Kurioses 1800 Material August 2012 X
Gekonnt sind die Wurzeln der Fichte zu einem kleinen Kranz gewunden. Auf Moos gebettet liegt er zwischen Zweigen, Blüten, einem Zapfen und Astquerschnitten. Die kleine Kiste, die die wichtigsten botanischen Merkmale des stattlichen Nadelbaums beherbergt, kommt wie ein Buch daher: Die Rinde bildet den Rücken, aufgeklebte Etiketten verraten den Namen des Gehölzes.
Der deutsche Wald in 93 Bänden ist solcherart auf Burg Guttenberg zu bestaunen. Im Museum der mittelalterlichen Anlage, hoch über dem Neckartal bei Neckarmühlbach gelegen, findet man eine der seltenen Holzbibliotheken, die um 1800 eine kurze Blüte erlebten. Sich den Wald per Xylothek, so der Fachbegriff, ins Haus zu holen, hatte ernsthafte Gründe. Das Kuriose und die Augentäuschung durch eine falsche Büchersammlung waren nur ein reizvoller Nebeneffekt.
Die Naturdarstellung in kompakter Form stand in der Tradition der frühneuzeitlichen Herbarien. Im Zeitalter der Aufklärung, als sich der Naturbegriff grundlegend wandelte, Tiere und Pflanzen systematisch erfasst wurden, erhielten auch die heimischen Hölzer neben den Exoten einen Platz in den Naturalienkabinetten.
Mit wissenschaftlichem Anspruch erstellt, waren die Holzsammlungen allerdings in erster Linie als Arbeitsinstrument gedacht: Land- und Forstwirtschaft etablierten sich als ernstzunehmende Disziplinen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts befanden sich viele Wälder in Deutschland in einem bedenklichen Zustand. Rodungen zur Gewinnung von Holz und zusätzlichem Ackerland hatten den Bestand ohnehin dramatisch dezimiert. Die verbliebenen Flächen wurden von den Bauern als Viehweiden genutzt und immer weiter aufgelichtet. Die Vertreter der Agraraufklärung wollten der fortschreitenden Zerstörung des Waldes aus Unkenntnis entgegenwirken.
Ziel der enzyklopädisch angelegten Xylotheken war, die Beschaffenheit der verschiedenen Hölzer und ihre Eignung als Werkstoff zu vermitteln. Ihre Hersteller strebten neben der Klassifizierung vor allem eine einheitliche Benennung an. Das göttliche Buch der Natur galt es nun mit naturwissenschaftlichen Methoden zu entschlüsseln.
Im Kasseler Naturkundemuseum wird eine äußerst kunstvolle Xylothek aufbewahrt, die Carl Schildbach, der im Dienst der Landgrafen von Hessen-Kassel stand, 1788 präsentierte. In seiner "Sammlung von Holzarten, so Hessenland von Natur hervorbringt" verewigte er Bäume und Sträucher in 530 buchförmigen Schubkästen.
Candid Huber war der erste, der ab 1791 eine Holzbibliothek nicht als Unikat, sondern als Serie auf den Markt brachte und über Annoncen zur Subskription anbot. Der Geistliche aus dem oberbayerischen Ebersberg hatte neben Waldeigentümern und Förstern "die Liebhaber der Forstbotanik" und die "Vorsteher der Naturalienkabinette" im Sinn. Tatsächlich interessierten sich Adel und Klerus sowie hohe Beamte für sein naturgeschichtliches Werk.
Nach Hubers Vorbild, aber noch weit aufwendiger und teurer, offerierte die Bestelmeiersche Handlung in Nürnberg ab 1798 eine "Deutsche Holzbibliothek" in 80 Bänden, erweiterte Auflagen folgten bis 1808. Als ihr Urheber gilt Carl von Hinterlang, Professor der Naturkunde, Botanik und höheren Forstwissenschaft zu Linz.
Auch seine Holzkästen können wie ein Buch aufgeschlagen werden und zeigen, auf Moos fixiert, die Zweige mit Blättern oder Nadeln, Blüten, Früchte, eine Keimpflanze, Astquerschnitte und ein Wurzelkränzchen. Spätere Teilserien enthalten darüber hinaus kleine Würfel zur Prüfung der Holzdichte, Holzkohle, Hobelspäne, Döschen mit Pollen, Holzasche und Sägemehl. Manchmal wurden sogar Schädlinge hinzugefügt, die den jeweiligen Baum befallen können. Im Rückenteil befinden sich mit einem Deckel zu verschließende Fächer. Sie dienen der Aufbewahrung der Samen beziehungsweise eines gefalteten Blattes mit einer detaillierten Beschreibung der Baumart. Hier sind auch Hinweise zum Anbau oder zur möglichen Verwendung des Holzes verzeichnet. Auf die Rinde, die den Buchrücken darstellt, wurden zuweilen Moose, Flechten oder Baumpilze aufgeklebt. Zwei separate Etiketten nennen den deutschen Namen sowie die wissenschaftliche lateinische Bezeichnung des Baums nach dem Linnéschen System.
Den stolzen Preis von vier Gulden pro Band musste man für diese Holzbibliothek bezahlen, die illustre Abnehmer fand: darunter etwa König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, der ein Exemplar für sich selbst und eines für die Forst-Deputation orderte, sowie Kaiser Franz I. von Österreich, der damit sein Naturalienkabinett ergänzte. Auch die Vorfahren der Freiherrn von Gemmingen-Guttenberg bezogen offenbar mehrere Lieferungen der "Deutschen Holzbibliothek", so dass Burg Guttenberg heute mit einer der vollständigsten noch erhaltenen Xylotheken des Carl von Hinterlang aufwarten kann.
Der hehre Anspruch der Hersteller, mit dem forstbotanischen Werk Aufklärungsarbeit zu leisten, erfüllte sich allerdings nicht immer: Vielen Käufern dienten die gehalt- und wertvollen Holzbücher doch eher als repräsentativer Schmuck denn als praktisches Lehrmittel. Der wirkliche Nutzen der Xylotheken für die Forstwirtschaft blieb in der Tat zweifelhaft, da sie keine neuen Methoden offenbarten: Grundlegende Anleitungen zum Neuaufbau der Wälder und zur Steigerung der Holzproduktion suchte man vergeblich.
Gegen 1815 endet die Verbreitung der Holzbibliotheken, die im bürgerlichen Jahrhundert weder als Statussymbol noch als wissenschaftliches Kompendium zukunftsträchtig waren. Heute sind diese originellen Naturalienkabinette in Buchform, die Naturbetrachtung und Zeitgeschichte gleichermaßen überliefern, von unschätzbarem Wert.
Bettina Vaupel
Für die Sanierung der Schildmauer und des Bergfrieds von Burg Guttenberg stellte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2008 und 2011 insgesamt über 50.000 Euro zur Verfügung.
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