Verkehr Juni 2016

Ein Verein rettete einen der letzten Lieger im Hamburger Hafen

Caesar schwimmt

Seit Mitte Mai schwimmt in der Hamburger HafenCity ein neues Gebäude: Es ist kein Hausboot, sondern der historische Hafenlieger Caesar.

"Was ein Lieger ist, fragen Sie? Die Schute oder der Ponton eines Ewerführers mit Büro und Werkstatt", erklärt uns die begeisterte Christine Röthig vom Hamburger Hafen Lieger Verbund e. V. Natürlich, was sonst, möchte man ihr antworten. Doch wer nicht gerade in einer Hafenstadt lebt, dem dürfte diese Erklärung wenig nützen.

Steht seit 2007 unter Denkmalschutz: der 1902 erbaute Lieger Cäsar. Jetzt schwimmt er vor der beeindruckenden Kulisse der Hamburger HafenCity.
Hamburg, Lieger Caesar © Matthias Raabe Fotografie, Hamburg
Steht seit 2007 unter Denkmalschutz: der 1902 erbaute Lieger Cäsar. Jetzt schwimmt er vor der beeindruckenden Kulisse der Hamburger HafenCity.

Deshalb erläutert es uns die kundige Retterin des Liegers noch einmal langsam: Ein Lieger liegt fest verankert - im Unterschied zu einem Schiff, Boot oder Floß. Er schwimmt dank seiner Pontonunterlage im Hafenwasser. Man könnte ihn also mit einem Hausboot vergleichen. Doch mit dreißig Metern Länge und sieben Metern Breite ist der Lieger Caesar größer als ein Hausboot. Außerdem wurde Caesar 1902 nicht in erster Linie zum Wohnen gebaut, sondern als Arbeitsfahrzeug, das nahezu unsinkbar ist. Das Polster des Pontons trägt eine immerhin 150 Quadratmeter große und 4,50 Meter hohe Werkshalle.


Caesar wurde also als schwimmende Werkstatt konstruiert und zu den Bau- und Verladestellen auf den weit verzweigten Hamburger Wasserwegen gezogen, denn der Lieger besitzt keinen eigenen Antrieb. Um bewegt zu werden, ist er auf einen Schlepper angewiesen.


Diesen Sommer beherbergt der Lieger Caesar ein Café und ist Ort verschiedener kultureller Veranstaltungen.
Hamburg, Lieger Caesar © Matthias Raabe Fotografie, Hamburg
Diesen Sommer beherbergt der Lieger Caesar ein Café und ist Ort verschiedener kultureller Veranstaltungen.

Anfang des 20. Jahrhunderts beherrschten die vielen Lieger das Bild des Hamburger Hafens, doch seit den 1960er-Jahren wurden sie durch Containerfrachter abgelöst. Damals waren die meisten Hafenlieger bereits im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs untergegangen. Caesar hatte Glück, weil seine Eigentümer mit ihm aus dem Hamburger Hafen geflüchtet waren. Doch nachdem seine Dienste als flexible Werkstatt nicht mehr gebraucht wurden, sollte auch er verschrottet werden.

Im Jahr 2007 wurde Caesar als Kulturdenkmal in die Denkmalliste der Freien und Hansestadt Hamburg eingetragen. Dieser gesetzliche Schutz erlaubte es den Vereinsmitgliedern, die bis dahin ungezählte Arbeitsstunden in die Instandsetzung des Rumpfes und der Gebäudefassade gesteckt hatten, Fördermittel zu beantragen. Im September 2009 sicherte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 10.000 Euro zu; wenig später konnte sie diese Hilfe dank einer Spende der Stani und Werner Muffey-Stiftung Hamburg um 6.500 Euro erhöhen und im Jahr 2013 nochmals 21.000 Euro zur Verfügung stellen.

2011 war die Restaurierung des Liegers noch in vollem Gange. Caesar ist wohl das einzige im Hamburger Hafen noch erhaltene Arbeits-, Werkstatt-, Kontor- und Wachfahrzeug in der typischen Bauweise des 19. Jahrhunderts. 
Hamburg, Lieger Caesar © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
2011 war die Restaurierung des Liegers noch in vollem Gange. Caesar ist wohl das einzige im Hamburger Hafen noch erhaltene Arbeits-, Werkstatt-, Kontor- und Wachfahrzeug in der typischen Bauweise des 19. Jahrhunderts.

Beeindruckend ist das tatkräftige Engagement von mehreren Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Vereinsmitglieder übernahmen die Projektsteuerung, die Bauleitung und Anleitung der Ponton-Sanierung. Dank ihrer langfristigen Planung konnte der Lieger Caesar bereits Ende März 2010 ins Dock gezogen werden. Zum Tag des offenen Denkmals 2010 kam unter anderem ein großer Teil des Hamburger Senats an Bord des Liegers und zeigte sich begeistert von der Restaurierung und der Kulturarbeit.

Inzwischen hat der Förderverein die substanzerhaltenden Maßnahmen am Gebäude und die Sanierung des genieteten Stahl-Pontons abgeschlossen. Der große Einsatz hat sich gelohnt: In diesem Sommer macht Caesar im Hamburger Traditionsschiffhafen fest – zwischen historischen Seglern, Dampfschiffen, Barkassen und Yachten.

In diesem Sommer ist der restaurierte Lieger ein schwimmendes Café.
Hamburg, Lieger Caesar © Matthias Raabe Fotografie, Hamburg
In diesem Sommer ist der restaurierte Lieger ein schwimmendes Café.

Besichtigungsmöglichkeiten

Adresse

Den Lieger Caesar finden Sie im Traditionsschiffhafen im Sandtorhafen (Zugang Magellan-Terrassen). Bis zum 20. September 2016  wird er dort liegen. Danach kommt er zur Vereinsanlage des Hamburger Hafen Lieger Verbunds HHLV e.V. und wird gegebenenfalls 2017 wieder in die Hamburger HafenCity verlegt.


Öffnungszeiten bis 20.9.2016

Lieger-Café des Nussknacker e. V. Sa und So 11–17 Uhr


Pop Up Markt: 23.7.2016 10–17 Uhr


Tag des offenen Denkmals 9.–11.9.2016: Öffnungszeiten: Sa und So 11–18 Uhr, Führungen: Sa und So 11–17 Uhr


Elbfest 17. und 18.09.2016: schwimmender Ausstellungs- und Veranstaltungsort, http://elbfest.hamburg


Weitere Informationen und Termine finden Sie auf der Facebookseite des Fördervereins: Facebook 


Caesar kann man auch als Veranstaltungsraum mieten (150 qm schwimmende Werkhalle mit Bar). www.hhlv.org, post@hausbootverein.de, Tel: 040-75 666 567

Angela Pfotenhauer/Christiane Schillig/Julia Ricker

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1 Kommentare

Lesen Sie 1  Kommentar anderer Leser

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    Hans Reich schrieb am 21.03.2016 15:03 Uhr

    Diese Geschichte ist deshalb für mich interessant, weil ich am Bodensee wohne, wir aber dort keine schwimmenden Wohnungen haben. Dass dieses Stück Zeitgeschichte durch Eigeninitiative bewahrt wird, finde ich bemerkenswert.

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