Ikonographie Dezember 2013
Zu den bedeutendsten Schätzen der Kirche Unser Lieben Frauen zu Halle zählt der Hochaltar aus der Cranach-Schule. Mit dem Marienretabel hatte der Stifter, Kardinal Albrecht von Brandenburg, ein klares gegenreformatorisches Zeichen setzen wollen. Kein leichtes Erbe für ein evangelisches Gotteshaus.
Genau so hatte Martin Luther sie nicht sehen wollen: Mit goldener Krone und kostbaren Gewändern thront die Gottesmutter inmitten einer Glorie auf der Mondsichel, umgeben von einem Wolkenkranz mit Engeln. Gegen die Überhöhung der Maria als Himmelskönigin hatte sich der Reformator strikt verwahrt. Und doch findet sich ein solches Bild wohl seit 1540 am Hauptaltar der evangelischen Marktkirche Unser Lieben Frauen zu Halle, in der Luther dreimal predigte und in der er nach seinem Tod im Jahr 1546 aufgebahrt wurde.
Zwischen 1529 und 1554 an der Westseite des Marktplatzes errichtet, fiel der Bau der Marienkirche in kirchenpolitisch bewegte Jahre. Auftraggeber sowohl des Gotteshauses als auch des Marienaltars war der Kardinal und Kurfürst Albrecht von Brandenburg (1490-1545), zuletzt Luthers ärgster Widersacher. Dem Ausbau seiner halleschen Residenz und der beeindruckenden Reliquiensammlung, dem "Halleschen Heiltum" - finanziert durch Ablasshandel im großen Stil - galt sein ganzer Ehrgeiz. Vor dem Hintergrund der erstarkenden evangelischen Bewegung gerieten seine letzten Kunstprojekte in Halle zu einem gegenreformatorischen Manifest.
Noch vor der Vollendung der Marienkirche hielt Justus Jonas d. Ä., der Wegbegleiter Luthers, hier 1541 seinen ersten evangelischen Gottesdienst ab. Die Gemeinde wuchs so schnell, dass bald weitere evangelische Prediger an den Stadtkirchen eingesetzt wurden. Damit war schließlich auch in Halle die Reformation vollzogen. Kardinal Albrecht von Brandenburg verließ die Stadt für immer.
Den großen Flügelaltar, der bei vollständiger Öffnung jene Himmelskönigin Maria präsentiert, hatte sein Hofmaler Simon Franck, ein Schüler von Lucas Cranach d. Ä., wahrscheinlich 1529 geschaffen. Das prächtige Retabel zeigt im geschlossenen Zustand die Verkündigung an Maria, flankiert von der heiligen Ursula und dem heiligen Erasmus. In der ersten Wandlung erscheinen die vier Heiligen Maria Magdalena, Johannes der Evangelist, Augustinus und Katharina. Die Festtagsansicht offenbart zu Weihnachten, Ostern und Pfingsten schließlich die bekrönte Madonna auf der Mondsichel. Zu ihren Füßen kniet der Stifter. Die besondere Verbindung wird noch dadurch betont, dass der Jesusknabe dem Kardinal ein Gebetbuch reicht. Auf den beiden Seitenflügeln posieren jeweils in Ritterrüstung zwei Krieger der Thebäischen Legion: der heilige Mauritius als Schutzpatron des Erzbistums Magdeburg und der heilige Alexander. Mit dem gestürzten Herrscher unter seinen Füßen versinnbildlicht er den Triumph des Christentums. Auf der Predella ist die Gottesmutter inmitten der vierzehn Nothelfer dargestellt.
Ob der Altar von Anfang an für die neue Marienkirche am Marktplatz bestimmt war oder ob Albrecht ihn ursprünglich für seine Stiftskirche, den halleschen Dom, vorgesehen hatte, ist nicht genau zu bestimmen. Unbestritten ist jedoch die damit verbundene Aussage: In jener Zeit des Umbruchs und der Anfeindungen wollte der Kardinal unmissverständlich seine Marienverehrung zum Ausdruck bringen und damit ein deutliches Zeichen gegen die Protestanten setzen.
Umso erstaunlicher erscheint auf den ersten Blick der Verbleib des Altars in der nun evangelischen Marktkirche. Doch die Gemeinde und ihre Prediger nahmen offenbar keinen Anstoß an dem meisterlich gemalten Marienretabel, als dessen Urheber lange Lucas Cranach d. Ä. galt. Für ein klares reformatorisches Bekenntnis sorgten im Lauf der Zeit andere Kunstwerke.
Erst im 19. Jahrhundert mehrten sich kritische Stimmen, die den Flügelaltar für unpassend erachteten. Die Argumente zielten dabei keineswegs nur auf das katholische Bildprogramm ab. Die Legende, für die Figur der Maria habe eine Mätresse Albrechts Modell gestanden, belastete das Retabel mit einem unsittlichen Beigeschmack.
Die 1835/36 durchgeführte Renovierung des Innenraums der Marktkirche bot die Gelegenheit, einen neuen Altar mit einem angemessenen Motiv in Auftrag zu geben. Den Entwurf lieferte Karl Friedrich Schinkel, die Darstellung der Bergpredigt Jesu führte der Historienmaler Julius Hübner aus. 1841 erfolgte die Weihe.
Der Vorgänger aus der Reformationszeit wurde immerhin restauriert, um dann in Einzelteilen wechselnde Plätze in der Kirche einzunehmen. Seine historische und kunsthistorische Bedeutung gab jedoch immer wieder Anlass zu Diskussionen - die Fürsprecher des Marienretabels verstummten nicht.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zog man eine Wiederaufstellung des wertvollen Stücks ernsthaft in Betracht. Der Zweite Weltkrieg konfrontierte die Kirchengemeinde dann allerdings mit ganz anderen Problemen: Das Kulturgut musste vor Bombenangriffen geschützt werden. Während viele Kunstwerke durch die Auslagerung in Bergwerksstollen, Keller und Tunnel Schaden litten, überstanden die Tafeln des Marienaltars die Kriegsjahre unversehrt in der Kirche St. Ursula im nahen Niemberg.
Nur die Predella, die in das Kloster auf dem Petersberg bei Halle gebracht worden war, wurde 1945 von amerikanischen Soldaten mitgenommen und gelangte unter ungeklärten Umständen schließlich nach Wiesbaden. Im dortigen Museum hatten die Amerikaner nach Kriegsende einen "Central Collecting Point" eingerichtet - in der Sammelstelle wurden aufgefundene Kunstwerke erfasst und registriert. Maria und die 14 Nothelfer hatten im Wiesbadener Depot illustre Nachbarn: Zwischen Nofretete, Welfenschatz und dem damals noch Rembrandt zugeschriebenen "Mann mit dem Goldhelm" harrten sie besserer Zeiten.
Nachdem das Land Hessen 1951 die Treuhandschaft übernommen hatte, bemühte sich der Gemeindekirchenrat der Marktkirche immer wieder um die Rückgabe der Predella. Diese wurde umso drängender herbeigesehnt, als man 1956 die Wiederaufstellung des Marienretabels am ursprünglichen Platz beschlossen hatte.
Dafür sprachen nicht nur inhaltliche, sondern vor allem konservatorische Gründe. Die Denkmalpflege hatte den Standortwechsel gefordert, denn aufgrund der Nähe zu Heizungsrohren waren die frühneuzeitlichen Tafelbilder bereits in Mitleidenschaft gezogen. Zum Advent 1956 fand sich der Flügelaltar dann wieder an seinem ursprünglichen Platz, allerdings noch ohne Predella, die erst 1961 nach Halle zurückkehrte.
Ihr Einbau wurde vertagt, da Renovierungsarbeiten im Kirchenraum zwar geplant waren, aber zunächst nicht realisiert werden konnten. Pfingsten 1967 schuf ein geplatztes Rohr im Heizungskeller auf dramatische Weise Fakten: Der über eine Stunde lang ausströmende und in jeden Winkel dringende heiße Dampf verursachte schwere Schäden.
Danach kam an der Restaurierung niemand mehr vorbei. Es war Glück im Unglück: Das Geld der Versicherung sowie Mittel von Staat und Kirche ebneten nun doch noch den Weg für die umfassende Instandsetzung der gesamten Marktkirche und ihrer Ausstattung. Das ambitionierte Projekt der DDR-Denkmalpflege zog sich bis in die 1980er-Jahre.
Auf einer neu geschaffenen Sandsteinmensa nimmt das Marienretabel seit
1984 endlich wieder seinen zentralen Platz ein. Das Hübnersche Gemälde
wurde später an der Rückseite installiert - die Himmelskönigin der
Renaissance hat den "lehrenden Heiland" aus dem 19. Jahrhundert in den
Hintergrund verbannt. So dokumentiert die lange Odyssee der von Kardinal
Albrecht glorifizierten Gottesmutter weniger den Wandel des
Glaubensbildes, sondern vor allem den sich verändernden Umgang mit dem
historischen und kunsthistorischen Erbe. Für die evangelische
Marktkirche zu Halle war die schöne Maria mal Bürde, mal Zierde.
Bettina Vaupel
Die Dachsanierung der Marktkirche St. Marien in Halle hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2001/02 mit über 100.000 Euro gefördert.
Sabine Kramer (Hrsg.): Der Marienaltar in der Marktkirche zu Halle. Bildprogramm und Geschichte. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2012. ISBN 978-3-89812-851-3, 64 S., 6,95 Euro
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
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