1000 Herrscher, Künstler, Architekten Juni 2013 O
Seit 2010 nennt sich Magdeburg Ottostadt. Sie besinnt sich auf die Wurzeln des Begründers des späteren Heiligen Römischen Reiches, Kaiser Ottos I. Nicht von ungefähr befindet sich in der gotischen Kathedrale seine Grablege, denn Magdeburg gilt als seine Lieblingspfalz. Doch nicht nur in der heutigen Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, sondern auch in der Region sind zahlreiche Zeugnisse der Ottonen zu finden.
Am Morgen des 10. August 955, am Namenstag des heiligen Laurentius, reckte König Otto die Heilige Lanze gen Himmel. Versehen mit der wertvollen Reliquie, einem Nagel vom Kreuz Christi, sollte sie dem Sachsen in der entscheidenden Schlacht beistehen. Zuvor hatte Bischof Ulrich von Augsburg eine Morgenandacht gehalten, in der Otto dem heiligen Laurentius gelobte: Besiegt er die Ungarn, so wird er ihm ein neues Bistum darbringen.
Auf dem Lechfeld bei Augsburg griff Otto I. mit seinen Kampfgenossen die gefürchteten Reitertruppen der Ungarn an und siegte. Das Heer der Bayern, Franken, Schwaben, Sachsen und Böhmen setzte den flüchtenden Feinden so nachhaltig zu, dass sie für die nächsten Jahre von Beute-zügen und Brandschatzung im ostfränkischen Reich absehen sollten. Eine "Geißel der Christenheit" war damit bis auf weiteres gebannt. Otto war zufrieden. Gottes Segen war auf seiner Seite gewesen: Sommerlicher Gewitterregen hatte die tödlichen Waffenbogen der Ungarn buchstäblich aus dem Leim gehen lassen. Doch dies war nebensächlich, er hatte sich als von Gott beauftragter Beschützer der Christen bewährt. Dieser Ruhm brachte ihm den Beinamen Otto der Große ein.
Die Geschehnisse des 10. Jahrhunderts nachzuvollziehen, ist für die Geschichtsforschung ein schwieriges Unterfangen, denn die Quellenlage zu den Ottonen ist vergleichsweise dürftig. Die wichtigsten zeitgenössischen Geschichtsschreiber wie Widukind von Corvey, Hrotsvit von Gandersheim, Liuprand von Cremona oder Thietmar von Merseburg traten erst ab den 960er Jahren auf und verfassten ihre Werke in der Rückschau. Zudem trägt jede Schrift eine Intention in sich, da sie für bestimmte Adressaten gedacht war und ein politisches Ziel verfolgte. Betonung, Verformung oder gar Verfremdung dessen, was die Historiographen gehört oder erlebt hatten, war für sie ein zulässiges Mittel, vor allem wenn es darum ging, den Ereignissen Gottes Heilsplan zu unterlegen. So widmete Widukind von Corvey Mathilde, der Tochter Kaiser Ottos des Großen, Äbtissin des Stiftes Quedlinburg und Enkelin König Heinrichs I. seine Geschichte der Sachsen, die vollkommen durchdrungen von der Bedeutung dieses Geschlechts ist. Im Todesjahr Ottos des Großen 973 ebenfalls verstorben, gilt der Benediktinermönch als die wichtigste und heute meistdiskutierte Quelle zu den Ottonen. Für die Geschichtsforschung ist es nicht einfach, die damaligen Vorgänge in die chronologische Reihenfolge zu bringen, inhaltlich zu analysieren und zu bewerten. Denn entscheidend waren die Ereignisse im 10. Jahrhundert, erlangten doch erstmals sächsische Herrscher, deren Stämme noch wenige Generationen zuvor als Heiden unterworfen und missioniert worden waren, Königswürde und Kaiserkrone - sie wurden zu den Begründern des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation, das bis 1806 bestand.
Der Sieg auf dem Lechfeld brachte Otto dem Großen die Anerkennung seiner Herrschaft, für die er viele Jahre hart gekämpft hatte. Vor allem in den eigenen Reihen, denn sein Königtum ruhte auf einer brüchigen Basis.
Nach dem Niedergang des karolingischen Reichs waren die Herzogtümer wieder in den Vordergrund getreten. Der Stammesadel war selbstbewusst und kämpfte um Führungsrollen. Er war es auch, der Ottos Vater Heinrich, genannt der Vogler, 919 zum König bestimmt hatte. Heinrichs Politik beruhte daher vornehmlich auf Ausgleich und Schwurfreundschaften, um die Stammesfürsten an seiner Seite zu halten.
Als Heinrich I. in seiner Hausordnung von 929 Otto zu seinem Nachfolger bestimmte, erwuchs nicht nur im Adel, sondern auch in der eigenen Familie beachtlicher Unmut. Aus der ersten, 909 aufgelösten Ehe Heinrichs mit Hatheburg von Merseburg gab es einen Halbbruder namens Thankmar. Otto hingegen war der älteste Sohn aus Heinrichs zweiter Ehe mit Mathilde von Westfalen.
936 starb Heinrich I. unvermittelt in seiner Königspfalz Memleben. Otto ließ ihn nach Quedlinburg überführen und in der Kirche des von Heinrichs Frau Mathilde geführten Stifts beisetzen. Dann begab er sich nach Aachen, um dort, wo das verehrte Vorbild Karl der Große bestattet ist, den Königsthron zu besteigen.
Das war der Fanfarenstoß für seine Widersacher, die an seiner Legitimation zweifelten. Insbesondere Ottos Halbbruder Thankmar und sein jüngerer Bruder Heinrich fühlten sich um ihren Erbanspruch betrogen. Thankmar berief sich auf sein Vorrecht, weil er der älteste Nachkomme sei. Heinrich betrachtete sich als rechtmäßiger Königssohn, denn Otto sei bereits geboren und sieben Jahre alt gewesen, als der Vater Heinrich zum König ernannt worden war. Auch die mächtigen Herzöge von Bayern, Schwaben und Lothringen wollten sich Otto nicht ohne weiteres unterordnen. Eine gefährliche Situation für den jungen König, denn jeder Gegner hatte seine Verbündeten, und zudem drohten im Osten die Slawen und Ungarn, die durch Brandschatzung und Plünderung Angst und Schrecken im Land verbreiteten.
Jahrelang musste sich Otto gegen Intrigen wehren, die Auseinandersetzungen waren gewalttätig und rücksichtslos. Um seine Macht und seinen Einfluss zu festigen, war einerseits Umsicht und Vorsicht geboten, andererseits griff Otto auch brutal und gnadenlos durch. Niemand durfte sich ungestraft gegen ihn wenden. Selbst als Otto später in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, hatte er Sorge um sein Leben: Als er sich im Petersdom beim Krönungszeremoniell bäuchlings vor das Apostelgrab legte, hatte sein Schwertträger Anfried zu seinem Schutz die Waffe über ihn zu halten.
Milde gewährte er nur der engsten Familie. Weil er sie als loyale Wegbegleiter benötigte, belehnte Otto sie mit den großen Herzogs- und Bistümern. Seinen jüngeren Bruder Brun, einen hochgebildeten Geistlichen, ernannte er 940 zum Reichskanzler und 953 zum Erzbischof von Köln. Er wurde, wie auch Ottos ältester Sohn Wilhelm - 954 zum Erzbischof von Mainz erhoben - einer seiner einflussreichsten Gefolgsmänner und wichtigster Berater. Seinem bereits erwähnten Bruder Heinrich, der ihn 941 sogar beim für die Familie so bedeutenden Osterfest in Quedlinburg ermorden wollte, belehnte er nach dessen Unterwerfung mit dem Herzogtum Bayern. Heinrich, durch diese Aufwertung seines Ansehens zu Frieden gestellt, wurde ebenfalls zu einem treuen Gefolgsmann. Tief erschütterte Otto der Aufstand Liudolfs, seines Sohnes aus der ersten Ehe mit Edgitha, der angelsächsischen, im Volk hochverehrten Königstochter: Nach ihrem Tod 946 begann sich Liudolf, Herzog von Schwaben, aus vielerlei Gründen als potentieller Thronfolger benachteiligt zu fühlen. Seine verzweifelte Rebellion mündete darin, dass er mit den meist gefürchteten Feinden, den Ungarn, paktierte, was letztlich zu der Schlacht auf dem Lechfeld führte. Auch ihm vergab Otto, doch er entzog Liudolf das Herzogtum Schwaben, schickte ihn aber später in königlicher Mission nach Italien, wo dieser dann an Fieber starb.
Ob Ottos Familienpolitik und Ämtervergabe stets weitsichtig und durchdacht waren oder vielmehr das Gebot der Stunde Entscheidungen erwirkte, wird häufig diskutiert. Auffällig ist, dass zahlreiche Widersacher fast zeitgleich dahinschieden, was für Otto so manche heikle Situation klärte. Wie auch immer, Otto bewies durchaus Instinkt für die Kräftekonstellationen im Reich und wusste sie oft für seinen Vorteil zu nutzen.
Für die vollkommene Anerkennung im Reich und vom Papst fehlte ihm nur noch die Kaiserkrone. Dafür musste er die Hand auf Italien, das Kernland der römischen Kaiser, legen. Die Gelegenheit bot sich, als Adelheid, die Tochter des burgundischen Königs Rudolf II., ihm einen Hilferuf sandte. Die junge Witwe König -Lothars von Italien war in arger Bedrängnis, weil Berengar von Ivrea, der mächtigste Gefolgsmann des italienischen Königs sie zur Heirat zwingen wollte. Ottos Feldzug nach Italien 951 war erfolgreich: Otto ließ sich zum König ernennen, setzte Berengar als seinen Vasall ein und nahm Adelheid 952 selbst zur Frau. Eigentlich war damit die Kaiserkrone- in greifbare Nähe gerückt, aber Ottos Abgesandte erhielten von Papst Agapeth II. eine Absage. Der Sachse wurde als Kaiser ungern gesehen.
Die Ehe mit der zwanzig Jahre jüngeren Adelheid war hingegen ein Erfolg. Sie gebar ihm fünf Kinder. Dank seiner feingeistigen und einflussreichen Königin lernte der raue, in Jagd- und Kriegskunst begabte Sachse die abendländische Kultur kennen und schätzen.
Der nächste Vorstoß in Sachen Kaiserkrone ergab sich Anfang 960. Diesmal schickte Papst Johannes XII. ein Hilfeersuchen, ausgelöst von dem nicht zu befriedenden Berengar. Bevor Otto abermals nach Italien aufbrach, ließ er seinen sechsjährigen Sohn Otto 961 in Aachen zum Mitkönig krönen. Nun wurde sein Einsatz belohnt: Er empfing 962 die Kaiserkrone, jene Bügelkrone, die wie die Heilige Lanze von da an zu den berühmten Reichsinsignien der deutschen Kaiser gehörte. Ein absolutes Novum war, dass Otto und Adelheid als Herrscherpaar auftraten. Adelheid wurde in den so wichtigen Urkunden als "consors regni", als Mitregentin, bezeichnet.
Die Wiederbelebung des weströmischen Kaisertums brachte natürlich Konflikte mit dem oströmischen Herrscher in Byzanz. Zumal die politischen Ereignisse in Italien die Herrschaftsgebiete der beiden berührten. 967 ließ Otto seinen Sohn Otto II. zum Mitkaiser krönen, damit er für diesen beim byzantinischen Kaiser eine Ehe aushandeln konnte. Die Vermählung mit Theophanu, einer Nichte des Byzantiners, im Jahr 972 bezeugte die Anerkennung des westlichen, an die Antike anknüpfenden Kaisertums. Otto II. führte die "renovatio imperii romanorum" weiter, und unter seinem Sohn Otto III. kam sie zu einem frühen Höhepunkt, zumal beide Ottonen das 30. Lebensjahr nicht erreichten.
Bemerkenswerte Merkmale von Ottos Regierung waren seine Frömmigkeit, seine - ungewöhnlich genug - Treue als Ehemann und seine zeitlebens enge Beziehung zum sächsischen Stammland. Man muss sich vergegenwärtigen, dass es damals noch keine Residenzen gab, sondern Otto seine Herrschaft in erster Linie durch seine persönliche Präsenz ausübte und dadurch gewährleistete, dass sein königlicher Wille umgesetzt wurde. Ständig war er mit seiner Familie und dem Hofgefolge in den entferntesten Reichsgebieten unterwegs. Dort, wo Hoftage, Verhandlungen und Kriegszüge von Nöten waren, zog Otto der Große hin. Wichtigste politische Institution war bei dieser ambulanten Regierungsweise die mitreisende, aus Klerikern bestehende Hofkapelle. Sie beriet ihn, legte zeremonielle Abläufe fest und war für die Abfassung aller königlichen Urkunden zuständig. Königspfalzen, Bistümer und Stifte hatten für Unterkunft und Verpflegung zu sorgen. Eine schwere Aufgabe, denn der Königstross umfasste mehrere hundert Leute, dazu Pferde und Ausstattung aller Art. So waren großzügige Gastmahle und Unterkünfte eine Freude nach den entbehrungsreichen und strapaziösen Reisen. Heute ist es kaum vorstellbar, dass angespannte Beziehungen zum König durch verschlossene Tore, widerwillige Bewirtung und grußlose Verabschiedung demonstriert wurden.
Otto der Große handelte in seinem herrschaftlichen Selbstverständnis im Auftrag Gottes als "Vater des Vaterlandes" und verstand sich als Schirmherr der Christen. Kult und Liturgie waren ihm sehr wichtig, zumal er fest an den Schutz Gottes und die Fürsprache der Heiligen glaubte. So wundert es nicht, dass er gemeinsam mit den Erzbischöfen Brun von Köln und Wilhelm von Mainz den Einfluss der Reichskirchen ausbaute. Er versprach sich davon, eine politische Stütze als Gegenpart zum selbstbewussten, weltlichen Adel im Reich zu haben. Zum anderen wollte er die Heidenmission vorantreiben. Und er übertrug der Kirche, für sein Seelenheil und das seiner Angehörigen mit Gebet und Totengedenken Sorge zu tragen.
Neue Bistümer wie Havelberg, Meißen und Merseburg wurden vor allem an der östlichen Grenze des Reichs gegründet - mit stattlichen Kirchen, den weithin sichtbaren Zeichen seiner von Gott gegebenen Macht. Bistümer, Klöster und Stifte, besonders die mit seiner Familie engverbundenen, stattete Otto großzügig mit Ländereien, Hoheitsrechten und vor allem mit Reliquien aus. Stets war er auf der Suche nach letzteren, besorgte er sich zum Beispiel die Gebeine der Heiligen Mauritius, Innocentius und Timotheus. Papst Johannes XII. schenkte ihm einen Stab vom Roste des Märtyrers Laurentius, den in Silber gefassten Schädel des Märtyrers Sebastian sowie den Arm der Märtyrerin Felicitas. Aus Maastricht ließ er die Reliquien des heiligen Servatius überführen und beauftragte jeden, sich um wertvolle Reliquien zu bemühen. Sein Bruder Brun von Köln war bekannt dafür, dass er "Leiber und Reliquien von Heiligen sammelte von überallher, um den Seinen immer mehr Fürsprecher zu verschaffen".
Weil es die Grablege seines Vaters hütete, wurde das Stift seiner Mutter Mathilde in Quedlinburg mit zahlreichen Reliquien bedacht. Viele waren aber auch für Magdeburg vorgesehen, denn Ottos größter Wunsch war, in seiner Lieblingspfalz Magdeburg ein Missionsbistum zu gründen. Gerade dieser Wunsch stieß auf heftigsten Widerstand. Magdeburg hatte er seiner ersten Frau Edgitha, die er wohl sehr liebte, 929 als Morgengabe geschenkt und 937 dort das Mauritiuskloster gegründet. Da ein neues Erzbistum Magdeburg Gebietsverluste bei den Diözesen Halberstadt und Merseburg bedeutet hätte, war der Widerstand heftig. Obwohl es Otto endlich schaffte, dass ihm 967 auf der Synode in Ravenna auch die Gründung des Erzbistums Magdeburg gestattet wurde, verweigerten Bischof Bernhard von Halberstadt und sein Bruder Wilhelm von Mainz, zu dessen Kirchenprovinz Halberstadt gehörte, ihre Zustimmung bis zum letzten Atemzug - den beide im Jahr 968 taten. Damit stand dem Magdeburger Erzbistum nichts mehr im Weg.
Als Kaiser Otto der Große 973 in Memleben starb, war er 61 Jahre alt. Vermutlich war er so krank, dass er auf den Tod vorbereitet dort eintraf. Er feierte alle Messen mit und entschlief dann ruhig, von Geistlichen und der Familie umgeben. Sein Herz wurde in Memleben begraben, sein balsamierter Leichnam nach Magdeburg überführt und im Chor des Magdeburgers Dom bestattet. Eine außergewöhnliche Begräbnisstätte, die sein tiefes Verhältnis zur Kirche und zu seiner sächsischen Heimat bezeugt.
Christiane Rossner
www.khm-magdeburg.de
Kulturhistorisches Museum Magdeburg
www.Stiftskirche-Gernrode.de
Gernrode, Stiftkirche St. Cyriakus
www.dom-und-domschatz.de
Halberstadt, Dom und Domschatz
www.kloster-memleben.de
Memleben, Museum Kloster und Kaiserpfalz
www.merseburger-dom.de
Merseburger Dom
www.domschatzquedlinburg.de
Quedlinburg, Dom und Domschatz
www.pfalz-tilleda.de
Freilichtmuseum Königspfalz Tilleda
www.schlosswallhausen.de
Schloss Wallhausen
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
In den alten Zeiten der Frachtsegler musste die gesamte Habe des Seemanns in eine hölzerne Kiste passen. Manchmal liebevoll bemalt, war sie das einzige persönliche Stück, das ihn auf seinen Reisen über die Weltmeere begleitete.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
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