Februar 2015
Algen und Moos breiten sich an der Kirche in Lausa aus. Als erste Notmaßnahme begann die Trockenlegung noch im Spätherbst des letzten Jahres, um das dramatische Modern aufzuhalten.
Auf dem Altar brüten Vögel. Dem Gekreuzigten fehlt ein Arm, und die heilige Katharina steht ohne ihr Attribut, das Rad, da. So könnte der erste Aufzug für ein Trauerspiel aussehen. Aber die Szene entstammt nicht der Phantasie, sondern der Wirklichkeit: Für Tauben freigegeben und vom Verfall gezeichnet, präsentierte sich die Dorfkirche im sächsischen Lausa vor 15 Jahren. Wenngleich Dach und Fenster mittlerweile repariert wurden, ist der Anblick heute sogar noch trauriger. Feuchtigkeit ist in die Wände gekrochen. Es schimmelt, und Pilze wachsen am Boden. Der Putz löst sich und blättert. Um die Holzsäule im Chor hat sich ein Moosteppich gebildet. Es ist alarmierend, wie schnell die Feuchtigkeit im Raum zunimmt. Das ist nicht nur zu sehen, sondern auch zu riechen.
"Niemand kann sich erklären, warum sich die Schäden in den letzten Jahren derart rasch verschlimmert haben", sagt Kirchenbaureferent Frank Stiehler beunruhigt. Zwar ist die Kirche nicht komplett trocken gewesen, aber mit dem momentanen Bild - außen grün von Algen und die Stre-bepfeiler vollgesogen mit Wasser - hat niemand gerechnet. Bauingenieur Detlev Goldbach vermutet, dass sich die Wege des Wassers geändert haben und daher das Gemäuer wie im Zeitraffer unter Wasser gesetzt wird. Die Lage am Hang und das tiefe Bodenniveau sind zwar nicht ideal, aber andere Gebäude mit ähnlichen Standorten zeigen nicht diese drastischen Schäden. Ob es damit zu tun haben könnte, dass die slawischen Siedler, die den Ort gründeten, sich an einem Bachlauf ansiedelten? "Lusene" hieß schließlich "sumpfiges Dorf". Anstatt also dem Inneren die Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient, muss die Kirche erst einmal saniert werden. Sie droht zurzeit im Sumpf unterzugehen!
Pfarrer Maik Hildebrandt ist sich klar darüber, dass die Gemeinde des 160-Seelen-Ortes Lausa das Gotteshaus aus eigener Kraft nicht retten kann.
Dabei hat er das Glück, auf eine kleine, aber feine Kirchengemeinde zählen zu dürfen. Allen liegt das Geschick der im 15. Jahrhundert entstandenen, während des Dreißigjährigen Kriegs in Mitleidenschaft gezogenen Kirche am Herzen. Sie ist der Mittelpunkt des Dorfes, und niemand möchte auf sie verzichten. Hier werden die Menschen nicht nur auf ihrem Lebensweg über Taufe, Konfirmation, Hochzeit bis hin zur Beerdigung begleitet, sondern es findet ein gemeinschaftliches Leben statt.
Anfang des vergangenen Jahres bekam der Pfarrer, der als Seelsorger und Bauherr insgesamt sieben Gotteshäuser im Kirchspiel Belgern betreut, Hilfe von auswärts. Bärbel Scaruppe aus Torgau hatte im dortigen Geschichtsverein Erfahrungen mit ehrenamtlicher Arbeit gesammelt. Sie initiierte einen Förderverein in Lausa, zu dessen Gründung im Januar 2014 sich 25 Interessenten einfanden - mehr als erwartet. Inzwischen zählt der Förderverein Dorfkirche Lausa e. V. 36 Mitglieder. Seit es den Förderverein gibt, treffen sich die Bewohner von Lausa, Kaisa und Bockwitz in der Kirche, um Konzerte zu genießen, Ausstellungen anzuschauen, ein Schwätzchen zu halten.
Mehrere Kirchenratsmitglieder und der Vorstand des Fördervereins waren zur Stelle, als es darum ging, der Monumente-Redakteurin die Not des Gotteshauses zu zeigen und Ideen zur Beseitigung der Schäden vorzutragen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz möchte die Engagierten dabei unterstützen, das zur Sanierung dringend benötigte Geld aufzubringen, denn Spenden - davon kann man sich mit eigenen Augen überzeugen - werden in gute Hände gegeben.
Eine der ersten Aktionen war die Einladung der Bundestagsabgeordneten Marian Wendt und des Landrats Michael Czupalla. Nach dem Besuch der Kirche sagten die Politiker spontan zu, die Sanierung zu unterstützen. Der Pfarrer stellte Förderanträge. Die Gemeinde kann den nötigen Eigenanteil für die Arbeiten nicht aufbringen. Dabei ist sie auf die Deutsche Stiftung Denkmalschutz angewiesen. Kostenvoranschläge für eine umfassende Restaurierung belaufen sich auf insgesamt 260.000 Euro.
Ehe man sich den Wurmlöchern im wertvollen Kastengestühl und den Emporen des 17. Jahrhunderts sowie dem Kompositaltar mit seinen Altarfiguren widmen kann, muss zunächst nach den Ursachen für die Feuchtigkeit geforscht und die Kirche trockengelegt werden.
Das Bauwerk, das 1473 auf Initiative der Rittergutsherren Hans, Otto und Christoffel von Pflugk entstand, birgt in seinem Inneren Zeugnisse aus fünf Jahrhunderten, darunter einen Taufstein und eine Sakramentsnische, deren spätgotische, blaue Fassung in erstaunlicher Farbenpracht erhalten ist. Auch außen behielt die Kirche ihre markante spätgotische Gestalt, den polygonalen Chor, ihre wuchtigen Strebepfeiler und die Maßwerkfenster. Und dies, obwohl der gesamte Ort 1637 im Dreißigjährigen Krieg verwüstet und die Kirche stark beschädigt wurde. Im Zuge der Neubesiedlung baute der sächsische Kurfürst und Grundherr von Lausa, Johann Georg III., die Kirche wieder auf. In ihrem stimmigen Gesamtbild und dem damit einhergehenden Charme besteht ihr besonderer Wert. Durch ihre Ausstrahlung und Wärme gewinnt das Gotteshaus die Menschen - Gläubige wie Nichtgläubige.
Man verlor keine Zeit, denn dank zahlreicher Spenden konnte schon 2014 die Notsanierung beginnen. Dachrinnen und Fallrohre werden angebracht, die Strebepfeiler erhalten eine schützende Haube. Die Nässespuren, der sogenannte "Feuchtehorizont" am Gemäuer, ziehen sich in Schlieren teilweise über zwei Meter hoch. Der Sockelputz hat sich gelöst, und Wasser dringt ungehindert in das Mauerwerk ein.
Der erste Aufzug des Trauerspiels, das vor 15 Jahren begann, zeigte den Verfall. Beim nächsten Aufzug - und das ist der Zustand im Herbst 2014 - sieht man noch immer den Gekreuzigten ohne seinen linken Arm, und auch Katharina hat noch nicht ihr Rad zurück. Die Brutstätte mit den Vögeln hingegen ist verschwunden.
Niemand in Lausa möchte, dass die Geschichte tragisch für die Kirche endet, auch wenn das Trauerspiel nun schon viele Jahre andauert.
Ein Bild der Hoffnung zeichnet sich beim Abschiednehmen von Lausa in der Dahlener Heide ab: Entfernt sich der Besucher, wird sein Blick auf die Totale gelenkt, die unzerstörbar erscheinenden Kuben des Kirchleins und den zwischen Bäumen hervorschauenden, hoch aufragenden Turm, dem Wind und Regen nichts anhaben. Wenn sich alle gemeinsam mit den Bewohnern von Lausa anstrengen und Geld für die Restaurierung der Kirche zusammentragen, kann die graue Gegenwart in eine bessere Zukunft übergehen.
Christiane Schillig
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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