Kleine und große Kirchen Restaurierungstechniken
Wir möchten Ihnen Kircheneinrichtungen vorstellen, an denen mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz erste Konservierungsarbeiten durchgeführt werden. Unsere Stiftung hofft auf Ihre Unterstützung, damit das wertvolle Kunstgut vollständig restauriert werden kann. Außerdem möchte sie weitere Ausstattungen versorgen, die immer noch auf Rettung warten.
Die Nasen der Heiligen bröckeln. Risse ziehen sich über ihre Gesichter, die von dicken Staubschichten und Spinnweben bedeckt sind. Bei anderen platzt Farbe ab, Salze blühen aus, oder der Holzwurm hat über die Jahrhunderte an ihrer Substanz genagt.
Ob hölzerne Altäre und Kanzeln, Figuren aus Stein oder Malereien auf Decken, Wänden und Glasfenstern: Kirchliche Ausstattungen sind vielerorts in einem traurigen Zustand und leiden Not. Oft sind die Interieurs unbekannte Kleinode. Versteckt und nur wenigen bekannt, schmücken sie äußerlich zuweilen unscheinbare Kirchen auf dem Land. Doch ebenso bangen Pfarrgemeinden größerer Orte um ihre wertvollen Schätze. Das gefährdete Kunstgut, zu dem auch Emporen, Taufbecken, Sakramentshäuser, Epitaphe und Beichtstühle gehören, zeugt von jahrhundertelangem christlichen Leben. Es kann motivreich und von überbordender Farbigkeit sein oder schlicht und zurückhaltend gestaltet. Mal stammt es aus den Händen einfacher Handwerker, mal aus den Werkstätten begnadeter Künstler.
In den vergangenen Jahrzehnten half die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, viele Gotteshäuser zu retten. Ihre Aufmerksamkeit galt dabei der Bauhülle. Denn die Kirchen waren oft so stark geschädigt, dass sogar der Einsturz drohte. Jetzt, wo sie wieder sicher stehen, ihre Dächer dicht sind und das Mauerwerk intakt ist, will sich unsere Stiftung wo immer möglich um ihr Innenleben kümmern. Wir möchten Ihnen hier ausgewählte Beispiele vorstellen.
Einen Notfall birgt zum Beispiel die Dorfkirche von Roga in Mecklenburg-Vorpommern, deren Inventar einen wahrhaften Leidensweg durchlebte. Als zusammenhängendes Ensemble in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts geschaffen, ist es in der Region um Neubrandenburg einzigartig. Es wurde vermutlich von der Gutsherrenfamilie von Hahn in Auftrag gegeben und umfasst Altar, Kanzel sowie zwei Epitaphe. Ein drittes Epitaph stammt aus dem 18. Jahrhundert.
Es gleicht einem Wunder, dass sich die wertvollen Stücke aus der Renaissance bis heute erhalten haben. Denn die auf das frühe 14. Jahrhundert zurückgehende Feldsteinkirche war Ende der 1980er Jahre so schadhaft geworden, dass 1991 die Unterdecke einstürzte. Dabei wurde ein Loch ins Dach gerissen. Schlimmeren Schaden richtete ein herabfallender Balken an, der mit Wucht auf die Kanzel schmetterte. Die Dorfbewohner reagierten ohne zu zögern. In einer beherzten Rettungsaktion demontierten sie das Inventar. Obwohl Eile geboten war, wurde die hölzerne Kostbarkeit mit größter Sorgfalt in ihre Einzelteile zerlegt und in Kisten verstaut. Auf einen Anhänger der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft gepackt, brachte man sie in die Marienkirche nach Friedland, deren südliches Seitenschiff für die nächsten Jahre Schutz und ideale Lagerungsbedingungen bot.
Inzwischen ist das Gotteshaus in Roga umfassend instand gesetzt - zusammen mit weiteren Geldgebern half die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die sich mit rund 380.000 Euro beteiligte. Burkhard Erdmann, Baubeauftragter im Kirchenkreis Mecklenburg, begleitet die Restaurierungsmaßnahmen schon seit Jahren. Den Förderern der Deutschen Stiftung Denkmalschutz hätten die Menschen im Ort viel zu verdanken, betont er. Ohne ihre Unterstützung wären sie wohl verzweifelt.
Entsprechend groß war die Freude, als 2003 die Einzelteile des Renaissance-Inventars wieder in die Kirche zurückehrten. Seither warten Apostel und Heilige, Engel, Masken und Dekorationselemente - säuberlich in Regalen unterhalb der Empore verstaut - darauf, wieder zusammengesetzt und bearbeitet zu werden.
Vom Holzwurm befreit, konserviert, gesäubert und mit Ergänzungen versehen, ist jetzt schon der Altar, für den wir Sie in der Dezember-Ausgabe 2009 um Spenden baten. Dank Ihrer Hilfe und die der rechtsfähigen G. & H. Murmann-Stiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz entfaltet er nun wieder seine ganze Pracht und gibt dem Kirchenraum seinen sakralen Charakter zurück. Wie die übrigen Stücke war er einst prunkvoll mit Goldanteilen gestaltet, wurde aber in den 1930er Jahren übermalt. Die Behandlung seiner Farbschichten muss noch folgen.
Wie in vielen anderen Orten unseres Landes identifizieren sich nicht nur die wenigen Gemeindemitglieder, sondern auch die Bewohner der Region mit dem Gotteshaus in Roga. Die Kirche mit dem weithin sichtbaren Turm und Glockengeläut gilt ihnen als kultureller Mittelpunkt, als Seele des Dorfs. Obwohl es das Fördervereinswesen schwer hat in der von Abwanderung geprägten Gegend, ist dort reges Engagement anzutreffen. Beim letzten Gemeindefest sammelte man für die Kanzel, damit sich der Wunsch erfüllt, die Ausstattung weiter zu vervollständigen. "Wenn ausreichend Geld vorhanden ist", versichert Burkhard Erdmann, "kann mit der Restaurierung sofort begonnen werden. Alle dafür notwendigen Vorarbeiten sind geleistet."
Dass ganze Inneneinrichtungen ein Gotteshaus verlassen müssen, wie es in Roga der Fall war, sei selten, erklärt der Baubeauftragte. Dennoch lagerten manche Gemeinden auf Anraten des Oberkirchenrates Teile ihrer Ausstattungen aus, weil sie in einem so bedauernswerten Zustand seien. Die Landeskirche hat für solche Notfälle ein Depot in Rostock. Leider bleiben viele Stücke dauerhaft hier, denn die Pfarrgemeinden besitzen nicht genügend Mittel, um sie bearbeiten zu lassen.
Nicht weit entfernt von Roga harrt im uckermärkischen Bertikow nahe Prenzlau ein einzelner Altar der Restaurierung. Neben einer Kanzel aus dem 17. Jahrhundert zieht er in der schlichten gotischen Feldsteinkirche die Blicke auf sich. Vermutlich um 1500 für das Dominikanerkloster in Prenzlau geschaffen, stammt das Retabel aus einer pommerschen Schnitzwerkstatt, die von Künstlern aus dem süddeutschen Raum inspiriert war.
Der Schrein beherbergt Skulpturen aus weichem Lindenholz: im Zentrum den heiligen Martin, der zusammen mit einem unbekannten Bischofsheiligen die Muttergottes als Mondsichelmadonna mit Kind begleitet. Die Register der Flügelinnenseiten nehmen die zwölf Apostel auf. Auf den Außenseiten befinden sich Malereien mit Szenen aus dem Leben Jesu und der Legende des heiligen Martin. Sie entstanden vermutlich in einer Werkstatt direkt in Prenzlau.
Anlässlich einer Ausstellung über die mittelalterliche Kunst in der Mark Brandenburg, die letztes Jahr in Potsdam präsentiert wurde, konnte die Restaurierung des Bertikower Altars angestoßen werden. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligte sich an ersten Konservierungsmaßnahmen. Es ist jedoch unschwer an den beiden Aposteln zu erkennen, dass noch viele Arbeitsstunden notwendig sind, um alle zierlichen Figuren zu sichern und Fehlstellen behutsam zu ergänzen. Außerdem müssen sie von der dicken braungrauen Farbschicht befreit werden, die sich über ihre Körper legt. Für die Pfarrgemeinde, die sehr an ihrem Altar hängt, wäre das ein großes Glück.
Im erzgebirgischen Weißbach erträgt der heilige Sebastian nicht nur die Tortur der Pfeilspitzen, die sich in seinen Körper gebohrt haben. Für das bloße Auge kaum sichtbar, ist er genauso wie die Figur des heiligen Thomas durchlöchert vom Holzwurm. Das Kunstwerk in der Salvatorkirche entstand durch die Hände Peter Breuers (1472-1541), einem Schüler von Tilman Riemenschneider. Seine Arbeiten sind in Dorfkirchen rund um Zwickau und bis nach Thüringen zu finden.
Als einer der größten Altäre des Bildschnitzers wurde das Exemplar im sächsischen Weißbach in der Zeit des Barock überarbeitet und im 19. Jahrhundert mit Farbe und einer Bronzeschicht überzogen. Sie oxidierte und wurde dunkel, was besonders am Gewand des heiligen Thomas zu erkennen ist. Die Restaurierung des Altars ist seit langem ein Anliegen der Kirchengemeinde. Das große Vorhaben will sie schrittweise angehen. Derzeit sind das Relief der Predella und die Seitenflügel zur Restaurierung abgenommen. Die Gemeindemitglieder erhoffen sich, dass das Stück bis zum 500. Jubiläum der Kirche im Jahr 2016 fertig ist. Dann soll die noch erhaltene Originalfassung von Peter Breuer freigelegt sein, damit das Zusammenspiel der aufeinander abgestimmten, zarten Haut- und Farbtöne mit den blattgoldenen Stoffimitationen wieder bestaunt werden kann. Die beiden jüngeren Fassungen werden nicht nur aus ästhetischen Gründen weichen. Die Schichten sind brüchig geworden und gefährden die bisher noch intakte Originalmalerei des 16. Jahrhunderts, die zu reißen droht. Sie zu verlieren, will man nicht riskieren.
Dass selbst in wohlhabenden Gegenden Bilderwelten unverschuldet in Not geraten können und ihre Rettung ein Kraftakt ist, wird am Beispiel der Stiftspfarrkiche St. Kassian in Regensburg deutlich. Seit Jahrhunderten hat das zum Kollegiatstift Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle gehörende Gotteshaus, das zu den ältesten der Stadt zählt, mit aufsteigender Feuchtigkeit zu kämpfen. Der Fußboden des im Kern romanischen Baus liegt weit unter dem Niveau der Straße. Beständig wanderten im Laufe der Zeit Nässe und Salze durch die Bausubstanz, so dass nicht nur der Putz riss und bröckelte, sondern mit ihm auch der Stuck und die wertvollen Malereien, die sich in großen Flächen von ihrem Bildträger ablösen.
Die Pfarrgemeinde der Kirche, die ab dem 18. Jahrhundert Ziel einer Marienwallfahrt war, besitzt einen langen Atem. Seit 2007 wurden Fundamente, Außenhülle und innere Raumschale von St. Kassian instand gesetzt. Die Feuchtigkeit ist inzwischen reguliert, so dass nun die Stuckdekoration von 1754 sowie die Rokokomalereien an Wänden und Decken, die Gottfried Bernhard Götz 1754-58 schuf, restauriert werden können. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützte das Kollegiatstift bereits, damit es für das ehrgeizige Großprojekt weitere Mittel aus dem Welterbefonds des Bundes beantragen konnte. Jetzt möchte sie weiter helfen und erfüllt so nicht nur das Anliegen ihres 2011 verstorbenen Vorstandsvorsitzenden Professor Dr. Gottfried Kiesow, der sich vor Jahren schon die Restaurierung des Gesamtkunstwerks wünschte. Schadhafte oder fehlende Verputze und Stuckierungen sollen behutsam ergänzt, die Gemälde gereinigt und abgelöste Farbschichten gefestigt werden.
Über viele Jahrhunderte waren die Gestalten aus der Bibel und die Heiligenfiguren am kirchlichen Inventar, an den Wänden, Decken und Fenstern der Gotteshäuser die einzigen Bilder, die den Gläubigen in ihrem Lebensumfeld überhaupt zugänglich waren. Hörten sie die christlichen Texte in der Messe, waren die Protagonisten nur für flüchtige Momente zugegen. Bilder aber boten eine unmittelbare Anschaulichkeit und konnten jederzeit betrachtet werden. Gelehrte Theologen wie Bonaventura († 1274) sahen sie deshalb als wichtige Instanzen bei der Vermittlung des Glaubens an, denn während das gehörte Wort sprichwörtlich zum einen Ohr hinein und zum anderen hinausginge, so der Franziskaner, präge sich das Gesehene besser ins Gedächtnis ein. Denn die Gläubigen seien durch das, was sie sehen, viel stärker emotional ergriffen.
Es ist wohl diese schon im Mittelalter beschriebene sinnliche Kraft, weshalb wir uns noch immer von kirchlicher Kunst berühren lassen. Im Bewusstsein der Menschen gehört sie zu ihrer religiösen und kulturellen Identität. Die Kunstgegenstände beseelen die Gotteshäuser, die ohne sie verlassene Hüllen wären.
Unsere Stiftung hilft, damit sie eine erste Sicherung erhalten. Sie bedürfen jedoch noch größerer Zuwendung. Überall im Land gibt es weitere sakrale Einrichtungen, die in einem beklagenswerten Zustand sind und aufgearbeitet werden müssen. Unter den vorsichtigen Händen fachkundiger Restauratoren könnten Skulpturen und Malereien mit größter Sorgfalt und schrittweise zum Leben erweckt werden. Wir bitten Sie, unterstützen Sie mit Ihrer Spende die Weihnachtsaktion von MONUMENTE, um kirchliche Kunstwerke zu bewahren!
Julia Ricker
In der Dorfkirche von Behrenhoff haben sich eindrucksvolle Darstellungen des Fegefeuers erhalten.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie spüren Kugelsternhaufen und Satellitengalaxien auf: Heutige Astronomen können Milliarden Lichtjahre weit ins All blicken. Vor 500 Jahren – das Fernrohr war noch nicht erfunden – sah unser Bild vom Himmel ganz anders aus.
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My family (going back to Jochim Cadow, 1742, and Sophie Drews, c. 1747) lived in Roga. It is wonderful to see the church they would have attended in their lifetimes! It is turning out beautifully, and it is with great care that you are restoring it. Is the name of the church St. Mark's? We saw a statue by that name in one of the pictures. Thank you!
Russel and Ramona Kadow
206 Perham, Minnesota, USA
56573
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