Technische Denkmale Nach 1945 Verkehr August 2015 T
Was für ein Schock, als im Herbst 1973 des Deutschen liebstes Kind stillgelegt wurde. Die insgesamt vier Sonntage, an denen wegen der weltweiten Ölkrise die Autos in den Garagen bleiben mussten, sind vielen noch in lebhafter Erinnerung. Mit dieser Ölpreiskrise standen Autofahrer und Tankstellen plötzlich vor einem Wendepunkt: Das erhebende Gefühl von "freier Fahrt für freie Bürger" war getrübt, die grenzenlose Mobilität erhielt einen nachhaltigen Dämpfer.
Die Kraftstoffpreise blieben hoch, der Autoverkauf brach 1974 ein und das Tankstellennetz wurde löchriger. Selbstbedienung hieß nun endgültig die Devise. Damit ging der Beruf des kundenorientierten Tankwarts mit Rundum-Versorgung verloren und ein Sterben der kleineren Stationen überzog Deutschland.
Die Großtankstelle jedoch wussten die Mineralölkonzerne als Mekka für Autofahrer und Nichtmotorisierte zu etablieren: Wie ein Supermarkt bieten sie mittlerweile beinahe alles für den schnellen Einkauf, und dies auch sonntags. Selbst Ortsunkundige finden sie, da die Stationen in ihrer Bauform und Werbung eindeutig zu erkennen sind. Doch welche Geschichte steckt hinter den Tankstellen, wie kamen sie zu ihrer typisierten und unverwechselbaren Erscheinung?
Als Bertha Benz 1888 mit ihrer rund 100 Kilometer langen, heimlich mit den Söhnen organisierten Fahrt von Mannheim zur Oma nach Pforzheim einen Meilenstein der Automobilgeschichte setzte, nahm sie Benzin von zu Hause gelagerten Vorräten mit. Da sie nicht ausreichten, "plünderte" die Frau des Automobilpioniers Carl Benz auf der Route noch mehrere Apotheken, da diese flaschenweise Ligroin, ein Leichtbenzin, für sanitäre Zwecke verkauften. Bertha Benz hatte der Welt bewiesen, dass dem Patent-Motoren-Wagen ihres Mannes die Zukunft gehörte.
Rasant verlief dann auch die Entwicklung des Automobils. In Amerika, das den wertvollen Treibstoff dank der Erdölvorkommen günstig herstellen konnte, ging sie noch schneller voran. Hierzulande blieben das Geschäft mit dem teuren Kraftstoff zunächst eine Nebeneinnahme und das Autofahren ein Luxus. Der Kraftstoff war, wenn er nicht privat - oft in Holzfässern - gelagert wurde, zunächst eher in Hinterhöfen erhältlich oder wurde am Bordstein von Händlern in Blechkanistern feilgeboten. Später waren die ersten Tankwagen - motorisierte Pritschenwagen - unterwegs. Die beteiligten Unternehmen wussten, was für ein Potenzial dieses Geschäft in sich trug und lieferten sich einen erbarmungslosen Konkurrenzkampf ums Monopol. Versorgungsnetze mit den diversen Kraftstoffgemischen wurden ausgebaut, wobei auch die Behörden ihr Augenmerk auf das gefährliche Lagern und Hantieren mit dem explosiven Stoff richteten.
So wurden Zapfgeräte entwickelt, die ein saubereres Abfüllen erleichterten. Sie gel-ten als Vorläufer der Benzinpumpen, die in den 1920er-Jahren eingeführt wurden. Bald standen für die Tankstationen öffentliche Flächen zur Verfügung, was bereits damals zu manchem Unmut über das "verschandelte" Stadtbild führte. Die Firma Olex ließ ab 1923 die ersten kleineren Bauten, sogenannte Tankkioske, errichten, wo per Handpumpe das Benzin aus einem Unterflurtank hochbefördert wurde. Sie waren ansprechend gestaltet, aber die Mineralölgesellschaften gaben den am Bordstein installierten Zapfsäulen den Vorzug, weil die Automobile sie einfacher anfahren konnten.
Mit zunehmendem Automobilverkehr wurden günstig gelegene Grundstücke für Service-Standorte unerlässlich, und so begannen sich die Mineralölgesellschaften mit der eigenen Tankstellen-Architektur, Firmenmarke und -farbe auf dem Markt zu positionieren. So mancher namhafte Architekt wie Peter Behrens, Hans Poelzig oder der Bauhaus-Absolvent Karl Schneider sahen in Tankstellen eine interessante Herausforderung. Die Bauaufgabe erschloss sich von selbst: Möglichst viele Kraftfahrzeuge sollten über geregelte Ein- und Ausfahrten an mehrere Zapfsäulen heranfahren können. Der Tankwart benötigte einen Lager- und Aufenthaltsraum, der später auch die Kasse sowie Toilettenräume aufnahm. Mit der zunehmenden Zahl der Selbstfahrer stieg auch die Nachfrage bei Wartungen und Reparaturen. Zu der im Freien installierten Hebebühne kam die Werkstatt, zunächst "Auto-Pflegehalle" genannt, hinzu. Neben der Technik spielten Sicherheitsaspekte, vor allem bei den Benzintanks und der Minderung austretender Dämpfe zunehmend eine Rolle. Doch vor allem mussten es die Kunden komfortabel haben. Sie und ihre Karossen sollten vor Regen und Schneefall geschützt sein, während der Tankwart den Kraftstoff auffüllte, Reifendruck und Ölstand prüfte, Scheiben wischte und das Geld entgegennahm. Denn im Gegensatz zum amerikanischen Kunden stiegen die Europäer gerne beim Tanken aus dem Auto.
So baute man zunächst Zapfsäuleninseln mit kleinen Überdachungen, die im Laufe der Zeit zu immer größeren Dachflächen wurden. Und sie waren es auch, mit denen die Architekten spielten, die sie als wichtiges konstruktives wie ästhetisches Element begriffen. Da die Zapfsäulen ungehindert erreicht werden sollten, wurde die Frage der Dachstützen zu einer Herausforderung.
Die ländlichen Tankstellen blieben in ihrer Bauform in der Regel pragmatisch-behäbig: Oft handelte es sich um ein rechteckiges Satteldach, das zu einem Drittel vom Tankwartgebäude und auf der gegenüberliegenden Seite von gemauerten Eckstützen getragen wurde oder um ausladende, abgestützte Vordächer an Häusern.
Dieser modernen Architektursprache traten die Nationalsozialisten entgegen und erließen Bauverordnungen für die Gestaltung der deutschen Tankstelle. Da sie den Ausbau der Autobahnen forcierten, entwickelte die Reichsautobahnendirektion Bautypen, die dem traditionellen Heimatschutzstil verpflichtet waren - mächtige Satteldächer auf rustikalem Mauerwerk waren ein Garant für solides Handwerk und fügten sich ihrer Ansicht nach auch optisch besser in die Landschaften ein, die die Autobahnschneisen durchzogen. Ein herber Rückschlag für diejenigen Planer, die die Tankstelle als Bauaufgabe mit modernen Materialien wie Stahl, Glas und Beton und für avantgardistische Entwürfe entdeckt hatten.
Ihre Stunde schlug ab den 1950er-Jahren: Es entstanden Tankstellen, die noch heute ein Blickfang sind - und mit ihrer Architektur für die einheitliche Konstruktion späterer Tankstellen den Boden bereiteten. Neben den individuellen Baulösungen hatten die Konzerne großes Interesse an Typenentwürfen. Tankstellen sollten praktische Konstruktionen sein, die mit Modulen schnell, variabel und kostengünstig aufgebaut werden können. Was den Anspruch an die Ästhetik betrifft, hat spätestens hier die Ölkrise Spuren hinterlassen. Das Auge ist heute so an das Einheitsbild gewöhnt, dass historische Tankstellen kaum noch wahrgenommen werden. Doch es gibt sie noch. Auch wenn wie bei den Automobilen, die ständig in Technik, Sicherheit, Umweltfreundlichkeit und Komfort weiterentwickelt werden, auch die Tankstellen modernisiert werden, um in strategisch günstiger Verkehrslage Kunden eine dem Automobilstandard und den gesetzlichen Vorschriften angepasste Ausstattung zu bieten. Ein Teil der aufgegebenen und nicht abgerissenen historischen Tankstellen hat neue Nutzer gefunden. Wenn sie nicht als Verkaufsraum für Händler von Gebrauchtwagen oder Reifen genutzt werden, macht ihre kühle Eleganz sie zu reizvollen Räumen für Restaurants, Bars, Bäckereien oder für Haarstylisten, und manchmal wird in ihnen auch gewohnt. Dementsprechend werden sie verändert. Manche Besitzer wissen dabei den authentischen Charme der Gebäude zu bewahren. Unter Denkmalschutz gestellt wurden vergleichsweise wenige, wobei ein paar sogar ein Refugium in Freilichtmuseen wie in Detmold fanden.
Historische Tankstellen sind besondere Denkmale und sehr gefährdet. Ökostrom und regenerative Energiegewinnung erfordern ein Umdenken in Wirtschaft und Gesellschaft. Wer weiß, ob es die klassische Tankstelle in Zukunft noch geben wird. Umso wichtiger ist es, ihre Ahnen als wertvolle Zeugnisse der Verkehrsgeschichte des 20. Jahrhunderts wahrzunehmen und zu bewahren.
Christiane Rossner
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
in der Bildunterschrift zu der wunderbaren Caltex-Tankstelle wird wie an vielen Stellen Walter Hämer als Architekt genannt. Es mag sein, dass er der ausführende Architekt war, der Entwurf stammt aber von Willy H. Weisensee, wie ich z. B. in dem Buch: Hardt-Waltherr Hämer. Architekt HBK, Berlin 2009, S. 28/29, zeigen konnte. Der Architekt hat seine Unterlagen zu diesem Entwurf dem Universitätsarchiv der UdK Berlin zur Verfügung gestellt.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Robert Schütze
Die Architektur der alten Tankstellen ist in der Tat schützenswert. Umso mehr verwundert es, dass nicht erheblich mehr dieser ästhetischen Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden. Auch in Willich, Krefeld und Mönchengladbach weiß ich von je mindestens einem Gebäude, das noch im Dornröschenschlaf schlummert oder bereits unappetitlich zweckentfremdet wurde. Irgendwann werden sie sicherlich abgerissen und durch gesichtslose Mehrfamilienhäuser ersetzt. Ähnlich erging es einer Tankstelle in Düsseldorf-Hamm, die nach jahrzehntelangem Betrieb nicht mehr den Umwelt- und Sicherheitsanforderungen entsprach und kurzerhand abgerissen und entsorgt wurde. Viele Städte und Kreise beweisen immer weniger Gespür für Ästhetik. Die Forderung nach unsinnigen neuen Nutzungskonzepten potentieller Käufer verbauen den Weg zusätzlich. Ebenso ergeht es übrigens auch den altgedienten Kiosken! Da muss man sich nicht wundern, wenn Städte zu auswechselbaren Wohnstätten werden, die sich nur noch über die Anzahl geschmackloser Bürobauten definieren. Mein Wunsch wäre es, weit mehr alter Tankstellen (und Kioske) unter Denkmalschutz zu stellen. Leider geht dieser Wunsch sicherlich im Ruf nach wirtschaftlichen Begehrlichkeiten unter. Schade. Aber an dieser Stelle vielen Dank für den Artikel, und die gedruckte Variante! Diese Ausgabe kommt auf jeden Fall ins Regal.
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Sehr geehrter Herr v. Kruzkajtys,
in Ihrem Kommentar sprechen Sie, davon, dass Hentrich auch in Mönchengladbach im Jahr 1939 eine Tankstelle gebaut hat. Da ich über Heimatschutzarchitektur in Mönchengladbach schreibe, bin ich für jeden Hinweis dankbar.
Beste Grüße
Hans Schürings
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