Schlösser und Burgen Menschen für Denkmale Juni 2016
Ein neuer Wind weht durch die alten Gemäuer von Schloss Senden. Was hier gemeinsam von Jugendbauhüttlern und anderen Ehrenamtlichen bewegt wird, ist beeindruckend.
Es wimmelt in Schloss Senden geradezu von jungen Leuten, die hier fleißig arbeiten oder geschäftig hin und her laufen. Etwa 20 Freiwillige gehen an mehreren Stellen zu Werke. Sie kommen von der Jugendbauhütte NRW-Westfalen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und sind eine ganze Woche lang im Einsatz. Ein Glücksfall für das südwestlich von Münster gelegene Wasserschloss mit den vielen Baustilen, dessen älteste Teile von der Familie Droste zu Senden im 15. Jahrhundert errichtet wurden. Das Schloss blieb bis 1957 im Besitz der Adelsfamilie und ging dann in andere Hände über. Nach unterschiedlichen Nutzungen versank es vor 15 Jahren in den Dornröschenschlaf. Dieser war allerdings unruhig. Die Dächer wurden undicht, durch Vandalismus wurden alle Fenster zerstört. Anträge von engagierten Bürgern an die Kommune, zumindest für eine Sicherung des Denkmals zu sorgen, schlugen fehl. Sie waren der Anlass für den heutigen Vorsitzenden des gemeinnützigen Fördervereins Schloss Senden e. V., Dr. Franz Waldmann, sich direkt an die in Hamburg lebenden Erben zu wenden. Das gemeinsame Gespräch endete mit einer Übergabe der maroden Immobilie an den Verein, den 2015 sieben Bürger gründeten. Noch im Herbst desselben Jahres feierten diese mit einer überwältigenden Zahl von Einwohnern der Region das „Schlosserwachen“. Man hat den Eindruck, dass sich das Schloss die Augen reibt angesichts des jähen Weckrufs: Es ist unglaublich, wie viele Menschen engagiert sind und was für ein Tempo sie vorlegen. Der Förderverein, die Jugendbauhütte NRW-Westfalen, die Fachhochschule und das Ortskuratorium Münster setzen sich jeder auf seine Weise und dabei alle gemeinsam für die Instandsetzung des Schlosses ein.
Die ehrenamtlichen
Mitglieder des gemeinnützigen Vereins haben eine Vision: Das Schloss soll
kulturell und sozial zu einem zentralen Ort werden, den es in Senden bisher
noch nicht gibt. Hierzu initiieren sie schon jetzt eine ganze Reihe von
Aktionen. Im letzten Herbst kamen viele Menschen in den Schlosspark, um mehrere
Tausend Krokuszwiebeln zu pflanzen. Ein erstes Konzert fand bereits statt,
weitere sind noch für dieses Jahr geplant. Für den Schlosspark bauen die
Freiwilligen der Jugendbauhütte einen Rahmen für ein Bienenhotel, der von
Schülern mit Nisthilfen gefüllt werden wird. Inter-essierten Bürgern werden
Führungen durch das Schloss angeboten. Für die künftige regelmäßige Nutzung des
Bauwerks soll im ersten Stock der Remise einmal eine Forschungsbibliothek
einziehen, darunter ist ein Veranstaltungsraum geplant.
„Ein Schloss muss
für alle da sein“, sagt die Geschäftsführerin des Vereins, Dr. Martina Fleßner.
Sie spricht damit den anwesenden Unterstützern aus der Seele. Alle tragen auf
ihre Weise zu diesem Ziel bei, die aus den Augen leuchtende Begeisterung ist
ansteckend. Sie strahlt weit in die Region. Durch das engagierte Werben für
Schloss Senden konnten in der kurzen Zeit eine Reihe Sponsoren gewonnen werden.
Außerdem sammelte der Verein in der Bevölkerung Spenden. Die Deutsche Stiftung
Denkmalschutz hilft 2016 bei der Sanierung mit einer bedeutenden Summe.
Dass letztere viel mehr für den Denkmalschutz unternimmt, als Fördermittel zu vergeben, zeigt sich jetzt besonders deutlich. „Sehen Sie sich an, wie motiviert die jungen Leute bei der Sache sind“, freut sich der Leiter der Jugendbauhütte Bernhard Anzalone über seine Schützlinge. Die jungen Leute, die über die Jugendbauhütten ein Freiwilliges Soziales Jahr für den Denkmalschutz absolvieren, erweitern in den Seminarwochen wie dieser ihren Horizont und lernen sich kennen. Zugrunde liegt ein pädagogisches Konzept mit gruppenbildenden Prozessen. Tageweise bekommt jeder eine leitende Funktion oder eine Aufgabe im Team aufgetragen. Sie arbeiten Hand in Hand. Ihnen bei der Arbeit zuzusehen, macht Freude und löst ehrliche Bewunderung aus.
Eben noch voller
Efeu, ist die Mauer nur kurze Zeit später davon befreit. Im Burghof türmen sich
riesige Trümmerberge: einfache Holzböden, Wandverkleidungen, Styroporplatten
und Gipswände, die am Vortag entfernt wurden. Der körperliche Einsatz hat auch
eine detektivische Komponente. Unter den Holzfußböden in der Remise fanden die
Freiwilligen beispielsweise Jugendstilfliesen, hinter Wänden eröffnen sich
Fenster oder Schießscharten, die niemand vermutete. Ein Kamin kam nach der
Entfernung einer später eingezogenen Wand zutage. Zwei von insgesamt
sechs Seminarwochen der Jugendbauhütte im Jahr werden ab jetzt dem Einsatz auf
Schloss Senden gewidmet.
Die für das Schloss
zuständige Architektin Andrea Huesmann erläutert den Freiwilligen, was sie
freigelegt haben. Die Dozentin kennt das Schloss schon seit mehreren Jahren,
weil sie hier mit ihren Studenten und Studentinnen des Studiengangs „Bauen im
Bestand“, einer Kooperation der Fachhochschule Münster mit der Handwerkskammer
Münster, das Aufmaß erstellte. Die Unregelmäßigkeiten des Gebäudekomplexes
machen besonders deutlich, warum man es vor den Planungen vermessen muss.
„Zuerst standen alle herum und wussten gar nicht, was sie hier sollten“,
erzählt Andrea Huesmann. „Nach den ersten Messungen kam dann der Aha-Effekt.“
Und fügt hinzu: „Das Schloss steckt voller Geheimnisse, dem Zauber kann sich
keiner entziehen.“ Inzwischen erhält sie immer wieder Anfragen von den
Studierenden, darüber ihre Bachelor- oder Masterarbeiten anfertigen zu dürfen.
Durch Andrea Huesmanns Engagement wurde der Dekan des Fachbereichs Bauingenieurwesen der Fachhochschule Münster auf das Schloss aufmerksam. Mittlerweile bestehen auch Kontakte zur Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Im Studiengang Holztechnik soll eine Bachelorarbeit über die Remise von Schloss Senden angefertigt werden.
Auch durch den ehrenamtlichen Einsatz des Ortskuratoriums Münster der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wird vernehmlich die Werbetrommel gerührt. Hier setzt sich die Leiterin, Sigrid Karliczek, sehr für das Bauwerk ein. Mit ihr wird sich eine Gruppe 70 interessierter Münsteraner zu einer exklusiven Führung durch Schloss Senden aufmachen. Sie kam schon mehrfach mit Gästen aus der Stadt, um ihnen das Schloss nahe zu legen. Anlässlich ihres Geburtstags sammelte sie außerdem Spenden für das Denkmal, die gerade in der Anfangsphase bitter nötig sind. Sie helfen nicht nur, sie motivieren auch.
„Ich stelle mir
vor, dass in 10 bis 15 Jahren die Freiwilligen mit ihren Familien hier
vorbeikommen, um im Hof einen Kaffee zu trinken und zu sagen: Seht Ihr, hier
habe ich mitgearbeitet!“, sagt der Leiter der Jugendbauhütte Bernhard Anzalone.
Sie werden dann vielleicht auf eine Reihe Ausflügler aus Münster treffen, die
über das Ortskuratorium das Schloss von Anfang an unterstützten. Sicher werden
sich auch ehemalige Studierende hier einfinden oder einstige Schüler, die im
Park nachsehen wollen, ob ihr Bienenhotel noch steht. Vielleicht auch Förderer,
die über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mithalfen, Schloss Senden zu
sanieren. Und natürlich die Bürger, die spendeten, Blumenzwiebeln eingruben
oder regelmäßig hier Kulturveranstaltungen besuchen. Eine tolle Vision. Das
Erreichen dieses Ziels ist dem Schloss Senden mit seinen engagierten
Beteiligten wirklich zu wünschen.
Stefanie Kellner
Einsatzorte der Jugendbauhütte NRW-Westfalen:
○ Restauratorenwerkstätten für Bilder, Skulpturen, Möbel, Glasmalerei oder Textilien
○ Inventarisierung und Restaurierung von Archivalien in Archiven des Landes Nordrhein-Westfalen
○ Museen, sowohl in Forschungs-bereichen und Restaurierung von Exponaten als auch Ausstellungen, Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik
○ Archäologische Einrichtungen (Ausgrabungen, Inventarisierung, Restaurierungstechniken),
○ Architekturbüros und Altbau-sanierung und
○ zukünftig auch Schloss Senden (Planung, Architekturbüro, Handwerk, Öffentlichkeitsarbeit)
Die bundesweit 13
Jugendbauhütten sind ein Projekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in
Trägerschaft der Internationalen Jugend-gemeinschaftsdienste (ijgd). In einem
Zeitraum von einem Jahr haben Jugendliche die Möglichkeit, sich für den
Denkmalschutz einzusetzen und sich dabei beruflich zu orientieren.
Mehr Infos zu den Jugendbauhütten:
http://www.denkmalschutz.de/denkmale-erleben/jugendbauhuetten.html
Kontakt
Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Referat Jugendbauhütten, Silke Strauch, Tel. 0228 9091-160,
Informationen zum Ortskuratorium Münster:
http://muenster.denkmalschutz.de
Informationen zu Schloss Senden:
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In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
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