Denkmale in Gefahr

Die Patent-Papierfabrik in Hohenofen braucht eine Zukunft

Zerhackt, zermahlen und gekocht

Mit einem fröhlichen Fest feiern die Menschen in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 am Brandenburger Tor in Berlin die Wiedervereinigung. Eine ganz andere Stimmung herrscht 100 Kilometer weiter nordwestlich: In Hohenofen bei Neustadt an der Dosse haben die Arbeiter der Papierfabrik erfahren, dass es ihre letzte Schicht sein wird.

Lebendige Rasenmäher halten das Gras im Hof der Papierfabrik niedrig. Auf dem Gelände befinden sich neben den museal genutzten Hallen eine Autowerkstatt, eine Imkerei, eine Mosterei und Lagerräume. 
© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Lebendige Rasenmäher halten das Gras im Hof der Papierfabrik niedrig. Auf dem Gelände befinden sich neben den museal genutzten Hallen eine Autowerkstatt, eine Imkerei, eine Mosterei und Lagerräume.

Am Morgen des 3. Oktober stellen sie die Maschinen ab, löschen das Licht und gehen bedrückt nach Hause. Auf einen Schlag werden 140 Beschäftigte arbeitslos, haben ihren Lebensmittelpunkt verloren und sehen einer ungewissen Zukunft entgegen. "Damals ist hier alles zusammengebrochen, nicht nur die Fabrik", erinnert sich Dirck Schymiczek, der gerade seine Ausbildung beendet hatte.


Im 19. Jahrhundert durchlebten die Bewohner der Region schon einmal eine ganz ähnliche Situation. 1663 hatte Friedrich II. von Hessen-Homburg dort einen "Hohen Ofen" bauen und Raseneisenstein verhütten lassen. Nachdem die Vorkommen erschöpft waren, wurde Silbererz aus dem Mansfelder Land geschmolzen. Dieser Betrieb musste 1833 wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt werden. Damals wussten die Menschen ebenso wenig, wie es weitergehen sollte. Viele verließen die Region; manche kehrten zurück, als fünf Jahre später auf dem Gelände des ehemaligen Hüttenwerks die Papierfabrik ihre Produktion aufnahm.

Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
In der ehemaligen Patent-Papierfabrik Hohenofen sind viele schöne Details wie diese gusseiserne Treppe erhalten.
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 wurde die letzte Schicht in der ehemaligen Patent-Papierfabrik Hohenofen gefahren.
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Viele Dachbereiche der ehemaligen Patent-Papierfabrik Hohenofen müssen noch saniert werden.
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Im "Musterbuch der Deutschen Papier-Erzeugung" sind auch Papiere aus der Patent-Papierfabrik Hohenofen verzeichnet.
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
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Die Deutsche Stifung Denkmalschutz möchte 2015 die Sanierung des Daches auf dem Querschneidegebäude unterstützen.
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Im Kontorgebäude der Patent-Papierfabrik Hohenofen befanden sich Fabrikleitung, Vertrieb und Buchhaltung.
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
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Die Patent-Papierfabrik Hohenofen wurde direkt an einem Nebenarm der Dosse errichtet.
 
 
Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
In der ehemaligen Patent-Papierfabrik Hohenofen sind viele schöne Details wie diese gusseiserne Treppe erhalten.
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In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 wurde die letzte Schicht in der ehemaligen Patent-Papierfabrik Hohenofen gefahren.
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Viele Dachbereiche der ehemaligen Patent-Papierfabrik Hohenofen müssen noch saniert werden.
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Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Im "Musterbuch der Deutschen Papier-Erzeugung" sind auch Papiere aus der Patent-Papierfabrik Hohenofen verzeichnet.
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Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Deutsche Stifung Denkmalschutz möchte 2015 die Sanierung des Daches auf dem Querschneidegebäude unterstützen.
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Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Im Kontorgebäude der Patent-Papierfabrik Hohenofen befanden sich Fabrikleitung, Vertrieb und Buchhaltung.
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Hohenofen, Papierfabrik © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Patent-Papierfabrik Hohenofen wurde direkt an einem Nebenarm der Dosse errichtet.
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In Hohenofen wurde das Papier zwar maschinell, aber nach einem Prinzip hergestellt, das etwa Mitte des 2. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung erfunden worden war. Damals schöpfte man ein Faservlies aus dem Bast des Papiermaulbeerbaums in wässriger Suspension auf ein Sieb aus Seidenfäden und trocknete es auf Steinen. Später geschah dies mittels eines festeren Siebes aus einer Bütte. Als das Verfahren um 580 nach Samarkand kam, wurden dort Fasern aus heimischen Pflanzen gekocht. Da Hanf und Leinen ideal, aber knapp waren, verarbeitete man Alttextilien, wie Kleidung und Taue, die gekocht oder - später in Europa - einem Fäulnisprozess unterzogen und dann durch wasserbetriebene, hölzerne Hammerwerke zerfasert wurden. Das Schöpfen aus der Bütte wurde erst im ausgehenden 18. Jahrhundert durch eine Erfindung des Franzosen Nicolas-Louis Robert abgelöst, die die maschinelle Herstellung von Endlospapier ermöglichte. Der Engländer Bryan Donkin verfeinerte diese Technik des Langsiebens und verkaufte eine seiner ersten Papiermaschinen 1819 nach Deutschland: an die Aktiengesellschaft Patent-Papier-Fabrik zu Berlin in der Mühlenstraße. Lumpen blieben auch bei diesem Verfahren wichtigster Rohstoff.

Holländer nennt man diese Tröge, in denen der Rohstoff zermahlen wurde. 
© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Holländer nennt man diese Tröge, in denen der Rohstoff zermahlen wurde.

Bis zu 70 Frauen bearbeiteten die Textilien, sortierten sie nach Farben, schnitten Knöpfe ab und rissen dicke Säume auf. Danach wurden die Stofffetzen zerhackt, zermahlen und gekocht. Acht Männer standen an der Donkin-Maschine und wachten über die Entstehung des Papiers. Der sogenannte Ganzstoff - Wasser mit einem Fasergehalt von ein bis zwei Prozent - wurde auf das laufende Sieb geschüttet, durch Walzen gepresst, von Hand in Bogen geteilt und zum Trocknen aufgehängt. Das Sieb der Maschine hatte eine Breite von 133 Zentimetern und eine Länge von 8 Metern. Die Herstellung betrug täglich bis zu 500 Kilogramm.

Die Berliner Fabrik nahm einen rasanten Aufschwung, und 1832 gab es erste Überlegungen, eine gleichartige Fabrik in Hohenofen zu errichten. Der Standort des ehemaligen Hüttenwerks kam sicher wegen seiner Lage an einem Nebenarm der Dosse ins Gespräch. Die Kähne, die auf dem Hinweg Lumpen geladen hatten, konnten direkt an das Gelände heranfahren und das fertige Produkt bis zur wenige Kilometer entfernten Mündung in die Havel transportieren. Dort wurde es auf größere Schiffe umgeladen und bis nach Berlin gebracht. Später übernahmen Pferdefuhrwerke den Transport, Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein Gleisanschluss gelegt.

Am 1. Juli 1838 nahm die Papierfabrik ihren Betrieb auf, und die Menschen hatten wieder eine Perspektive. 1852 gab es 92 Beschäftigte. Erneut lieferte Bryan Donkin die Maschine, die zunächst über Wasserräder, ab 1852 über eine Dampfmaschine betrieben wurde. Hohenofen erzeugte Staats- und Behördendokumente, aber auch Schreib- und Zeichenpapiere sowie Tapeten.

Die um 1890 installierte Papiermaschine wurde Ende der 1960er-Jahre für die Produktion von Transparent-Zeichenpapier umgebaut. 
© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die um 1890 installierte Papiermaschine wurde Ende der 1960er-Jahre für die Produktion von Transparent-Zeichenpapier umgebaut.

Wechselnde Besitzer taten der Firma nicht immer gut. Manche erweiterten sie, modernisierten die Abläufe und schafften neue Maschinen an. 1953 wurde die Patent-Papierfabrik volkseigener Betrieb und produzierte zunächst Papiere aller Art: Von Schreibpapier bis zu Kaffeefiltern. 1968, als man sich auf die Herstellung von Transparent-Zeichenpapier für Architekten und Ingenieure spezialisierte, wurde der Antrieb der um 1890 installierten Papiermaschine erneuert, die Siebpartie verlängert und die Pressenpartie erweitert. Bis nach Kuba, aber auch in den Westen exportierte die Fabrik dieses hochwertige Produkt. Als Rohstoff dienten keine Lumpen mehr, sondern Zellstoff aus Schweden und Finnland, der bessere Eigenschaften als der heimische aufwies.

Weil die Feinpapiermaschine zu DDR-Zeiten nicht auf den neuesten Stand gebracht worden war, hatte die Fabrik nach der Wende keine Chance. Der Versuch, in dem Werk eine Zellstoffaufbereitung zu etablieren, scheiterte 1992. Zwei Jahre später schöpften die Hohenofener erneut Hoffnung, als der Kieler Papierausrüster Ernst Felix Rutsch das Areal von der Treuhand pachtete. Doch er musste sein Vorhaben, dort Papiere zweiter Wahl aufzubereiten und ein Museum einzurichten, schließlich aufgeben.

Das meiste ist noch an seinem Platz, sogar eine Spindel mit Transparent-Zeichenpapier. 
© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das meiste ist noch an seinem Platz, sogar eine Spindel mit Transparent-Zeichenpapier.

2003 wurde dieses wichtige Zeugnis der Industriegeschichte unter Denkmalschutz gestellt. Im selben Jahr gründete sich der Verein Patent-Papierfabrik Hohenofen, dem es nach und nach gelang, das Areal wiederzubeleben: Kleinbetriebe siedelten sich an, Veranstaltungen wurden organisiert und Kunstprojekte durchgeführt. Ziel ist es, dort einen Kultur- und Gewerbestandort mit den Schwerpunkten Papier sowie Erzeugung und Vertrieb von Bioprodukten zu entwickeln.

"Als Zentrum für Papier könnte Hohenofen ein Bildungs- und Arbeitsort für Papierkünstler und andere Fachleute werden, die mit Papier arbeiten", erläutert Vereinsvorsitzende Ute Fürstenberg, selbst Grafikdesignerin und Kunstmanagerin. Doch bevor dies verwirklicht werden kann, müssen die Gebäude gesichert und die Dächer, vor allem diejenigen über dem ehemaligen Dampfmaschinenhaus und dem Papiersaal, erneuert werden. Die Vereinsmitglieder packen mit an, wo immer dies möglich ist.

2013 gaben der Bund und das Land Brandenburg 40.000 Euro, um rund 400 Quadratmeter Dachfläche mit Bitumen zu versehen und einen großen, offenen Giebel zu schließen. Der kleine Verein schaffte es, 10.000 Euro beizusteuern. Mit diesen Arbeiten muss unbedingt fortgefahren werden, damit die Gebäude nicht weiter Schaden nehmen. Daran möchte sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz in diesem Jahr mit 13.000 Euro beteiligen.

Vereinsvorsitzende Ute Fürstenberg möchte auf dem Fabrikgelände ein Zentrum für Papier etablieren. 
© Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Vereinsvorsitzende Ute Fürstenberg möchte auf dem Fabrikgelände ein Zentrum für Papier etablieren.

Die Produktionslinie ist fast vollständig erhalten, sodass man in Hohenofen das Prinzip und den Beginn der industriellen Papierherstellung sehr gut nachvollziehen kann. Sogar die letzte Rolle Transparent-Zeichenpapier hängt noch auf der Spindel.

2010 und 2011 lud der Verein ehemalige Angestellte im Rahmen eines Kunstprojekts ein, die Arbeitsabläufe der Produktion zu erklären. Daraus ist ein Audioguide mit 21 Stationen entstanden. Die ehemaligen Beschäftigten erläutern den Herstellungsprozess, berichten über ihre schwere Arbeit, den Lärm und die hohe Luftfeuchtigkeit.

Man erfährt von den Frauen, die im Papiersaal das fertig zugeschnittene Papier prüften, zählten und für den Versand vorbereiteten, dass sie vor Schichtbeginn ihre Finger mit Pflaster verkleben mussten, damit die scharfen Papierkanten sie nicht verletzen konnten. Sie sprechen aber auch vom guten Zusammenhalt der Belegschaft. Man sei eine große Familie gewesen. Tagsüber habe man zusammen geschuftet, abends zusammen getanzt. Die Firma unterhielt eine eigene Kapelle und eine Kegelbahn.

Das Ende der Papierfabrik bedeutete ebenso das Ende dieser "Familie". Viele fanden keine Arbeit in der strukturschwachen Region. "Heut fahr' ich 600 Kilometer zur Arbeit - nach Holland", berichtet Bernd Bartsch, 20 Jahre lang Heizer und Kranführer.

Bei unserem Besuch waren in den Fabrikhallen Schwarz-Weiß-Porträts des Fotografen Jonas Ludwig Walter von ehemaligen Angestellten zu sehen, wie hier Axel Engelbrecht, der am Umroller gearbeitet hat. 
Bei unserem Besuch waren in den Fabrikhallen Schwarz-Weiß-Porträts des Fotografen Jonas Ludwig Walter von ehemaligen Angestellten zu sehen, wie hier Axel Engelbrecht, der am Umroller gearbeitet hat.
Bei unserem Besuch waren in den Fabrikhallen Schwarz-Weiß-Porträts des Fotografen Jonas Ludwig Walter von ehemaligen Angestellten zu sehen, wie hier Axel Engelbrecht, der am Umroller gearbeitet hat.

Für diese Menschen wäre es eine große Freude, wenn ihre ehemalige Arbeitsstätte wieder eine Zukunft hätte, wenn schon nicht als Ort der Papierproduktion, so doch wenigstens als Denkmal der Industriegeschichte. Damit sie sie noch ihren Enkeln zeigen können, damit Papiermacher von heute einen Einblick bekommen, wie mühsam die Herstellung früher war.

Daher bitten wir Sie, liebe Leserin und lieber Leser, um Ihre Mithilfe für die Erhaltung dieses wertvollen technischen Denkmals in Not.

Carola Nathan

Weitere Infos im WWW:

www.patent-papierfabrik.de

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