Denkmale in Gefahr August 2015

Der Gartenpavillon auf Gut Rixförde ist in Gefahr

Bröckelnde Behaglichkeit

Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende, das Dach des Pavillons in Rixförde zu restaurieren. Auch kleine Beträge sind willkommen!

Voller Sorge blickt Sabine Bosch zur ovalen Kuppel des Gartenpavillons. „Wenn wir nicht dieses Jahr noch mit der Sanierung des Dachs beginnen, wird es den Winter nicht überstehen.“

 

Kaum zu glauben, dass illustre Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft vor rund 100 Jahren hier in privater Runde zusammenkamen: Der Dachstuhl des 1911 erbauten Gebäudes ist einsturzgefährdet. Dort, wo Ziegel aus Schiefer die Wölbung überspannten, gibt es heute nur noch eine Bitumenabdichtung. Weil das Material bröckelt und sich Moos bereits großflächig darauf ausgebreitet hat, ist die hölzerne Konstruktion der Witterung und eindringender Feuchtigkeit schutzlos ausgeliefert. Dem Gesims setzte die Nässe bereits so stark zu, dass es in großen Teilen abgefallen ist und klaffende Löcher hinterlassen hat.

Das verschlissene Sofa gehört zur originalen Ausstattung des Pavillons. Mit der Kurbel an der dahinterliegenden Wand konnten die Jalousie und das Fenster bewegt werden.
Rixförde, Pavillon © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das verschlissene Sofa gehört zur originalen Ausstattung des Pavillons. Mit der Kurbel an der dahinterliegenden Wand konnten die Jalousie und das Fenster bewegt werden.

2014 haben Sabine Bosch und ihre Familie den Gartenpavillon mit dem dazugehörigen Gutshaus in Hambühren-Rixförde erworben. Nicht bewohnt, fristete das Anwesen seit Jahren ein tristes Dasein. Mit den Boschs ist endlich wieder Leben eingekehrt. Das Gutshaus haben sie in den vergangenen Monaten restauriert und dabei ein enormes Tempo vorgelegt: Schon in diesem Sommer konnten sie ihr neues Heim beziehen. Das war nur möglich, weil alle Familienmitglieder hinter dem Projekt stehen und jeder einzelne mitanpackt.

 

Das niedersächsische Rixförde ist ein geschichtsträchtiger Ort. Zur Hochwildjagd ließ der Hamburger Reeder Friedrich Leopold Loesener 1883 ein Schweizerhaus errichten, das den Kern des heutigen Gutshauses bildet. Nach dessen Tod 1903 suchte ein Ölspekulant hier sein Glück, verkaufte aber nach erfolglosen Probebohrungen den Besitz schon ein Jahr später an Oskar Barckhausen. Dieser ließ nicht nur die umliegenden Moor- und Heideflächen kultivieren und landwirtschaftlich nutzen, sondern drückte dem Anwesen mit dem Bau des Gartenpavillons einen ganz besonderen Stempel auf.

Die Saalecker Werkstätten bei Bad Kösen waren für die Bauausführung zuständig.
Rixförde, Pavillon © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Saalecker Werkstätten bei Bad Kösen waren für die Bauausführung zuständig.

Als Kommandant des 2. Rheinischen Husaren-Regiments Nr. 9 pflegte Barckhausen eine enge Beziehung zum preußischen Königshaus und sogar eine private Freundschaft zu Kronprinz Wilhelm von Preußen. Eine Verbindung, die den Major in Kontakt mit dem einflussreichen Architekten Paul Schultze-Naumburg (1869–1949) brachte, der die Entwürfe für den Pavillon in Rixförde lieferte.

 

Der Mitbegründer des Deutschen Werkbundes war vor allem bei Bauherren aus Großbürgertum und Adel gefragt. Sein bekanntestes Werk ist Schloss Cecilienhof in Potsdam, das Kaiser Wilhelm II. für seinen Sohn Wilhelm und dessen Frau Cecilie errichten ließ. Schultze-Naumburgs Spezialität waren herrschaftliche Landhäuser im Heimatschutzstil. Eine Formensprache, die Elemente des Historismus weiterentwickelte und mit regionaltypischen Bauformen und Materialien verband. In seiner kunsttheoretischen und beim gehobenen Bürgertum beliebten Schriftenreihe „Kulturarbeiten“ propagierte Schultze-Naumburg klare, einfache Baukörper, die sich sanft in die umgebende Landschaft einfügen.

Das „B“ und die Jahreszahl 1911 im Sandsteingewände des Eingangsportals weisen auf den Bauherren Barckhausen und das Baujahr hin.
Rixförde, Pavillon © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das „B“ und die Jahreszahl 1911 im Sandsteingewände des Eingangsportals weisen auf den Bauherren Barckhausen und das Baujahr hin.

Der Rixförder Pavillon ist ein Musterbeispiel dieses Architekturideals: Auf einer leichten Anhöhe erhebt sich der eingeschossige Bau über ovalem Grundriss auf einem Sockel aus Ziegelmauerwerk. Das Gebäude liegt inmitten eines inzwischen verwilderten Parks mit einem Teich und alten Eichen, der zur Bauzeit in die Heidelandschaft überging. Neben seiner ungewöhnlichen Form und den ausgewogenen Proportionen besticht das Gebäude durch klassische Architekturelemente, wie das durchlaufende Gesims und die beiden ionischen Säulen am Fenster zur Gartenseite. Sie verleihen ihm einen schlichten, aber würdevollen Charakter. Im Inneren befinden sich drei Räume: Zunächst betritt man den Gartensaal mit dem breiten Fenster, das – eine besondere technische Finesse – in die Wand geschoben werden kann. Seitlich schließen sich ein Schlafkabinett und eine Bibliothek an.

 

Bei seinen Gartenarchitekturen legte Schultze-Naumburg Wert darauf, dass die Räume nur ein Fenster besitzen, damit sich der Blick in die Ferne konzentrieren kann und der Ort durch die einzige Lichtquelle „wie geschaffen zum Träumen und (…) für behaglichen ­Lebensgenuß“ ist.

 

Ausgeführt wurde der Pavillon durch die 1904 von Paul Schultze-Naumburg und dem Schriftsteller Fritz Koegel gegründeten Saalecker Werkstätten bei Bad Kösen. Bis 1930 wurden hier Möbel, Wohnungseinrichtungen, Häuser und Gartenanlagen geplant und produziert.

Inmitten eines idyllischen Parks mit altem Baumbestand gelegen, bietet der Pavillon  einen traurigen Anblick. 
Rixförde, Pavillon © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Inmitten eines idyllischen Parks mit altem Baumbestand gelegen, bietet der Pavillon einen traurigen Anblick.

Aus heutiger Sicht ist das Schaffen Schultze-Naumburgs zwiespältig zu werten. Als Architekt hinterließ er bemerkenswerte Bauten. Außerdem prägte er den Heimatschutzgedanken, der erstmals auf die Erhaltung von historischen Ensembles und Kulturlandschaften sowie auf den zeitgenössischen Städtebau wirkte und daher als Wegbereiter der modernen Denkmalpflege gelten kann. Auf der anderen Seite gehört Schultze-Naumburg zu jenen Vertretern der Reformbewegung, die sich ab den 1920er-Jahren politisch radikalisierten. Er wurde zu einem erklärten Gegner des „Neuen Bauens“ und schloss sich den Nationalsozialisten an. Schultze-Naumburgs Schriften bereiteten der nationalsozialistischen Kulturpolitik den Boden. Schließlich hatte er auch aktiven Anteil daran, als er zum Beispiel die Schließung des Dessauer Bauhauses mitinitiierte. Der Rixförder Pavillon entstand vor dieser Phase und gehört zum kaiserzeitlichen Vermächtnis des Architekten.

 

Dem Auftraggeber Oskar Barckhausen waren nur wenige Jahre auf Rixförde vergönnt. 1918 fiel er im Ersten Weltkrieg. Nach seinem Tod erwarb Willy Tischbein den Besitz. Der ehemalige Profi-Radrennfahrer war zu diesem Zeitpunkt bereits Direktor der Continental-­Caoutchouc- und Guttapercha-Compagnie in Hannover. Er baute das Gut zum landwirtschaftlichen Großbetrieb aus, der bis in das späte 20. Jahrhundert den gesamten Raum Celle mit Lebensmitteln versorgte. Das Anwesen wandelte sich zum Wirtschaftshof mit Stallungen, und das Gutshaus bekam einen neuklassizistischen Anbau. Die umliegenden Wiesen und Wälder waren weiterhin Schauplatz vornehmer Gesellschaftsjagden. Wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, unter ihnen Wilhelm Prinz von Preußen und Paul von Hindenburg, kamen zu Besuch und trafen sich im Gartenpavillon. Nach der Jagd sendeten sie begeisterte Dankschreiben an ihren Gastgeber Tischbein.

Im Inneren ist der Putz bereits großflächig abgebröckelt.
Rixförde, Pavillon © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Im Inneren ist der Putz bereits großflächig abgebröckelt.

Bis in die 1950er-Jahre blieb das Gut ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, der nach Tischbeins Tod von seiner Frau weitergeführt wurde. Die Nachfahren des Unternehmers sind noch immer im Besitz großer Ländereien.

 

Sabine Bosch erinnert sich gut an den Tag, an dem sie das Gutshaus mit dem Pavillon zum ersten Mal sah. Sie kam mit ihrem Mann über die Landstraße zum ehemaligen Haupteingang des Anwesens. Als sich das Ensemble vor ihren Augen eröffnete, wussten beide: Das ist es! Zwölf Jahre lang hatte die aus Hannover stammende Familie nach einem Ort gesucht, an dem sie wohnen und mit ihren zwei Kindern dem gemeinsamen Hobby, dem Pferdesport, nachgehen können. In den Pavillon haben sie sich sofort verliebt. Damals stapelten sich ausrangierte Möbel in dem als Abstellkammer umfunktionierten Kleinod. Im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker genutzt – ­zwischen Keller- und Hauptgeschoss befindet sich eine Betondecke –, verlor es seinen Glanz. Seither blieb es ver­waist und wurde nicht mehr instand gehalten. Das gesamte Gebäude ist in einem schlechten Zustand. Außen und innen sind Estrichsand und Kalkputz ausgewaschen und geben den Blick auf das Mauerwerk frei.


Der traurige Anblick rührte Sabine Bosch so sehr, dass sie am liebsten den Pavillon zuerst restauriert hätte. Doch zunächst einmal musste das Wohnhaus bezugsfertig gemacht werden. „So wie wir beim Gutshaus um jede Fliese und um jede Fuge gerungen haben, wollen wir auch beim Pavillon so viel originale Substanz erhalten, wie es nur geht“, sagt sie. Die Sanierung zweier Denkmale ist ein großer finanzieller Kraftakt, der nicht einfach zu stemmen ist. Die letzten Arbeiten am Wohnhaus müssen daher erst einmal ruhen, damit noch dieses Jahr mit der Instandsetzung des Pavillondachs begonnen werden kann.

Mit viel positiver Energie geht Sabine Bosch die Instandsetzung des Gartenpavillons an. Fachmännisch betreut wird sie dabei von Klemens Lopau.
Rixförde, Pavillon © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Mit viel positiver Energie geht Sabine Bosch die Instandsetzung des Gartenpavillons an. Fachmännisch betreut wird sie dabei von Klemens Lopau.

Und dann? Sabine Bosch sprudelt nur so vor Ideen. Den Pavillon will sie der Öffentlichkeit zugänglich machen und für kulturelle Veranstaltungen nutzen. Einige Vereine aus der Umgebung möchten dort Lesungen oder Konzerte anbieten. Außerdem ist für nächsten Sommer ein Gartenfest angedacht.

 

Momentan sind das aber noch Träume. Erst einmal müssen die Boschs ihr kleines Juwel vor dem Einsturz bewahren. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte sie dabei unterstützen, weil die Familie ein wichtiges Zeugnis der Architekturgeschichte erhält und einen verlassenen Ort wieder mit Leben füllt. ­Helfen Sie mit!

         

Julia Ricker

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Info

Gut Rixförde liegt ca. 16 km westlich von Celle. Der Pavillon befindet sich auf einem Privatgrundstück. Weil sein Dach einsturzgefährdet ist, kann er noch nicht besichtigt werden.

 

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1 Kommentare

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    Iris K. Chapman schrieb am 16.03.2017 13:23 Uhr

    Was für ein tolles Gebäude dieser Pavillon ist! Auch ich habe mich sofort auf den ersten Blick verliebt, in das schlichte, jedoch edle und anmutige Design, nicht zuletzt wegen seiner ovalen Form!
    Den Atem geraubt hat mir allerdings der Blick in das Gesellschaftszimmer, mit seinem zurückhaltend integriertem offenen Kamin und dieser wundervollen Fensterfront, die sich filigran über die gesamte Wandfläche erstreckt. Was für ein lichtdurchfluteter, gemütlicher Raum...ich konnte mir vorstellen welche Ausstrahlung dieser erst mit einem flackerndem Feuer im Kamin, zierlichem Mobiliar im Stil des noch erhaltenen Sofas, indirekter Beleuchtung durch stilvolle Tisch-und Stehleuchten und cremefarben getünchten Wänden haben würde! Als Highlight würde ein riesiger Kristall-Lüster, stilecht der Architektur und Bauepoche des 18. Jahrhundert entsprechend, den edlen Charakter von diesem wirklich außergewöhnlichen Gebäude unterstreichen.
    Ich würde SOFORT dort einziehen- es wäre traumhaft in diesem Pavillion zu wohnen & leben!

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