Februar 2014
"Hauserhalt durch Nutzung" propagiert der Leipziger Verein "HausHalten" für leerstehende gründerzeitliche Wohnhäuser und setzt diese Forderung seit inzwischen zehn Jahren erfolgreich in die Tat um. In Zeiten von Bevölkerungsrückgang, schrumpfenden Städten, Leerstand und Abriss gelingt es der institutionellen Denkmalpflege nicht allein, dem Verfall und Verlust von historischen Wohnhäusern Einhalt zu gebieten. Die Bürger machen sich wieder zunehmend selbst zum Anwalt des Denkmalschutzes. Besonders in den ostdeutschen Städten haben sich viele Initiativen gebildet, die für den Erhalt und die Nutzung leerstehender Altbaubestände kämpfen.
Große innerstädtische Brachflächen, bröckelnde Fassaden, verwahrloste Vorgärten, dunkle Fenster am Abend: Vielerorts in Ostdeutschland und in strukturschwachen Regionen des Westens trifft man auf diese sichtbaren Zeichen des Wohnungsleerstands. Er ist Folge eines tiefgreifenden Umbruchs. Seit einigen Jahren verändern vor allem der massive Wandel in der Wirtschaft, die Alterung der Gesellschaft und demographische Schrumpfungsprozesse durch Geburtenrückgang und Abwanderung die Lebenssituation der Menschen. In den Städten betrifft der Leerstand besonders die Großsiedlungen am Stadtrand und die unsanierten, eigentumsrechtlich, städtebaulich wie bautechnisch problematischen Altbauten.
Um dem immensen Überangebot an Wohnraum entgegenzuwirken, haben der Bund und die Bundesländer 2002 das Programm "Stadtumbau Ost" aufgelegt. 2004 folgte das Ergänzungsprogramm "Stadtumbau West". Bis 2012 wurden allein für die östlichen Bundesländer rund 2,7 Milliarden Euro bereitgestellt, um den "Rückbau" leerstehender Wohngebäude und die Aufwertung von Stadtvierteln in Gebieten zu fördern, in denen der Wohnungsmarkt konsolidiert werden sollte. Doch der Gebäudeabriss konzentrierte sich nicht nur auf bedeutungslose Architektur und Großsiedlungen am Stadtrand, sondern weitete sich zu einer konzeptlosen Zerstörung qualitätvoller, unsanierter Altbauten aus. So schrumpften mancherorts die Städte nicht wie ursprünglich intendiert von außen nach innen. Stattdessen dehnten sie sich durch subventionierten Wohnungsbau weiterhin aus und verloren parallel dazu im Stadtkern durch geförderten Abriss von Wohnraum ihre urbane Form.
Welche Folgen diese Abrisse für die in langen Zeiträumen gewachsenen städtebaulichen Strukturen haben können, zeigt sich besonders deutlich in Leipzig. 1998 zählte die Stadt knapp 100.000 Einwohner weniger als noch 1989. Dem damit verbundenen Wohnungsleerstand versuchte die Kommune - unter Protesten aus der Bevölkerung - mit zum Teil flächenhaftem Abbruch in den Gründerzeitquartieren zu begegnen. So gibt es in manchen von Leerstand und Verfall gezeichneten Gebieten im Osten und Westen der Stadt kaum noch geschlossene Wohnblocks.
In Anbetracht dieser Problematik bildeten sich in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen, die den Leerstand nicht als Zeichen des Verfalls begreifen, sondern neue kreative Ideen im Umgang mit scheinbar überflüssigen Gebäuden entwickelten.
Hervorzuheben ist das Engagement des Leipziger Vereins "HausHalten", der seit 2003 durch Hausvermittlung an kreative Zwischennutzer versucht, leerstehende Altbauten zu erhalten und damit eine Wiederbelebung der vernachlässigten Wohnviertel zu erreichen. "Zuallererst wollen wir als Verein Gründerzeithäuser erhalten. Aber wir wollen auch Eigentümer anregen - es gibt mehr als Vollsanieren, nichtvermietet bekommen und Leerstand.", so formuliert Stephen Fresse, Mitglied des Vereinsvorstands, die Motivation der Initiative.
An problematischen Standorten gelegen, z.B. an Straßenkreuzungen, haben manche der denkmalgeschützten Häuser im ohnehin von starkem Leerstand betroffenen Leipzig kaum Aussicht auf Sanierung und Nutzung. Andererseits besteht Bedarf an günstigen Räumlichkeiten zur Ausübung kreativer Tätigkeiten. Daher kam Mitgliedern des Vereins "HausHalten" die Idee, auf nicht kommerzieller Basis mit den Hauseigentümern und den potenziellen Nutzern eine befristete "Gestattungsvereinbarung" zu treffen: Der Mieter zahlt nur die Betriebskosten, muss aber im Gegenzug seine Räume auf eigene Rechnung renovieren und als "Wächter" für die Kontrolle über das restliche Haus sorgen. Für den Eigentümer ist dadurch eine Werterhaltung und Sicherung des Gebäudes erzielt. In Leipzig existieren inzwischen 16 sogenannte Wächterhäuser; acht davon konnten bereits in geregelte Mietverhältnisse überführt werden.
Die Initiative wählt meistens Eckgebäude zu Wächterhäusern, die Teil eines Denkmalensembles sind. Gerade diese Bauten sind als Angelpunkte im städtebaulichen Gefüge besonders wichtig, um die Blockstrukturen in ihrer Geschlossenheit zu bewahren und die Ensembles zusammenzuhalten. Zwar sind die Wächterhäuser von ihrer Zahl her gegenüber der Gesamtheit unsanierter Wohngebäude in Leipzig zu vernachlässigen, doch macht ihr stadtbildprägender Charakter sie zu Leitbauten, von denen eine Signalwirkung auf die gesamte Umgebung ausgeht. Denn die Absicht des Vereins ist nicht nur, das jeweilige Haus zu retten, sondern im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung zur Revitalisierung und Aufwertung des gesamten Quartiers beizutragen. "HausHalten" bemüht sich daher, für die Gebäude unkonventionelle Nutzungsformen zu finden, die das soziale und kulturelle Angebot im Quartier erhöht, seien es alternative Ladengeschäfte, Vereinsbüros, Kulturräume oder Ateliers.
Der Erfolg dieser innovativen Idee - 2009 ehrte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung "HausHalten" mit dem "Nationalen Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur" - ist das Ergebnis eines anfangs schwierigen Prozesses. Zu Beginn der Vereinstätigkeit war die Stadtverwaltung und -politik auf eine rigorose Abrissstrategie fokussiert, in der die "perforierte Stadt" als Leitbild für die städtebauliche Zukunft galt. Es bedurfte vieler bürgerschaftlicher Proteste und Einsätze, um die Verantwortlichen zu einem Umdenken zu bewegen, leerstehende Denkmale nicht als Ruinen zu bewerten, sondern als sanierungsfähigen, nutzbaren Baubestand. Außerdem waren Zwischennutzungen noch vor einigen Jahren fast ausschließlich in einem informellen Kontext zu finden. Zu Hausbesetzerzeiten in den 1970er Jahren wären Koalitionen zwischen Eigentümern, Zwischennutzern und der öffentlichen Hand absolut undenkbar gewesen. So hatte der Verein HausHalten zu Beginn seiner Tätigkeit 2003 Schwierigkeiten, vor allem Hauseigentümer dazu zu bewegen, sich an dem von ihm entwickelten Wächterhausmodell zu beteiligen. Inzwischen hat sich das Konzept so bewährt, dass sich in Städten mit vergleichbarer Problematik - wie Chemnitz, Dresden, Halle (Saale) und Magdeburg - ebenfalls ein Verein "HausHalten" gegründet hat.
Weitere Ansätze bietet die Idee der "Wächterläden", nach der Geschäfte dem Wächterhausprinzip gemäß zwischengenutzt werden, oder auch die Variante des AusBauHauses, in der die Mieter Wohnflächen zum individuellen Selbstausbau und dafür zu günstigen Mietkonditionen erhalten. Handwerkliche Eigenleistungen der Mieter können auf die Mietkosten angerechnet werden. Hauseigentümern bietet das AusBauHaus Mieteinnahmen und Wertsteigerung bei vergleichsweise geringem eigenem Investitionsaufwand.
Heute arbeitet die Leipziger Bauverwaltung eng mit dem Verein zusammen. Jenseits der üblichen fachlichen Beratung und Begleitung von Bauvorhaben machen die Denkmalbehörden die Initiative immer wieder auf mögliche "Wächterhäuser" aufmerksam und versuchen zu vermitteln. Darüber hinaus unterstützt die Stadt auch andere Initiativen, wie etwa das Stadtforum Leipzig für behutsamen Stadtumbau. Mittlerweile haben auch Bund und Länder die Bedrohung erkannt, denen denkmalgeschützte Wohnhäuser in der Folge des Programms "Stadtumbau" ausgesetzt sind und sorgten für seine Anpassung: Altstadtquartiere werden nun stärker geschützt, Abrisse von Gebäuden aus der Zeit vor 1919 erhalten keine finanzielle Förderung mehr.
Eine weitere erfolgreiche Initiative zur Reaktivierung von ungenutzten Altbauten findet sich im Hamburger Gängeviertel. Mitten in der Innenstadt standen über viele Jahre zwölf historische Häuser leer, die schließlich an einen niederländischen Investor verkauft wurden, der große Teile des Viertels niederlegen wollte. Auf massiven Protest der Initiative "Komm in die Gänge" hin konnte das Quartier vor der Abrissbirne gerettet werden. Kulturelle Zwischennutzungen beleben seitdem das Viertel. Inzwischen hat die Stadt die Häuser von dem Investor zurückgekauft und mit der Initiative einen Kooperationsvertrag unterzeichnet, wonach die Gebäude denkmalgerecht saniert und anschließend durch die Gängeviertel-Genossenschaft in Selbstverwaltung übernommen und entwickelt werden können.
Zukünftig werden von allen Seiten - Politik, Wirtschaft, Denkmalpflege und Bürgerschaft - verstärkt Kreativität und Engagement notwendig sein, um Einzeldenkmale und Denkmalensembles durch langfristige oder temporäre Nutzungen abzusichern. Die Denkmalpflege, die sich durch die Reduktion an Personal und Finanzmitteln selbst in einer prekären Situation befindet, heißt Zwischennutzungen gut, bei der es zunächst einmal darum geht, Denkmale ohne umfangreiche Investitionen über eine gewisse Zeit wieder zu beleben und damit vor dem Verfall zu retten. Durch eine notdürftige Grundsicherung werden die Gebäude, im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt, für eine spätere Verwendung bewahrt und auf "Reserve" gehalten.
Amelie Seck
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Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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