Öffentliche Bauten Kurioses Dezember 2007 Z
Wilde Tiere auszustellen, ist ein Grundbedürfnis jeder Zivilisation. Über ihre Behausung machten sich früher Herrscher, heute Zoodirektoren und Architekten Gedanken. Angesichts der Elefanten, Tiger und Giraffen tritt die Architektur in den Hintergrund. Für Denkmalpfleger ist Zooarchitektur ein heikles Thema: Säulengeschmückte Paläste entsprechen einer angemessenen Tierhaltung nicht: Sie müssen umgebaut oder umgenutzt werden.
Das Bad ist erfrischend. Der Elefant
wuchtet sich aus der Schlammpfütze und schüttelt seinen massigen Körper.
Tausende Wassertropfen spritzen, und die Kinder quietschen. „Schau mal, Papa,
der Elefant hat es gut. Und abends darf er dann in dem Palast schlafen!“
Alle Besucher
rund herum richten ihren Blick auf das orientalisierende Elefantenhaus im
Hintergrund. Eine Kulisse für den dickhäutigen Hauptdarsteller wie aus Tausendundeiner
Nacht, die bis dahin niemand beachtet hatte. Gemischte Gefühle angesichts des
prächtigen „Käfigs“ am Rande des Geheges im Münchner Tierpark Hellabrunn.
Aber die Begeisterung siegt. Das wilde Tier fasziniert. Es eröffnet ein unbekanntes Universum an Lebensformen, erschüttert oder festigt Gewissheiten. Ungezähmte Tiere auszustellen ist ein Grundbedürfnis jeder Zivilisation, reicht wie so vieles zurück bis in die Antike. Jedes Jahr strömen mehr Besucher in deutsche Zoos als in Museen, Theater oder Sportstadien.
Wie sich die
Elefanten mit ihrer dicken Haut und dem feinen Gespür im Emanuel-von-Seidl-Bau
fühlen, kann niemand sagen. Bei Streifzügen durch zoologische Gärten fallen
denjenigen, die neben einem Auge für die Tiere auch noch eines für die Baukunst
übrig haben, vor allem historische Elefantenhäuser auf: neben dem 1914
errichteten in München auch ein maurisches aus dem Jahr 1863 in Köln und eines
von 1927 in Wuppertal. Die berühmte „indische Pagode“ des Berliner Zoologischen
Gartens wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Aber das rekonstruierte
leuchtend-bunte Eingangstor – ein beliebtes Fotomotiv der Berlin-Touristen –
ist wie das Jugendstiltor in Hamburgs Tierpark Hagenbeck gleichfalls mit
Elefanten geschmückt.
Davon
ausgehend, dass das Oberhaupt immer die schönste Behausung für sich in Anspruch
nimmt, sieht es ganz danach aus, als sei der König der Tiere im Zoo der
Elefant. Und auch eine aufsehenerregende Zooarchitektur der jüngeren Zeit, der
Elefantenpark im Zoologischen Garten von Köln, bestätigt dies: Für rund 15
Millionen Euro wurde bis 2004 auf zwei Hektar eine Anlage für eine asiatische
Elefantenherde errichtet, die neue Erkenntnisse der Tierhaltung berücksichtigt,
mit importiertem Sand aus der Sahara und einer automatischen Fütterung per
Zeitschaltuhr. Die Dickhäuter scheinen sich dort wohlzufühlen. Die Zoodirektion
konnte schon einige Elefanten-Geburten verkünden.
Verständlicherweise ist die Architektur im Zoo ein nahezu unentdecktes Kapitel der Baukunst. Wer lässt sich nicht eher von Menschenaffen, Krokodilen und Raubtieren faszinieren? Darüber verlieren selbst Kulturliebhaber die Steine und Stile aus dem Blick. Für Denkmalpfleger ist die zum Teil unter Schutz gestellte Baukunst der zoologischen Gärten ein heikles Thema: Sie wissen, dass sich mit dem Wandel der Beziehung des Menschen zum Tier die Gebäude ebenfalls ändern müssen. Keiner der säulengeschmückten Paläste aus dem 19. Jahrhundert würde heute den Anforderungen einer tiergerechten Haltung entsprechen. Ständige Umbauten und Umnutzungen, wie unter Aufsicht der Denkmal-Behörde behutsam beim Elefantenhaus in München geschehen, sind also unabwendbar.
Noch ehe die
zoologischen Gärten entstanden, bestückten Herrscher und Aristokraten ihre
Ländereien mit exotischen Geschöpfen aus fremden Erdteilen. Die Besucher dieser
exklusiven Menagerien beobachteten, wie der Mensch die Natur, seinen erklärten
Feind, beherrschte. Bereits im Mittelalter gab es höfische Menagerien, die wohl
bedeutendste im Tower von London. Sie nahm 1235 – unter anderem mit einem
Elefanten! – unter Heinrich III. von England ihren Anfang. Im 16. Jahrhundert
begann der italienische Adel exotische Tiere in den Gärten seiner Residenzen am
Rande der Städte zu halten, so der Kardinal Scipione Caffarelli-Borghese in
seiner Villa bei Rom.
Die Zurschaustellung
der Tiere war vielfältig. Sie begleiteten Paraden, man bestaunte ihr Aussehen
als Kuriosität oder hetzte, sowohl aus wissenschaftlicher Neugier als auch aus
Sensationslust, unterschiedliche Rassen in oft blutrünstig endenden Kämpfen
aufeinander.
Als im 17. und 18. Jahrhundert immer mehr Tierarten als großzügige Herrscher-Präsente, Jagdtrophäen oder Eroberungserfolge nach Europa gelangten, ging der Reiz des Neuen und die Lust am Experimentieren allmählich verloren. Je nach Größe brachte man Vögel in Volieren, in umzäunten Gehegen mit Wasserbecken oder in den Gemächern ihrer Besitzer unter: Wie Gartenskulpturen und Blumenboskette gehörten die Tiere nun zur gängigen Dekoration, dienten der Belehrung und dem „Divertissement“ am Hofe.
Ein Vorbild für alle folgenden Menagerien sollte um 1665 der Architekt Le Vau im Schlosspark von Versailles kreieren. Um einen oktogonalen Jagdpavillon und seinen gleichfalls achteckigen Hof gruppierte er fächerförmig sieben Tiergehege. Sie lagen nicht mehr überall planlos verstreut, sondern gebündelt an einem Ort. Es ging darum, von einem ganz bestimmten Blickwinkel aus dem Schauspiel einer inszenierten Natur – der Tierhaltung als Spektakel – beizuwohnen. Dies war die Geburtsstunde der Idee vom Zoo.
Der
radialkonzentrische Grundriss erinnerte an das sternförmig angelegte Wegenetz,
das manche königlichen Forste oder Jagdreservate durchzog und wohl von Vitruv
inspiriert war. In erster Linie hielt der Sonnenkönig hier seltene Tiere, vor
allem exotische Vögel, aber auch Füchse, Kamele und einen Elefanten, später,
nach einer Erweiterung, Löwen, Tiger, Panther und Leoparden. Im Park der neuen
habsburgischen Sommerresidenz Schönbrunn entstand nach diesen Vorgaben 1752
eine Menagerie, die bis heute existiert und deren barockes Ensemble sich zu
einem wissenschaftlich orientierten Zoo entwickelte. Aufgrund seiner örtlichen
Kontinuität gilt der Tiergarten Schönbrunn, dessen Menageriegebäude der
modernen Zootierhaltung angepasst wurden, als der älteste Zoo der Welt. 1778
wurde die Menagerie zusammen mit Schloss und Park für „anständig gekleidete
Personen“ geöffnet, vorerst jedoch nur an Sonntagen.
Höfische Menagerien folgten aber nicht unbedingt nur der französischen Gestaltung. Später präsentierten sie sich auch als Landschaftsgärten. König Friedrich Wilhelm II. hatte 1793 die Havelinsel „Kaninchenwerder“ erworben, auf der er ein Lustschloss erbauen ließ. Den Pfauen, die dort seit 1795 gezüchtet wurden, verdankt sie den eleganteren Namen „Pfaueninsel“. Der Hofgärtner Peter Joseph Lenné gestaltete das Gelände im englischen Stil. Bald entstand eine Menagerie. Staatspräsente wie Hirsche, Büffel und zunehmend auch exotische Tiere sollten hier untergebracht werden. Nach dem Muster des Pariser Jardin des Plantes wurden auf der Pfaueninsel Gehege errichtet: Volieren, Hirschbuchten, ein Büffelstall und die Bärengrube mit einem Kletterbaum. Die für Besucher freigegebene Insel, auf der heute kaum noch Spuren der Menagerie zu entdecken sind, wurde bald zum beliebten Ausflugsziel der Berliner und Potsdamer.
Unter den gewandelten politischen Vorzeichen, als die aristokratische Jagd, brutale Tierkämpfe und die teure Tierfütterung am Hofe von immer mehr Menschen verurteilt wurden, kamen im 19. Jahrhundert Bürger mit zunächst pädagogisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten zoologischen Gärten zum Zuge. Aber die volkserzieherische Wirkung war nicht erwünscht: Sinkende Besucherzahlen in Zoos mit einheimischen Tieren zeigten rasch, dass auch das bürgerliche Publikum und die „einfachen Leute“ das Außergewöhnliche suchten, eben die wilden und reißenden Exoten. Die Direktoren beschafften also „attraktive“ Tiere, das hieß vor allem Affen und Elefanten. Das Konzept ging überall auf.
In Deutschland waren die ersten Zoologischen Gärten 1844 in Berlin, 1858 in Frankfurt und 1860 in Köln gegründet worden. 1869, als Dr. Heinrich Bodinus in Berlin sein Amt als dritter Zoodirektor antrat, begann dort nach schwierigen Anfängen eine erfolgreiche, den Zoo noch heute prägende Epoche, die mit der Entwässerung des feuchten Geländes und einer Beseitigung von Strauch- und Stangenhölzern einsetzte. Bis 1870 wurden diese Arbeiten am Gelände durchgeführt. Wichtige Tiere kamen über die Firma des Hamburger Tierhändlers Carl Hagenbeck: Giraffen, Kaffernbüffel, Erdferkel und ein Spitzmaulnashorn, etwas später auch ein Panzernashorn.
Neben einem Restaurant wurde als erstes großes Gebäude die Errichtung eines Antilopenhauses für 60.000 Taler beschlossen. Dafür hatte man das Aktienkapital des Zoos aufstocken und zusätzlich eine hohe Anleihe aufnehmen müssen. Mit diesem Bauwerk der Architekten Ende & Böckmann eröffnete Bodinus den Reigen seiner Stilbauten, von denen einige noch heute erhalten sind.
Im Dezember
1870 berichtete die „Vossische Zeitung“: „Noch in diesem Winter soll das prachtvolle
Antilopenhaus unseres Zoologischen Gartens vollendet und seiner Bestimmung
übergeben werden, welches den Berlinern ohne alles Geräusch einen prachtvollen,
noch dazu mit vierfüßigen Tieren und Scharen bunter Vögel bevölkerten
Wintergarten verschafft. Ein Palmenhaus mit allem Zauber exotischer Pflanzen
gefüllt, Spazierwege, Springbrunnen, Grotten und alles überwölbt von einem
stolzen Kuppelbau aus Eisen und Glas.“ Die Einweihung fand am 28. Mai 1872,
nachmittags um 16 Uhr durch Kaiser Wilhelm I. statt.
Der Zoo stand im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Die Berliner waren begeistert von dem im maurischen Stil erbauten Haus und seinen vergoldeten Minaretten, das ihnen nicht wie ein Stall, sondern wie ein Palast vorkam. Einen weiteren Glanztag erlebte der Zoo 1872 mit der sogenannten Drei-Kaiser-Zusammenkunft in ebendiesem Antilopenhaus. Kaiser Wilhelm I., Zar Alexander II. von Russland und Kaiser Franz Joseph von Österreich-Ungarn trafen sich dort zu „einem kühlen Glas Bier und einem einfachen Frühstück“.
1873 zogen
die Elefanten in den zweiten, 330.000 Mark teuren und 500 Menschen fassenden
Stilbau des Berliner Zoos um, die farbenfroh gehaltene „indische Pagode“. Sie
wies allerdings schwere technische Mängel auf. Die Gitter waren so schwach,
dass ein gefährlicher Elefantenbulle ausbrechen und einen Wärter verletzen
konnte.
Überall – nicht nur in der Allgegenwart seltener und wilder Tiere – schlug sich damals die Begeisterung für Exotik nieder. Sie war auch beherrschendes Thema der zeitgenössischen Literatur und Kunst, besonders in Frankreich, wo um 1845 der Begriff „exotisme“ für das Phänomen einer heftigen Leidenschaft zu außereuropäischen Welten geprägt wurde. „Ganze Tage habe ich damit verbracht, vor meinem Kamin sitzend Tiger zu jagen“, schrieb Gustave Flaubert in einem Brief von 1846. Tiermaler und -bildhauer wie Antoine-Louis Barye und seine wahnwitzigen Kampfszenen wie „Löwe, der eine Schlange zermalmt“ entfalteten einen ungezügelten Realismus. Seine Motive fand Barye in den Menagerien der Jahrmärkte und im Jardin des Plantes.
Um 1850
erreichte der „exotisme“ die Architektur. Einerseits hegten zwar die Baumeister
selbst eine Vorliebe für Monumentales und Prächtiges, aber auch die Politik der
zoologischen Aktiengesellschaften, die mit spektakulären Anlagen das Publikum
zu gewinnen suchten, sorgte dafür, dass sich dieser Stil durchsetzte. So plante
man wahlweise ägyptische, indische oder maurische Tempel mit ornamentalen
Fresken und Basreliefs für Elefanten, Giraffen und Kamele. Es gab auch
Kamelhäuser in den Formen eines Nomadenzeltes, indianische Holzhäuser für
Bisons und japanische Unterkünfte für Stelzvögel. Die akademisch-strenge
Vorstellung, die Bauweise der Ställe den Herkunftsländern der Tiere anzupassen,
gab man gern und schnell für den schönen Schein und das abwechslungsreiche
Gesamtbild auf.
Allerdings
dauerte diese unbekümmerte Phase nicht lange. 1907 eröffnete Carl Hagenbeck in
Hamburg-Stellingen den ersten gitterlosen Tierpark der Welt. Käfige und monumentale
Bauten wurden durch seine revolutionären Freianlagen mit Gräben statt Mauern
auf einen Schlag obsolet. Sein Park, auf den der umtriebige Tierhändler ein
Patent anmeldete, fand in sämtlichen zoologischen Gärten der Welt Nachahmer.
Besuchen wir die
im ausgehenden 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts gestalteten Architekturen
wie das naturnah konzipierte Flusspferdhaus in Berlin (1997), die weltweit
größte Menschenaffenanlage in Leipzig (2002) und die dortige Tropenhalle (2011)
sowie den Elefantenpark von Köln (2004) ist der veränderte Blick auf die Tiere
offensichtlich: Aus einem Tiergarten des 19. Jahrhunderts mit seiner pittoresk
eingestreuten, gefälligen Kulissenarchitektur, die man vor allem für den
Menschen gestaltete, wurde das technisch hochentwickelte Schaufenster einer
Natur, mit der der Betrachter ganz unmittelbar in Berührung zu stehen scheint.
Christiane Schillig
Literatur
Baratay, Eric und Hardouin-Fugier, Elisabeth. Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2000, 9,50 Euro, 251 S., ISBN 978-3-8031-3604-6.
Hagenbeck, Carl. Von Tieren und Menschen. Paul List Verlag, München 1955.
Klös, Heinz Georg, Frädrich Hans, Klös Ursula. Die Arche Noah an der Spree. 150 Jahre Zoologischer Garten Berlin. Eine tiergärtnerische Kulturgeschichte von 1844-1994. FAB Verlag, Berlin 1994, 503 S., ISBN 978-3-927551-29-9.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
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