Kapelle soll an das stark frequentierte Radwandernetz angeschlossen werden: als Stützpunkt, der im Sommerhalbjahr mit einer Dauerausstellung zur Geschichte dieser und anderer Gutsanlagen aufwartet und zudem mit Lesungen oder Konzerten bespielt werden kann. Darüber hinaus möchte man eine Parkroute erschließen, die den Schlosspark Hohenzieritz, den Gutspark Peckatel, den Schlosspark Dambeck und den Park Pieverstorf mit Klein Vielen verbindet.
Die Mecklenburgische Seenplatte mit dem Nationalpark Müritz und dem nahen Residenzstädtchen Neustrelitz ziehen ein Publikum an, das sich für Natur und Kultur begeistert. Die Landschaft mit den kleinen und großen Seen, den sanft geschwungenen Hügeln und dem weiten Horizont ist ein Paradies für Radler und Wasserwanderer. In enger Abstimmung mit Denkmalpflege und Naturschutz soll der Kapellenberg als „Belvedere“ fungieren und somit auch das touristische Potenzial von Klein Vielen stärken.
Die Gemeinde ist guter Hoffnung, einen Anteil der Kosten über LEADER, das EU-Förderprogramm zur Regionalentwicklung, bestreiten zu können. Da dies erhebliche Eigenmittel voraussetzt, ist sie auf Unterstützung angewiesen. Bitte helfen Sie mit, die Jahn-Kapelle wieder zu dem Schmuckstück zu machen, als das sie gedacht war.
Aus der Perspektive der Radler lässt sich das beschauliche Dorf sogar international anbinden: Der Radweg Berlin-Kopenhagen führt in unmittelbarer Nähe vorbei. Wer auf dieser Strecke unterwegs ist, setzt meist auf Entschleunigung und ist empfänglich für die Schönheiten am Wegesrand – wenn sie von überregionaler Bedeutung sind, allemal. Die kleinen Dinge mit Anspruch und Weitblick angehen, das hat Eduard Jahn mit seinem Kapellenbau aufs Beste vorgemacht.
Bettina Vaupel
Für Hinweise zur Geschichte der Jahn-Kapelle danken wir Prof. Dr. Hermann Behrens.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte die Sanierung der Jahn-Kapelle in Klein Vielen unterstützen. Wenn Sie mit Ihrer Spende dabei helfen wollen, bitten wir um eine Zuwendung auf folgendes Spendenkonto.
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Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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