Interviews und Statements Oktober 2013

Interview mit Holger Schulz

Gartendenkmalpflege bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz

Zu den Förderprojekten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gehören von Anbeginn an auch Gärten und Parks. Ein Gespräch mit dem Projektleiter für gartendenkmalpflegerische Aufgaben der Stiftung

MO: Seit ihrer Gründung 1985 unterstützte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) die Restaurierung von mehr als 4.300 Denkmalen. Zu den geförderten Objekten gehören nicht nur Kirchen und Schlösser, Bürgerhäuser, technische Bauten und archäologische Stätten, sondern auch Gärten und Parks. Welche Rolle spielt die Gartendenkmalpflege innerhalb der Projektarbeit der Stiftung?

Holger Schulz: Es werden von der Stiftung eine ganze Reihe von gartendenkmalpflegerischen Projekten in praktisch allen Facetten dieses Bereichs unterstützt. Besonders erfreulich ist dabei, dass nicht nur bekannte Gärten und Parks gefördert werden, sondern vor allem auch kleinere und wenig bekannte Objekte, für die ansonsten die Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen besonders schwierig wäre.

Hierbei muss man wissen, dass die Projektarbeit zwei Schwerpunkte hat: Zum einen werden Anlagen anderer Eigentümer gefördert, zum anderen ist aber die DSD direkt bzw. über ihre Tochter, die Brandenburgische Schlösser GmbH, selbst Eigentümerin verschiedener Gartendenkmale, die saniert und dann dauerhaft gepflegt werden.

Der Schlosspark von Fürstlich Drehna war durch den sogenannten Ziegelteich geprägt, der durch den Bergbau fast verschwunden ist. In unmittelbarer Schlossnähe existierte eine große Wiese, auf der ein neuer Teich angelegt wurde. Die alten Gehölze blieben als raumbildende Struktur erhalten. 
Fürstlich Drehna, Schlosspark © Holger Schulz, Brandenburgischen Schlösser GmbH, Potsdam
Der Schlosspark von Fürstlich Drehna war durch den sogenannten Ziegelteich geprägt, der durch den Bergbau fast verschwunden ist. In unmittelbarer Schlossnähe existierte eine große Wiese, auf der ein neuer Teich angelegt wurde. Die alten Gehölze blieben als raumbildende Struktur erhalten.

MO: Gibt es andere Bereiche, in denen die Stiftung gartendenkmalpflegerisch tätig ist?

Holger Schulz: Die Gartendenkmalpflege findet sich in allen Bereichen der DSD wieder. Es gibt treuhänderische Stiftungen, die sich mit der Förderung von Gartendenkmalen befassen, hier sind besonders die "Gemeinschaftsstiftung historische Gärten" und die "Marianne Foerster-Stiftung" zu nennen. Seit 2009 gibt es zudem eine eigene, international ausgerichtete Jugendbauhütte Gartendenkmalpflege mit verschiedenen Einsatzstellen. Bei denkmal aktiv finden sich Schulprojekte, die sich mit historischen Gärten beschäftigen. Auch die DenkmalAkademie bietet Seminare zur Gartendenkmalpflege an, zuletzt ein sehr gut besuchtes zum Thema "Verkehrssicherheit in historischen Gärten". Besonders erfreulich ist, dass häufig Artikel zur Gartendenkmalpflege in der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz herausgegebenen Zeitschrift Monumente erscheinen und dabei viele verschiedene Aspekte dieses Bereiches an Leser und Förderer vermittelt werden. Daneben bietet die Monumente Publikationen selbst Bücher und andere Produkte zum Thema Garten und Gartendenkmalpflege.

In der Öffentlichkeit und in Fachkreisen könnte unser Engagement für Gartendenkmalpflege durchaus noch bekannter werden. Daran arbeiten wir!

MO: Wo liegt Ihr fachlicher Schwerpunkt?

Holger Schulz: Mein fachlicher Schwerpunkt liegt in der Projektleitung gartendenkmalpflegerischer Aufgaben bei unseren eigenen Liegenschaften, ich arbeite ebenfalls bei einigen der anderen vorgenannten Bereiche mit.

Inszenierte Aussicht: Blick aus der Bibliothek von Schloss Steinhöfel, die gerne für Trauungen genutzt wird 
Schloss Steinhöfel © Holger Schulz, Brandenburgische Schlösser GmbH
Inszenierte Aussicht: Blick aus der Bibliothek von Schloss Steinhöfel, die gerne für Trauungen genutzt wird

MO: Inwieweit gibt es in der Gartendenkmalpflege Überschneidungen mit anderen Disziplinen, zum Beispiel der Baudenkmalpflege und der Archäologie?

Holger Schulz: Diese Schnittstellen sind unser täglich Brot. Erdbauarbeiten bei gartendenkmalpflegerischen Sanierungsmaßnahmen sind häufig Eingriffe in einen Bodendenkmal, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Stärker noch ist die Schnittstelle zur Baudenkmalpflege. Aus "grüner Sicht" sind Schlösser Parkarchitekturen, die in eine Gartengestaltung integriert wurden oder umgekehrt. Dieses Wechselspiel setzt sich bei Sanierungsarbeiten an den Gebäuden wie auch im Park fort. Besonders spannend ist es immer dann für Landschaftsarchitekten und Gartendenkmalpfleger, wenn neue Nutzungen in die Gebäude kommen und denkmalgerechte Lösungen für Zufahrten, Parkplätze etc. gefunden werden müssen.

MO: Im Unterschied zur Architektur besteht ein Garten oder Park viel stärker aus vergänglichen Materialen, ist vom Wachstum der Pflanzen und von den Jahreszeiten bestimmt. Wie unterscheiden sich vor diesem Hintergrund die Sanierungsarbeiten in der Gartendenkmalpflege, bzw. wie werden Rekonstruktionen bewertet?

Holger Schulz: Zur Beantwortung dieser Frage muss man sich immer vergegenwärtigen, dass ein Gartendenkmal ein gestaltetes Gesamtkunstwerk aus Elementen wie Vegetation, Parkarchitekturen, Skulpturen und häufig auch Wasseranlagen ist. Diese werden erschlossen durch Wege, für die einmal die treffende Formulierung gefunden wurde, dass sie die Funktion einer Kameraführung in einem Film haben, damit man exakt diese komponierten Gartenbilder sieht. Fällt nun eine dieser Bildkomponenten aus, zum Beispiel durch einen abgestorbenen markanten Solitärbaum, ist es wichtig, dass dieser Baum genau in derselben Art wieder an diesem Punkt nachgepflanzt wird.

Die Bibliothek im Park von Schloss Steinhöfel erinnert an einen antiken Tempel. Sie gehört zu einem Ensemble, das Valentin von Massow 1790-95 durch den Oberbaurat in preußischen Diensten, David Gilly, planen ließ. 
Schloss Steinhöfel, Bibliothek © Holger Schulz, Brandenburgische Schlösser GmbH, Potsdam
Die Bibliothek im Park von Schloss Steinhöfel erinnert an einen antiken Tempel. Sie gehört zu einem Ensemble, das Valentin von Massow 1790-95 durch den Oberbaurat in preußischen Diensten, David Gilly, planen ließ.

Ähnlich ist es mit Parkarchitekturen: Häufig aus Holz gebaut, haben sie nur eine begrenzte Haltbarkeit. Besonders schwierig ist es bei Brücken, die oft nur wenige Jahrzehnte existieren. Da sie aber in einer bewusst gestalteten Form in das Gesamtbild eingebunden wurden, sollten sie in dieser Form bei Verlust wieder möglichst authentisch hergestellt werden. Notwendig ist auch die Wiederherstellung von verschwundenen und in ihrem Verlauf veränderten Wegen. Ebenso geringe Abweichungen vom ursprünglichen Verlauf lassen die Parkbilder, die Komposition, verschwinden. Sie exakt zu lokalisieren, ist zwingend notwendig, damit der "Film" funktioniert.

Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass ebenso wie in der Baudenkmalpflege vollständige Rekonstruktionen ganzer Anlagen sehr kritisch zu sehen sind, selbst wenn sie nach historischen Plänen gebaut wurden. Hier gaukelt man Geschichte vor und sollte lieber das Selbstbewusstsein für gute zeitgenössische Lösungen haben.

Überall im Park von Schloss Steinhöfel ergeben sich komponierte Gartenbilder. Hier der Blick auf das von David Gilly entworfene Schloss, das 1840 zwei zinnenbekrönte Ecktürme erhielt und dessen Fassade 1880 neobarock umgestaltet wurde. 
Schloss Steinhöfel © Holger Schulz, Brandenburgische Schlösser GmbH, Potsdam
Überall im Park von Schloss Steinhöfel ergeben sich komponierte Gartenbilder. Hier der Blick auf das von David Gilly entworfene Schloss, das 1840 zwei zinnenbekrönte Ecktürme erhielt und dessen Fassade 1880 neobarock umgestaltet wurde.

Die beschriebenen Formen von Teilrekonstruktionen sind in der praktischen Gartendenkmalpflege üblich. Wichtig erscheint mir aber vor allem, dass man nicht ideologiebelastet und dogmatisch an solche Fragen herangeht, vielmehr in einem von Fachkompetenz geprägten Planungs- und Abstimmungsprozess die beste auf das jeweilige Gartendenkmal zugeschnittene Lösung findet.

MO: Können Sie Beispiele aus Ihrer eigenen Arbeit nennen?

Holger Schulz: Die Lösungen für zwei Parkarchitekturen in brandenburgischen Parks der Brandenburgischen Schlösser GmbH (BSG) zeigen gut auf, dass es sich jeweils um individuelle Lösungen handelt, bei denen viele Einzelfall-Entscheidungen - wie allgemein nötig in der Denkmalpflege - getroffen wurden.

Der Gondelbrückenpavillon im Schlosspark von Altdöbern 
Altdöbern © Stefan Hohmann, Brandenburgische Schlösser GmbH, Potsdam
Der Gondelbrückenpavillon im Schlosspark von Altdöbern

Im Schlosspark Altdöbern existierte ein sogenannter Gondelbrückenpavillon, der im späten 19. Jahrhundert aus Holz erbaut worden war. Neben rein praktischen Funktionen war er als Blickpunkt verschiedener Sichtachsen und Parkbilder außerordentlich wichtig für die gesamte Anlage. Wahrscheinlich schon vor dem Zweiten Weltkrieg war er so baufällig, dass er abgerissen werden musste. Im Zuge der Sanierungsarbeiten im Park durch die Einsatzstelle der Internationalen Jugendbauhütte für Gartendenkmalpflege entschlossen wir uns 2011, diesen Pavillon wiederherzustellen. Neben historischen Postkarten existierten Fotos, die es uns ermöglichten, den Pavillon bis hin zu Details der Dachdeckung und der Fugenausbildung exakt zu rekonstruieren.

Von den Grundlagen entscheidend anders war die Situation des chinesischen Pavillons im Schlosspark Steinhöfel. Diese Parkarchitektur wurde, wahrscheinlich durch Friedrich Gilly, den früh verstorbenen Architekten und Hoffnungsträger des Klassizismus in Brandenburg, im Zusammenhang mit der Gestaltung des Landschaftsparks gebaut. Dieses Gebäude war die Vorlage für einen sehr ähnlichen Pavillon in der königlichen Anlage von Paretz.

Der hölzerne Pavillon selbst war wohl schon im 19. Jahrhundert so schadhaft geworden, dass er verfiel und abgetragen wurde. Erhalten blieb bis ins 20. Jahrhundert die gotisierende Substruktion, die ohne den Pavillon als Aussichtsplattform diente. Später, wahrscheinlich Mitte des 20. Jahrhunderts, verfiel auch diese. Zu Beginn unserer Baumaßnahme im Jahr 2000 lag nur ein grasbewachsener Hügel mit Mauerresten vor.

Der Blick auf das Schloss in Steinhöfel bei Beginn der Sanierungsarbeiten 
Schloss Steinhöfel © Brandenburgische Schlösser GmbH, Potsdam
Der Blick auf das Schloss in Steinhöfel bei Beginn der Sanierungsarbeiten

Im Zusammenhang mit der Sanierung des Schlossparks musste die Frage geklärt werden, wie man mit dieser - für die Gesamtwirkung des Parks außerordentlich wichtigen Parkarchitektur - umgehen soll. Zunächst wurden neben einer Quellenrecherche gartenarchäologische Grabungen durchgeführt mit dem Ergebnis, dass die untere Hälfte der Substruktion noch erhalten war, inklusive Teilen der Fenster- und Türöffnungen. Da wir neben den bekannten Veduten aus dem späten 18. Jahrhundert auf ein Foto aus dem frühen 20. Jahrhundert zurückgreifen konnten, entschlossen wir uns, die noch erhaltenen Teile der Substruktion zu sanieren, den fehlenden oberen Teil zu rekonstruieren, auf den Pavillon aber zu verzichten. Gesagt - getan. Während der Arbeiten stellten wir aber fest, dass der Pavillon enorm wichtig für mehrere Parkbilder und Blickpunkt wesentlicher Sichtachsen war und disponierten um. Der Pavillon sollte in der Kubatur 1:1 wiedererstehen und eine chinesische Anmutung erhalten. Dies sollte mit modernen, nicht ursprünglichen Materialen geschehen, denn die Quellenlage war dünn, und die exakte Form und das Material waren letztlich nicht nachweisbar. Auf die Vedute allein konnten wir uns nicht verlassen, da sie möglicherweise nicht den Realzustand wiedergab, sondern die Darstellung idealisiert war.

Im Ergebnis wurde in der Substruktion sehr viel Originalsubstanz erhalten. Sie wurde statisch entkoppelt mit einem Ringanker für den Pavillon vorbereitet. Der Pavillon wurde als Stahlrahmenkonstruktion gebaut, mit Zinkblech eingedeckt und erhielt eine Wandfüllung aus Bambus. Diese verwendete man im 18. Jahrhundert nicht. Damit präsentiert sich der Pavillon eindeutig als ein Bauwerk des 21. Jahrhunderts, wenngleich wesentliche gestalterische Motive des historischen Gebäudes übernommen wurden. Das stellt sicher, dass sich seine Silhouette in den Park einfügt.

Der Chinesische Pavillon in Steinhöfel 
Schloss Steinhöfel © Holger Schulz, Brandenburgische Schlösser GmbH, Potsdam
Der Chinesische Pavillon in Steinhöfel

Am Vorgehen in Steinhöfel wird sichtbar, dass es aufgrund neuer Erkenntnisse, die während der Restaurierungsarbeiten gewonnen werden, zu Änderungen kommen kann. Das muss keineswegs ein Manko sein, sondern kann einen Zugewinn bedeuten. Auf diese Art können sich die Beteiligten einer komplexen denkmalpflegerischen Zielstellung im Verlauf ihrer Arbeit - eine Art fortlaufender Prozess - immer weiter annähern.

MO: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Julia Ricker

Auf den Internetseiten DenkmalDebatten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz finden Sie einen Beitrag zur Frage der Rekonstruktion in der Gartendenkmalpflege

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