Kleine und große Kirchen

In der Synagoge finden immer noch Gottesdienste statt

Jüdisches Leben in Bad Nauheim

Am 9. November 1938 demolierten Mitglieder der SA die Inneneinrichtung der Synagoge in Bad Nauheim. Sie legten ein Feuer, das jedoch von mutigen Menschen gelöscht wurde. Daher zählt das jüdische Gotteshaus zu den wenigen, die nach dem Pogrom erhalten blieben. 2012 und 2013 wurde die Synagoge mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz saniert.

Jüdische Soldaten des amerikanischen XIX. Armeecorps mit Bad Nauheimern im Juli 1945 vor der Synagoge. 
Bad Nauheim, Synagoge © Familienarchiv Dormann, USA
Jüdische Soldaten des amerikanischen XIX. Armeecorps mit Bad Nauheimern im Juli 1945 vor der Synagoge.

Es war ein denkwürdiges Ereignis, das am 27. April 1945 in der Synagoge stattfand: Seit 1938 wurde dort das erste Mal wieder ein Gottesdienst gefeiert. An ihm nahmen vor allem jüdische Soldaten des amerikanischen XIX. Armeecorps teil, unter ihnen Ralph Baum, der bis zu seiner Flucht in die Vereinigten Staaten Bürger der hessischen Kurstadt gewesen war.

Man vermutet, dass Juden bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts in Nauheim wohnten. Der älteste Nachweis stammt allerdings erst aus dem Jahr 1464, als Albrecht Achilles von Brandenburg sie verpflichtete, jeden dritten Pfennig und den Goldenen Osterpfennig abzugeben. Damals lebten dort nicht mehr als drei jüdische Familien.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz half bei der Sanierung der Synagoge in Bad Nauheim. 
Bad Nauheim, Synagoge © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz half bei der Sanierung der Synagoge in Bad Nauheim.

Nachdem 1846 die erste Solequelle zu sprudeln begonnen hatte, entwickelte sich Bad Nauheim zu einem bekannten Thermalbad. Zu den frühen Kurgästen zählte Otto von Bismarck, später kamen immer wieder gekrönte Häupter in den Kurort, unter ihnen Kaiserin Auguste, die den jüdischen Arzt Isidor Groedel sehr schätzte.

Hatte die jüdische Gemeinde Nauheims 1835 nur 23 Mitglieder, so stieg ihre Zahl bis 1910 auf 164 Personen an. 1887 weihte sie ihre erste Synagoge ein. Bereits 20 Jahre später dachte die Gemeinde über einen Neubau nach, weil man mehr Platz benötigte. Die Pläne wurden jedoch bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs zurückgestellt und erst in den 1920er-Jahren wieder aufgegriffen.

Blick in das Innere der Synagoge. An prominenter Stelle steht die Bima - auch Almemor genannt. Dort steht der Rabbi und liest aus der Thora. 
Bad Nauheim, Synagoge © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Blick in das Innere der Synagoge. An prominenter Stelle steht die Bima - auch Almemor genannt. Dort steht der Rabbi und liest aus der Thora.

1927 gewährten Münchner Kurgäste der Gemeinde ein zinsloses Darlehen über 40.000 Reichsmark - rund ein Drittel der Baukosten -, sodass mit dem Projekt begonnen werden konnte. Der Frankfurter Architekt Richard Kaufmann entwarf ein schlichtes Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit, dessen Betraum 250 Menschen fasste.

Bei der Einweihung am 16. August 1929 sprach der damalige Bürgermeister Bad Nauheims, Dr. Karl Ahl, vom Frieden unter den Konfessionen. Wie wir heute wissen, erfüllte sich dieser Wunsch nicht, und die Synagoge war eine der letzten, die vor 1933 in Deutschland errichtet wurden.

Nach dem Pogrom 1938 wurde sie bis zum Einmarsch der amerikanischen Truppen in Bad Nauheim am 29. März 1945 als Lager für Schrott und Schwermetalle zweckentfremdet. Dann beschloss der Stadtrat, die Synagoge zu reinigen und herzurichten. Sie wird bis heute als Gotteshaus genutzt - von den rund 350 jüdischen Mitbürgern aus dem Wetteraukreis und von Kurgästen.

Carola Nathan

Weitere Infos im WWW:

www.jg-badnauheim.de
Führungen: Jüdische Gemeinde Bad Nauheim, Annette Mazur, Tel. 06032 5605, juedischegemeinde-badnauheim@gmx.de

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