Interviews und Statements April 2014

Interview mit der Stadtkonservatorin Monika Krücken

Forschungen zur Aachener Kaiserpfalz

Viele Fragen zur Aachener Pfalz, aber auch zu Aachen als römischer Stadt, konnten in einem groß angelegten Forschungsprojekt seit 2011 beantwortet werden. Mit den neu gewonnenen Informationen konnte ein präziseres Bild entworfen und manche Vermutung korrigiert werden.

MO: Im Rahmen einer umfangreichen Zusammenarbeit haben Historiker, Denkmalpfleger, Bauforscher und Archäologen seit 2011 eine interdisziplinäre Untersuchung des Aachener Pfalzbereichs vorgenommen. Was haben sie sich im Vorfeld davon versprochen?

Monika Krücken: Das Investitionsprogramm Nationale UNESCO Welterbestätten fiel für Aachen wie ein Geschenk vom Himmel. Neben den dringend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen am Rathaus gab es schon seit längerer Zeit den Bedarf in Forschung und Dokumentation zu investieren. Wir konnten so eine entsprechende aktuelle und präzise Dokumentation als Grundlage für die Sanierungsmaßnahmen beauftragen sowie vielen Fragen, die sich uns zur Pfalz in Aachen stellten, auf den Grund gehen. Neben dem Oktogon des Aachener Doms - die Marienkirche als signifikantes Element des Palastkomplexes - können die anderen Elemente der Pfalz im Stadtraum nicht so leicht als solche wahrgenommen werden. Dennoch manifestierte sich an diesem Ort die religiöse und politische Macht in einem Ensemble aus Bauwerken und umschlossenen Plätzen. In dieser räumlichen Konzentration, Proportion und Repräsentanz ist ihre Einmaligkeit auch heute noch spürbar. Es stellen sich Fragen zu den formalen und inhaltlichen Zusammenhängen der Anlage sowie auch zu sozialen Dimensionen und den Zusammenhängen der verschiedenen Zeitschichten.

Der Grundriss der Pfalzanlage lässt sich noch ablesen: Gegenüber dem heute im Dom aufgehenden Oktogon befand sich die Königshalle, auf deren Grundmauern im Spätmittelalter das Rathaus erbaut wurde. Beide waren durch einen Verbindungsgang auf der Westseite miteinander verbunden. 
Aachen, Dom © Domkapitel Aachen, Dombauleitung
Der Grundriss der Pfalzanlage lässt sich noch ablesen: Gegenüber dem heute im Dom aufgehenden Oktogon befand sich die Königshalle, auf deren Grundmauern im Spätmittelalter das Rathaus erbaut wurde. Beide waren durch einen Verbindungsgang auf der Westseite miteinander verbunden.

Insbesondere die Aachener interessiert die Frage, wo sich die "Kaiserwohnung" befand. Aber auch ganz grundsätzlichen Fragen, etwa nach der Dimensionierung des Pfalzenkerns und des Umfelds oder etwa nach logistischen Prozessen zum Beispiel bei Aufenthalten des Kaisers mit seinem Tross wollten wir mit dem Forschungsprojekt auf die Spur kommen.

Mit der ortsansässigen RWTH Aachen, Prof. Christian Raabe mit Marc Wietheger sowie Prof. Harald Müller mit Dr. Sebastian Ristow, konnten wir dann die geeigneten Kooperationspartner beauftragen. Aber die Dynamik und Synergien zur Pfalzenforschung gewannen ebenfalls sehr mit dem DFG-Projekt von Dr. Judith Ley zur Aula Regia, mit Andreas Schaub aus unserer Stadtarchäologie und dem Landschaftsverband Rheinland. Zeitgleich gründete sich 2011 ein Arbeitskreis Pfalzenforschung, der für einen regen Austausch unter den interdisziplinär aufgestellten Wissenschaftlern sorgte.

MO: Aachen verbindet man im Allgemeinen mit der Zeit Karls des Großen. Die jüngsten Forschungsergebnisse belegen, dass das römische Aachen weit größer und damit bedeutender war als gedacht. Wie muss man sich die antike Stadt vorstellen?

Monika Krücken: Die Zeiten, als Aachen als kleines römisches Militärbad beschrieben wurde, sind endgültig vorbei. Anhand dessen, was wir nun gesichert von der Archäologie wissen, ist festzuhalten, dass der Beginn von AQUAE GRANNI, tatsächlich um Christi Geburt, vermutlich ins letzte Jahrzehnt vor Christus zu datieren ist. Als Kur- und Heilort ist AQUAE GRANNI zwar weiterhin zu begreifen, aber die Bedeutung des Ortes war eine größere: Die opulente Ausstattung eines spätrömischen Gebäudes mit importiertem Marmor am Büchel, unweit der Thermen, weist ebenso darauf hin wie die Zeugnisse der Großarchitekturen. Die Präsenz des Militärs ist eher auf die bauliche Unterstützung für die Errichtung solcher Großarchitekturen zurückzuführen.

Vorstellen muss man sich das antike Aachen mit repräsentativen Thermen und Tempelbereichen, Herbergen, verschiedenen weiteren öffentlichen Gebäuden, wie vielleicht auch einem szenischen Theater am Marktplatz, aber diese Vermutung bedarf unbedingt noch weiterer Untersuchungen. Es gab sowohl reich ausgestattete steinerne Gebäude als auch schlichte Gebäude aus Holzfachwerk.

Mit der Königshalle Karls des Großen birgt das Aachener Rathaus einen der bedeutendsten mittelalterlichen Herrschaftsbauten des deutschsprachigen Raums. 
Aachen, Rathaus © Marc Wietheger, Baumass GbR, Köln
Mit der Königshalle Karls des Großen birgt das Aachener Rathaus einen der bedeutendsten mittelalterlichen Herrschaftsbauten des deutschsprachigen Raums.

MO: Und wie lebten die karolingischen Bewohner darin?

Monika Krücken: Sie nutzten wohl vielfach das vorhandene Baumaterial. Sei es in der Form einer Wiederverwendung von Werkstein für die eigenen Bauwerke (Spolien) zum Beispiel zum Bau der Marienkirche, der Königshalle (Aula Regia) oder aber in der Form, dass sie auf vorhandene römische Gebäudestrukturen einfach mit einem Fachwerkbau aufsetzten und damit ein steinernes Erdgeschoss oder eine Gründung nutzen konnten. Interessant ist vor allem, dass die Königshalle ganz bewusst in eine spätrömische Wehranlage (Spitzgraben/Mauer) gebaut wurde.

Nach und nach wird es als selbstverständlich angesehen werden, dass die Pfalz sich in eine vorhandene römische Siedlung setzte, die Siedlungskontinuität also gegeben war, Aachen eine bedeutende vorkarolingische Geschichte hat und die Pfalzanlage nicht aus einem Guss auf der grünen Wiese erbaut wurde.

Grabung am Marienturm des Aachener Rathauses. Das Rathaus steht auf den Fundamenten der karolingischen Königshalle, deren Hauptapsis der halbrunde Marienturm markiert. 
Aachen, Rathaus © Marc Wietheger, Baumass GbR, Köln
Grabung am Marienturm des Aachener Rathauses. Das Rathaus steht auf den Fundamenten der karolingischen Königshalle, deren Hauptapsis der halbrunde Marienturm markiert.

MO: Was kam bei der Untersuchung der Rathausfundamente, also der karolingischen Königshalle, ans Licht?

Monika Krücken: Wir konnten im Rahmen des Projekts eine Grabung am Marienturm des Rathauses mit Ergebnissen durchführen, die besonders wertvoll für die neue Betrachtung Aachens in frühmittelalterlicher Zeit sind. Brandspuren und ein Fundamentabsatz liefern den Nachweis, dass hier aufgehendes karolingisches Mauerwerk vorhanden ist, welches ehemals oberirdisch eine Art Sockelgeschoss der Königshalle bildete. In frühmittelalterlicher Zeit gab es hier ein deutlich tieferes Laufniveau als bisher angenommen, welches sich auf ca. 2,50 Meter unter dem heutigen Marktpflaster bemisst. Mittels tachymetrischer und laserscangestützter 3D-Vermessung konnte für das Mauerwerk der Westapsis ein deutlich größerer Außenradius angenommen werden. Auch die Wandstärke der Apsis muss um 0,7 Meter mehr als bisher angenommen korrigiert werden.

MO: Ergeben sich aus dem Projekt Änderungen des bisherigen Bildes von der Kaiserpfalz?

Monika Krücken: Erstmals können wir alle Gebäude und Strukturen mit dem im Projekt konzipierten und installierten Pfalz-Messbezugssystem exakt verorten. Durch Material- und Baualterskartierung liegen die besten Grundlagen für Datierungen vor. Mit einem Bauphasenplan lassen sich nun die verschiedenen Bauphasen der vorhandenen Gebäude und der unterirdisch baulichen Strukturen einordnen. Beispielweise können wir nun die Nutzung des Granusturms als Wohnturm ausschließen, der Nordannex der Marienkirche erhält durch seine zeitliche Einordnung, Position und bauliche Struktur eine besondere Bedeutung für die vorkarlische Pfalz, der sogenannte Mittelbau kann zeitlich einer späteren Bauphase der Pfalz zugeordnet werden und fungierte eventuell als Versammlungsstätte Auch können wir eine rötliche Farbfassung der Königshalle wie bisher angenommen ausschließen. Die konnte nur an der Marienkirche nachgewiesen werden. Ja, ganz eindeutig haben wir durch den Zugewinn vieler Informationen ein neues Bild der Aachener Pfalz gewonnen. Letztendlich ist dies aber auch nur ein Blick auf die Geschichte mit unseren heutigen Möglichkeiten. Die Forschung der Zukunft wird entscheiden, ob wir hier richtig liegen.

Aachen, Pfalz © Marc Wietheger, Baumass GbR, Köln 
Aachen, Pfalz © Marc Wietheger, Baumass GbR, Köln
Aachen, Pfalz © Marc Wietheger, Baumass GbR, Köln

MO: Welche neuen Ergebnisse haben Sie besonders überrascht?

Monika Krücken: Überraschend und sehr erfreulich für mich war, dass das Thema der Pfalz in Aachen mit diesem Projekt eine so hohe Aufmerksamkeit erreicht hat und nun fest im öffentlichen Interesse der Stadt verankert ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Die Synergieeffekte und die Dynamik innerhalb der Kooperationen sowie die vielen Nachfragen zu weiteren Informationen zeigen, wie bedeutend das Thema ist. Überrascht waren wir auch über die Fülle von neuen Erkenntnissen aus der Grabung am Marienturm, welche die Aula in spätrömischer Umwehrung bestätigt hat, die Disposition von Aula und Marienkirche neu bestimmt und auf die Aula selbst ein anderes Licht wirft.

MO: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Julia Ricker

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