Sehen und Erkennen August 2015

Das Geheimnis besonders schmucker Ziegelsteine

Was sind Feierabendziegel?

Historische Ziegel einzuordnen ist eine Wissenschaft für sich. Denn ihre Formen und Formate sind vielgestaltig. Manche tragen besonderen Schmuck und Zeichen - die sogenannten Feierabendziegel.

Feierabendziegel ist ein Sammelbegriff für Ziegel, die mit Inschriften, Zeichnungen und Symbolen versehen sind. Die Tradition der Verzierung ist so alt wie das Handwerk selbst. In Deutschland gilt als bislang ältestes erhaltenes Beispiel ein Dachziegel aus dem Jahr 1453, der in Bad Herrenalb in Württemberg gefunden wurde.

Barocker Ziegel, um 1720. Hier wurde ein Handstrich festgehalten. Nach Abnahme der Form wurde der Ziegel mit der Hand geglättet und leicht konkav geformt. Die „Rillen“ geben die Fließrichtung des Wassers vor. Verzierung mit Halbsonnen und Stern, der Handabdruck ist mit einer Manschette versehen. 
Barocker Ziegel um 1720 © Frank Heppert, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Görlitz
Barocker Ziegel, um 1720. Hier wurde ein Handstrich festgehalten. Nach Abnahme der Form wurde der Ziegel mit der Hand geglättet und leicht konkav geformt. Die „Rillen“ geben die Fließrichtung des Wassers vor. Verzierung mit Halbsonnen und Stern, der Handabdruck ist mit einer Manschette versehen.

Die Bezeichnung ist aus der Vorstellung entstanden, dass die hart arbeitenden Ziegler erst nach getaner Arbeit die Zeit fanden, Ziegel künstlerisch zu gestalten. So ritzten sie Dekore von einfachen Tierdarstellungen bis zu kunstvollen Szenen in die noch ungebrannte Tonmasse. Die For-schung fächert die Feierabendziegel heute in unterschiedliche Ziegeltypen auf: Schutzziegel, Inschriftenziegel und Zählziegel, wobei deren Bezeichnungen wiederum landschaftlich variieren. Bei den Schutzziegeln handelt es sich größtenteils um Dachziegel: Das schützende Dach eines Gebäudes sollte durch Symbole noch sicherer werden, so zum Beispiel mit Glücksbringern wie einer Sonne oder mit Unheil abwendenden wie dem Hahn, der vor Bränden bewahren sollte. Auf Inschriftenziegeln wurden Nachrichten gleichsam als Dokumente hinterlassen: Es sind Notizen, Lohnberechnungen und Sprüche zu lesen, wie etwa auf einem Exemplar aus Oberndorf an der Nahe: "wenn lieben eine Sünde währ, so währ sie nicht erschaffen, Friedrich Vollmer, Ziegler den 3. Juli 1833". Mit sogenannten Heischeziegeln forderten die Handwerker den Bauherrn zu Gaben auf, meist bei Richtfesten zu Trinkgeld: "ich mach den Ziegel hübsch und fein schieb auch gern ein Trengeld Ein".

Pfotenabdrücke, wie auf diesem, um 1860 datierten Ziegel, galten als Glücksbringer. Tiefe und Form zeigen, dass die Hundepfote auf die Kante der Holzform gelegt und in die Tonmasse eingedrückt wurde. 
Ziegel um 1860 © Frank Heppert, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Görlitz
Pfotenabdrücke, wie auf diesem, um 1860 datierten Ziegel, galten als Glücksbringer. Tiefe und Form zeigen, dass die Hundepfote auf die Kante der Holzform gelegt und in die Tonmasse eingedrückt wurde.

Bis ins 19. Jahrhundert arbeiteten die Ziegler nur nach Auftrag und im Stücklohn. Damit war die Stückzahl der gestrichenen Ziegel maßgeblich, und entsprechende "Zählziegel" wurden mit Zahlen, Buchstaben, Namenszügen oder Zeichnungen markiert. Die Arbeit der Ziegler war Teil eines festgefügten und saisonbedingten Ablaufs - Rohstoffgewinnung, Tonaufbereitung, Formgebung, Trocknung und Brand - und dauerte in der Regel 33 Wochen, vom 23. März bis 11. November. Im Zuge der Industrialisierung verwendete man bevorzugt Stempel, die weitere Informationen wie Firmenname, Auszeichnungen und Herstellungsjahr festhielten, womit dieses Zeugnis der Volkskunst verschwand.

Christiane Rossner


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