Öffentliche Bauten Historismus Interieur Handwerk August 2016
Man hätte sie in Bayreuth vermutet. Doch die größte Sammlung historischer Bühnenbilder in Deutschland lagert in Ravensburg.
Sie besteht aus 343 Theaterkulissen, davon 135 auf Leinwand gemalte und auf Holzstangen aufgerollte großformatige Prospekte – zirka zehn Meter breit und fünf Meter hoch – sowie 208 Stellwände in verschiedenen Formaten und Techniken. Fast alle entstanden zwischen 1902 und 1910.
Warum dieser Schatz im schwäbischen Ravensburg gefunden wurde, ist eine spannende Geschichte. Die Voraussetzung dafür schufen die Brüder Julius (1841–1919) und Georg Spohn (1843–86). Die erfolgreichen Fabrikanten stifteten 1881 der Stadt ein neues Theater, nachdem das alte geschlossen werden musste. Bei der Realisierung half Julius Spohn tatkräftig mit. 1895 reiste er höchstpersönlich nach Wien und besuchte dort die damals international bekannten Theaterarchitekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer. Der Architekt und der Bauzeichner planten gemeinsam fast 50 Schauspielhäuser, darunter in Wien, Budapest, Prag, Brünn, Graz und Zagreb. Spohn gelang es, die beiden zu überreden, auch in Ravensburg einen Theaterbau wie in den europäischen Metropolen zu errichten.
Das Projekt entwickelte sich gut, der Wiener Architekt kam 1896 nach Ravensburg, um seine Pläne persönlich vorzustellen. Auch zu den vorgesehenen „Stilformen“ machte Fellner Angaben. Dabei schöpfte er – ganz zeitgemäß – aus dem Repertoire der historischen Stile. Der Saal sollte neubarock ausgestaltet werden, weil dies „mit wenigen Mitteln die schönsten Erfolge erzielen lasse“. Das Äußere, und dies bezog sich auf die Hauptfront des Konzerthauses, werde hingegen „im Stile der französischen Renaissance“ errichtet. Mit dem prächtigen Konzerthaus, das 574 Plätze hat, war das Fundament für die weitere Entwicklung gelegt. Ravensburgs Bedeutung nahm beständig zu. Das Mäzenatentum der Brüder Spohn war dabei die erste glückliche Fügung.
Die zweite bestand darin, dass der württembergische König Wilhelm II., der seine Sommerresidenz in Friedrichshafen am Bodensee unterhielt, sehr gerne mit seiner Gattin Charlotte ins nahegelegene Ravensburg kam. Als im Januar 1902 das Gebäude des Königlich-Württembergischen Hof-Theaters am Stuttgarter Schlossplatz vollkommen ausbrannte, waren die Schauspieler über Nacht beschäftigungslos.
So lag es nahe, den Mitarbeiterstab, dem der König noch in der Nacht der Brandkatastrophe versprochen hatte, dass niemand seine Arbeit verlieren würde, nach Ravensburg zu entsenden. Dort gab es kein eigenes Ensemble, stattdessen aber ein modernes Konzerthaus. Nur knapp sechs Wochen nach dem verheerenden Feuer führte das Stuttgarter Hoftheater die Oper „Mignon“ in Ravensburg auf. Das Konzerthaus blieb bis 1910 Ersatzbühne. Wenig erfreulich für die Stuttgarter, aber von großem Wert für Ravensburg, wo mindestens 42 Stücke gegeben wurden, darunter Rossinis „Wilhelm Tell“, Beethovens „Fidelio“, Humperdincks „Hänsel und Gretel“, Schillers „Wallenstein“ und Shakespeares „Kaufmann von Venedig“; daneben damals gerne gespielte, heute nahezu vergessene Stücke wie die Oper „Margarete“ und das Lustspiel „Der Herr Senator“.
Im Laufe des Sommers 1902 hatte man im Reithaus des Stuttgarter Marstalls zwei provisorische Malersäle eingerichtet. Dort schufen die Hoftheatermaler unter der Leitung des Hofrats Wilhelm Plappert (1856–1925) die Kulissen, die heute noch – als eine einmalige Sammlung – im Ravensburger Kulissenhaus hinter dem Theater erhalten sind. Auf den Rückseiten der Dekorationen finden sich Klebezettel, die den Schienentransport von Stuttgart nach Ravensburg belegen. Auch aus dem Stuttgarter Fundus sind Kulissen überliefert. Sie wurden erkennbar nachträglich für die Ravensburger Bühne verkleinert. Sie alle haben einen einheitlichen Duktus. Es handelt sich um eine ganz erstaunlich dreidimensional wirkende, luzide Illusionsmalerei, die, wenn die Kulissen hinterleuchtet wurden, gleichermaßen als Tag- wie als Nachtbilder dienten.
Hängekulissen waren schon damals ein Auslaufmodell und
keine Option für eine Bühnendekoration der Zukunft. Sie kamen nur noch wenige
Jahre bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum Einsatz und wurden kaum
abgenutzt – ein weiterer Grund dafür, dass sie in einem so guten Zustand sind.
Genau wie die Architektur der späten Kaiserzeit ein jähes Ende fand, wechselten auch beim Theater die Paradigmen. Andere Auffassungen von Inszenierungen begannen sich durchzusetzen, während die von Wilhelm Plappert noch in der Tradition des Bühnenbildes im 19. Jahrhundert standen. Im Unterschied zur späteren Raumbühne mit sogenannten Praktikabeln – bespielbaren dreidimensionalen Objekten – bedienen sie sich des barocken Prinzips der Kulissenbühne mit bemalten seitlichen Stellwänden beziehungsweise hintereinander angeordneten Bögen. Ein Prospekt schloss die Bühne nach hinten ab, herabhängende Elemente, sogenannte Sofitten nach oben. Auch beim Malstil wollte man gemäß der Vorstellungen im 19. Jahrhundert den Vorgaben der Dichter oder Komponisten möglichst nahekommen, naturalistisch und werkgetreu. Vorbild für Plappert waren die Brüder Max und Gotthold Brückner, die seinerzeit das Festspielhaus in Bayreuth und das Meininger Theater, zwei der führenden deutschen Spielstätten jener Jahre, mit Dekorationen belieferten. Diese Bühnenbilder zeigten entweder Veduten, die so detailverliebt wie vermeintlich historisch korrekt dargestellt waren, oder Interieurs, die in ihrer Opulenz auffällig an Werke der zeitgenössischen Salonmalerei erinnern.
Dekorationen wurden damals über Jahrzehnte verwendet.
Hängekulissen mit mittelalterlichen Stadtbildern oder Venedig-Ansichten passten
zu verschiedenen Stücken. Sie wurden in der Regel immer wieder entrollt, bis
sie zerschlissen waren. Bei nicht wiederverwendbaren Motiven wuschen die
Bühnenbildner die Leinwände nach dem Absetzen eines Stückes ab und übermalten
sie, um Material zu sparen. Daher sind die Ravensburger Kulissen echte
Raritäten und sehr empfindlich, die Farben nicht wasserfest. Gelagert wurden
sie in Ravensburg in dem ehemaligen Umspannwerk hinter dem Theater, das für
diesen Zweck extra aufgestockt wurde.
Dort blieben sie für eine lange Zeit liegen – unbeachtet,
aber immerhin gut geschützt durch ein ausgeklügeltes Stapelsystem. Die nächste
glückliche Fügung: Das Kulissenhaus musste instand gesetzt werden. Dabei
sichtete man 2011 erstmals wieder die großen Hängekulissen. Von ihrer Existenz
wussten die Ravensburger zwar noch, aber vom Wert ahnten sie nichts. Die Restauratoren
Bunz aus Owingen sahen hingegen mit Kennerblick, um welche Kostbarkeiten es
sich handelte. Die Werkstatt startete mit einer Bestandsaufnahme und einer
kompletten Fotodokumentation, reinigte die Kulissen und verpackte die Leinwände
in dampfdurchlässige sogenannte Tyvek-Folie. Sie ist resistent gegen
Mikroorganismen, schwer entflammbar und wirkt glättend. Außerdem führten sie
Voruntersuchungen durch, um Schäden behandeln und konservieren zu können.
In
einer zweiten umfangreichen Maßnahme werden die Kulissen jetzt Schritt für
Schritt repariert und gereinigt. Auch Muster-Restaurierungen der Stellkulissen
„Venedig“ sind vorgesehen. Währenddessen überlegen sich der Kulturamtsleiter
Dr. Franz Schwarzbauer und sein Team, den Ravensburgern und Besuchern der Stadt
die Bühnenbilder zumindest gelegentlich zu präsentieren.Die Originale dürfen
aus Gründen der Konservierung und des Brandschutzes nicht mehr für Aufführungen
im Konzerthaus verwendet werden.
Allerdings kommen die digitalisierten Werke der Restauratoren
Bunz als Bühnen-Projektionen wie bei der Händel-Oper „Giulio Cesare“ im März
2013 zum Einsatz. Schwarzbauer schweben darüber hinaus Ausstellungen mit
Stellkulissen eines bestimmten Themas vor.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz weiß, dass für eine
Kleinstadt eine solche Sammlung nicht nur Freude, sondern auch eine Bürde
bedeutet und hilft seit 2011 dabei, dass die Hängekulissen als wichtiger Teil
des Gesamtkunstwerks Konzerthaus bestehen bleiben. Die dank der GlücksSpirale
mögliche Unterstützung ist eine weitere glückliche Fügung – und vielleicht
nicht die letzte.
Christiane Schillig
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