Herrscher, Künstler, Architekten Dezember 2012 O

Die Arp-Schnitger-Orgel in Hollern-Twielenfleth

Ein Meister des barocken Klangs

Man könnte ihn für ein Pseudonym halten, so wie Novalis oder Le Corbusier, aber der Name ist zutiefst bürgerlich. Er wurzelt fest und bodenständig im Handwerk. Der Orgelbauer Arp Schnitger (1648-1719) entstammt einer angesehenen Tischlerfamilie aus Schmalenfleth im niedersächsischen Landkreis Wesermarsch.

Sein Großvater Berendt war "Snitker", also Tischler, ebenso wie sein Vater Arp Schnitger senior. Verbreitet ist dieser Name vor allem im norddeutschen Raum, weil mehr als 150 Orgeln nach Schnitger genannt wurden.

Ein Schmaus für Augen und Ohren sind die Manubrien, das heißt die Registerzüge, der restaurierten Orgel. 
© R. Rossner
Ein Schmaus für Augen und Ohren sind die Manubrien, das heißt die Registerzüge, der restaurierten Orgel.

In der evangelischen Kirchengemeinde Hollern im Alten Land, dem Obstanbaugebiet an der Unterelbe zwischen Stade und Hamburg wurde 2011 nach mehrjährigen Restaurierungs- und Rekonstruktionsarbeiten eine historische Schnitger-Orgel wieder in den Dienst genommen.

Arp Schnitger ist einer der berühmtesten Orgelbauer und perfektionierte die Fertigung der norddeutschen Barockorgeln. 1682 zog er von Stade nach Hamburg und schuf dort für die Nikolai-Kirche eine Orgel mit 67 Registern, vier Manualen, Pedal und mehr als 4.000 Pfeifen. Mit diesem damals vermutlich größten Instrument der Welt begründete Schnitger seinen internationalen Ruhm. Leider wurde die Orgel 1842 beim Großen Brand von Hamburg zerstört. Andere Instrumente des Meisters verfielen im Laufe der Jahrhunderte, wurden zerstört oder durch neue Orgeln ersetzt, wodurch die heute noch erhaltenen 36 Schnitger-Orgeln in den Marschlanden zwischen Groningen und Hamburg, in Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Portugal und im brasilianischen Mariana umso wertvoller wurden.

Viel Geld, Sachverstand und Liebe flossen in die Restaurierung der Orgel in Hollern-Twielenfleth. 
© R. Rossner
Viel Geld, Sachverstand und Liebe flossen in die Restaurierung der Orgel in Hollern-Twielenfleth.

Im frühen 18. Jahrhundert siedelte Schnitger nach Neuenfelde um und lebte dort mit seiner Frau und den gemeinsamen sechs Kindern auf dem sogenannten Orgelbauernhof. In den reichen Dörfern des Alten Landes gibt es kaum eine Gemeinde, die Schnitger nicht beauftragte.

Erst lange, nachdem die barocken Orgeln überall wiederentdeckt worden waren, widmete man sich der Schnitger-Orgel von Hollern in der Kirche St. Mauritius. Denn als Aschenputtel unter den schönen Schwestern war sie in den 1960er Jahren leider aus mangelnder Kenntnis der alten Technik derart verunstaltet worden, dass ihr Klang desaströs und ihre Optik katastrophal waren.

Orgelfachleute aus aller Welt forderten mit Nachdruck die Restaurierung der 1690 gefertigten Orgel. Viele Aktive der Kirchengemeinde schlossen sich an, indem sie mit einer Menge kreativer Ideen und Veranstaltungen ein finanzielles Fundament schufen, auf dem die schwierige Wiederherstellung fußen konnte. Die Finanzierung wurde zum Gemeinschaftsakt: Neben Spenden, Eigenmitteln und der Unterstützung vom Landkreis halfen unter anderem die Landeskirche und die Klosterkammer Hannover, verschiedene Bankstiftungen, die Niedersächsische Lottostiftung, der Lions Club, der Landschaftsverband Stade und die EWE-Stiftung, damit die stattliche Summe von 600.000 Euro zusammengetragen werden konnte. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz steuerte 25.000 Euro bei.

Gern hätten wir uns von dem Mann mit dem sprechenden Namen auch ein Bild gemacht. Ein Porträt von Arp Schnitger existiert aber leider nicht. Der Pastor und Orgelsachverständige Peter Golon vermutet, dass das Gemälde eines Organisten mit Perücke an der Golzwarder Orgelempore aus dem Jahr 1701 den Meister von hinten zeigen könnte. In Golzwarden (heute Brake) habe Schnitger 1697-98 eine Orgel zum Selbstkostenpreis umgebaut, weil er "in diesem Dorfe geboren und getauft" sei.

Christiane Schillig

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