Landschaften, Parks und Friedhöfe Menschen für Denkmale Oktober 2011 U

Über die Wiederbelebung des ländlichen Raums

Menschen in der Uckermark

Die Uckermark zeigt sich bei unserem Besuch von ihrer besten Seite. Wir erleben sonnige Tage in einer der schönsten Landschaften Deutschlands. Wir fahren an großen Feldern mit Sonnenblumen vorbei, die uns sanft im Wind zunicken. Das Geschrei der Kraniche, die über uns hinwegziehen, begleitet uns ebenso wie das Geklapper der Störche, die ihrem Nachwuchs das Fliegen beibringen.

Hinter fast jedem Hügel taucht ein Kirchturm auf, und wir bestaunen die restaurierten Wohnhäuser in den kleinen Dörfern. Monumente besuchte die Uckermark und sprach mit Bewohnern über die düsteren Prognosen, die besagen, dass dort in einigen Jahren kaum noch Menschen leben und Dörfer mit ihren Kirchen verfallen werden.


Als nach der Wiedervereinigung Betriebe in Schwedt, Prenzlau, Templin und Angermünde schlossen und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft wegbrachen, mussten sich viele Uckermärker umorientieren. Sie zogen in den Westen oder pendelten nach Berlin. Doch seit Beginn der 1990er Jahre siedeln sich bewusst Menschen aus ganz Deutschland hier an, restaurieren historische Bürgerhäuser, gründen Unternehmen und engagieren sich in Kirchengemeinden. Sie schätzen die Region, Raumpioniere werden sie genannt.

Blick auf das Dorf Melsow bei Angermünde  
Melsow © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Blick auf das Dorf Melsow bei Angermünde

Eine von ihnen ist die Architektin Bettina Krassuski. Wir treffen sie in ihrem Planungsbüro ALV, das sie 1992 zusammen mit ihrem Mann Martin in Angermünde eingerichtet hat. Sie ist in West-Berlin aufgewachsen, hat dort Architektur studiert und drei Töchter zur Welt gebracht. 1988 wurden ihre Pläne, die hektische Stadt zu verlassen, konkret. Es sollte ins Bergische Land gehen, in die Nähe der westfälischen Heimat ihres Mannes.

"Bauen ist für uns Beruf und Hobby zugleich", sagen Bettina und Martin Krassuski. Sie betreiben ein Planungsbüro in Angermünde.  
Angermünde, Krassuski © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
"Bauen ist für uns Beruf und Hobby zugleich", sagen Bettina und Martin Krassuski. Sie betreiben ein Planungsbüro in Angermünde.

"Mit dem Mauerfall gab es auf einmal die Möglichkeit, das Berliner Umland zu erkunden. Eigentlich konnte ich mir erst gar nicht so richtig vorstellen, die Stadt zu verlassen. Doch dann kamen wir in die Uckermark und waren sofort von der schönen Natur begeistert. Wir wollten etwas bewegen und merkten, dass das hier möglich war. Und wir wollten mithelfen, historische Bausubstanz zu retten."

Ihr Büro befindet sich in einem Ackerbürgerhaus aus dem 18. Jahrhundert am Markt. Es war Anfang der 1990er Jahre in einem sehr schlechten Zustand - und mit ihm viele andere Gebäude in Angermünde. Denn es gab zu DDR-Zeiten Bestrebungen, die Menschen in Plattenbau-Siedlungen an den Stadträndern zu konzentrieren. Die politische Wende kam daher für Angermünde gerade noch rechtzeitig. Viele Wohn- und Geschäftshäuser, aber auch die Kirchen sind mittlerweile restauriert und machen das Städtchen am idyllischen Mündesee zu einer Augenweide.

Privat wohnt Familie Krassuski im etwa 30 Kilometer entfernten Poratz. "Wir kamen Anfang der neunziger Jahre in ein Dorf, in dem die Zeit stehengeblieben schien", erzählt Bettina Krassuski. Das in Kriegen mehrmals zerstörte Poratz wurde im 18. Jahrhundert von Friedrich dem Großen für Kolonisten wiederaufgebaut. Die kargen Böden erlaubten keine ertragreiche Landwirtschaft, aber die Wälder gaben Köhlern Arbeit.

Bettina und Martin Krassuski kauften sich in dem 30-Seelen-Ort einen alten Vierseithof und restaurierten ihn. 2002 bauten sie das Obergeschoss des ehemaligen Ziegenstalls zu einer Ferienwohnung um. Weil sie großen Wert auf ökologische und weitgehend regionale Baustoffe legten und einen Beitrag zur Entwicklung des sanften Tourismus in der Uckermark lieferten, wurden sie 2005 mit dem NABU-Baupreis ausgezeichnet. Bettina Krassuski freut sich, dass mittlerweile weitere Häuser restauriert sind, bedauert aber gleichzeitig, dass sie oft nur an den Wochenenden und in den Ferien bewohnt werden.

Angermünde, Alte Mälzerei © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Angermünde, Alte Mälzerei © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Vor der Alten Mälzerei in Angermünde sind Kunstwerke aus Findlingen ausgestellt, die Künstler beim Hartgesteinsymposium 2008 schufen.
Angermünde, Pulverturm © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Angermünde, Pulverturm © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Pulverturm in Angermünde
Melzow, Dorfkriche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Melzow, Dorfkriche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Renaissance-Altar in der Melzower Dorfkirche zeigt Szenen aus dem Alten Testament.
Angermünde, Ackerbürgerhaus © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Angermünde, Ackerbürgerhaus © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Ein typisches Ackerbürgerhaus in Angermünde aus dem 18. Jahrhundert.
Wilmersdorf, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Wilmersdorf, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
1937 ließ Gutsbesitzer Alexander von Buch in der ehemaligen Försterscheune von Wilmersdorf eine Kirche einrichten.
Wilmersdorf, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Wilmersdorf, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Uckermärker Künstler Erich Kistenmacher malte die Kirche in Wilmersdorf aus. Die Bibelzitate suchte die Frau des Gutsbesitzers, Anna von Buch, aus.
Welsow, Storchennest © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Welsow, Storchennest © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
In vielen Orten der Uckermark, wie hier in Welsow, stehen spezielle Masten, auf denen Störche ihre Nester bauen können.
 
 
Angermünde, Alte Mälzerei © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Vor der Alten Mälzerei in Angermünde sind Kunstwerke aus Findlingen ausgestellt, die Künstler beim Hartgesteinsymposium 2008 schufen.
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Angermünde, Pulverturm © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Pulverturm in Angermünde
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Melzow, Dorfkriche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Renaissance-Altar in der Melzower Dorfkirche zeigt Szenen aus dem Alten Testament.
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Angermünde, Ackerbürgerhaus © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Ein typisches Ackerbürgerhaus in Angermünde aus dem 18. Jahrhundert.
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Wilmersdorf, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
1937 ließ Gutsbesitzer Alexander von Buch in der ehemaligen Försterscheune von Wilmersdorf eine Kirche einrichten.
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Wilmersdorf, Kirche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Uckermärker Künstler Erich Kistenmacher malte die Kirche in Wilmersdorf aus. Die Bibelzitate suchte die Frau des Gutsbesitzers, Anna von Buch, aus.
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Welsow, Storchennest © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
In vielen Orten der Uckermark, wie hier in Welsow, stehen spezielle Masten, auf denen Störche ihre Nester bauen können.
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Bettina und Martin Krassuski kauften sich in dem 30-Seelen-Ort einen alten Vierseithof und restaurierten ihn. 2002 bauten sie das Obergeschoss des ehemaligen Ziegenstalls zu einer Ferienwohnung um. Weil sie großen Wert auf ökologische und weitgehend regionale Baustoffe legten und einen Beitrag zur Entwicklung des sanften Tourismus in der Uckermark lieferten, wurden sie 2005 mit dem NABU-Baupreis ausgezeichnet. Bettina Krassuski freut sich, dass mittlerweile weitere Häuser restauriert sind, bedauert aber gleichzeitig, dass sie oft nur an den Wochenenden und in den Ferien bewohnt werden.

Georg Kallweit liegt die Dorfkirche in Melzow am Herzen.  
Melzow, Dorfkirche, Kallweit © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Georg Kallweit liegt die Dorfkirche in Melzow am Herzen.

"Für die Uckermärker", sagt der Musiker Georg Kallweit, "ist es immer ein Bekenntnis, wenn man sich nicht nur als Zaungast die Sommermonate beschaut, sondern wirklich mit den Menschen wohnen will." Er selbst war viele Jahre so ein Zaungast, hatte bereits als Kind die Ferien in dem beliebten Urlaubsort Warnitz am Oberuckersee verbracht. Später, als er zusammen mit seiner Frau Tabea Höfer beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin arbeitete und das erste von drei Kindern geboren war, zog es sie immer wieder in die Uckermark zurück. Sie sahen, wie ihre Kinder in der Natur regelrecht aufblühten und suchten daher in der Umgebung von Warnitz nach einem geeigneten Domizil. Sie fanden es 1992 in dem 200 Einwohner zählenden Ort Melzow und verlebten dort zunächst die Wochenenden und die Ferien. 1998 zogen sie ganz dorthin, und Georg Kallweit geht seither von der Uckermark aus als Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin auf Tournee. Seine Frau arbeitet ebenfalls als Musikerin, Musiktherapeutin und Geigenlehrerin. Nebenbei vermietet sie ein zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtetes Stallgebäude, das liebevoll restauriert und als Ferienhaus eingerichtet wurde.

Sie sind inzwischen Teil der Dorfgemeinschaft geworden. "Kurz nachdem wir nach Melzow gezogen waren", erzählt Georg Kallweit, "wurde ich angesprochen, ob ich nicht für den Gemeindekirchenrat kandidieren wollte. Nach meiner Wahl habe ich mich als erstes für die Restaurierung der Orgel stark gemacht, an deren Klang sich die meisten Melzower gar nicht mehr erinnern konnten. Denn sie funktionierte seit den 1960er Jahren nicht mehr."

Er holte einen Orgelsachverständigen nach Melzow, der herausfand, dass das wertvolle Instrument der Berliner Firma Lang und Dinse aus dem Jahr 1859 noch vollständig erhalten war. Allerdings hatten sich Marder über das süße Granulat an den oxydierten Zinnpfeifen hergemacht und das Leder an den Bälgen und Windladen angeknabbert. Die Reparatur sollte 50.000 Euro kosten.

Unter Georg Kallweits Vorsitz wurde der Verein "Freunde der Melzower Kirche" gegründet, der seine Kontakte zu Musikern nutzte, um die "Melzower Sommerkonzerte" ins Leben zu rufen. Deren Erlöse flossen in die Reparatur der Orgel.

Das Melzower Gotteshaus gehört zu den "Offenen Kirchen", einem Projekt des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg.  
Melzow, Dorfkriche © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Das Melzower Gotteshaus gehört zu den "Offenen Kirchen", einem Projekt des Förderkreises Alte Kirchen Berlin-Brandenburg.

Mittlerweile sind auch der für die kleine Dorfkirche - sie stammt vermutlich aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert - ungewöhnlich reich geschnitzte Renaissancealtar und das Barockgestühl restauriert. "Daher kann der Verein einen Teil des Geldes, das die Konzerte einbringen, Nachbargemeinden für die Restaurierung ihrer Kirchen zur Verfügung stellen", erläutert Georg Kallweit.

Seine Kinder haben das Gymnasium in Angermünde besucht, die letzten Jahre allerdings eine Schule in Berlin, weil das Angebot dort besser ist. Die beiden ältesten Töchter von Bettina und Martin Krassuski waren ebenfalls auf dem Angermünder Gymnasium. Weil sie für ihre Jüngste ein reformpädagogisches Angebot wollten, schlossen sie sich 1999 mit weiteren Eltern zusammen und gründeten eine "Schule in freier Trägerschaft". Im Landkreis Uckermark gibt es zur Zeit 13 dieser staatlich geförderten Privatschulen - 7 Grund-, 3 Ober- und 3 Berufsschulen -, die eine Ergänzung zu den klassischen Schulformen bilden. Die Freie Schule in Angermünde arbeitet eng mit der Stettiner Privatschule "Leonardo Piwoni" zusammen, denn eine Begegnung mit den polnischen Nachbarn ist ihr wichtig. Der Bedarf an Freien Schulen ist nach wie vor groß", sagt Bettina Krassuski, "nur mit einer Schulvielfalt gelingt es, dass sich junge Familien in der Uckermark ansiedeln."

Seit 2001 gibt es in Angermünde eine Freie Schule, die einen regen Austausch mit ihrer polnischen Partnerschule in Stettin betreibt.  
Angermünde, Freie Schule © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Seit 2001 gibt es in Angermünde eine Freie Schule, die einen regen Austausch mit ihrer polnischen Partnerschule in Stettin betreibt.

Sie glaubt nicht, dass ihre Kinder nach der Ausbildung in die Uckermark zurückkehren. Und das ist das Grundproblem der Region - wie so vieler anderer im ländlichen Raum: Vor allem die 18- bis 30-Jährigen gehen, es herrscht ein großer Fachkräftemangel. Das betrifft auch das Büro der Krassuskis, die dringend, aber bislang ohne Erfolg, einen weiteren Architekten suchen.

Auch Politiker haben inzwischen erkannt, dass Ideen entwickelt werden müssen, um den ländlichen Raum als Wohn- und Arbeitsstandort attraktiver zu machen. Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck zeichnet jeden Monat innovative Projekte zum Umgang mit dem demografischen Wandel aus. Im Dezember 2010 war es "Wandern und Rückkehren in der Uckermark" des Vereins "Zuhause in Brandenburg". Es wurden junge Menschen interviewt, die abgewandert waren und mittlerweile zurückgekehrt sind. Unter ihnen eine Fotografin, eine Hotelfachfrau und ein Unternehmer, der in Templin eine Internetagentur für Webdesign, Programmierung und Online-Marketing betreibt. Alle Befragten gaben an, die Uckermark ungern verlassen zu haben. Sie bereuen daher nicht, dass sie nach ihrer Ausbildung zurückgekehrt sind und den Schritt in die Selbständigkeit gewagt haben.

Bundesbauminister Peter Ramsauer rief den Wettbewerb "Menschen und Erfolge" ins Leben und prämierte im vergangenen Juni 15 von 585 eingereichten Beiträgen. Unter den Preisträgern befindet sich die Mobile Zahnarztpraxis Uckermark, die im Umkreis von Templin Patienten bei Notfällen und akuten Schmerzen versorgt. Ausgezeichnet wurden Projekte in ganz Deutschland wie zum Beispiel die Gemeinde Hiddenhausen in Ostwestfalen. Sie gewährt jungen Familien Zuschüsse, damit sie nicht neu bauen, sondern historische Häuser sanieren.

Der Marktplatz von Angermünde mit dem phantasievollen Brunnen, den der Künstler Christian Uhlig schuf.  
Angermünde, Marktplatz © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Der Marktplatz von Angermünde mit dem phantasievollen Brunnen, den der Künstler Christian Uhlig schuf.

Beispielgebend ist außerdem die hessische Gemeinde Wanfried im ehemaligen Zonenrandgebiet. Unter dem Motto "Sie können sich noch verbessern. Ziehen Sie nach Wanfried!" vermarktet Bürgermeister Wilhelm Gebhard seine Stadt. Er gehört der "Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser" an, die Interessenten beim Kauf und während der Sanierung berät. Innerhalb von zwei Jahren gelang es der Gruppe, neue Eigentümer für 20 Fachwerkhäuser zu finden - viele von ihnen ziehen aus den Niederlanden an die Werra.

Doch zurück in die Uckermark. Dort sind in den letzten Jahren neue Arbeitsplätze entstanden, im Bereich der erneuerbaren Energien, aber auch in den Naturschutzgebieten: im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, im Naturpark Uckermärkische Seen und im Nationalpark Unteres Odertal. Die Hälfte der Uckermark ist geschützt, in diesem Jahr wurde der Grumsiner Forst zusammen mit weiteren Buchenwäldern in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Und am Rand der Region bietet der Industriestandort Schwedt Arbeit in Papierfabriken und in einer Raffinerie. Jeder zehnte Liter Benzin, der auf unseren Straßen verbraucht wird, stammt aus der ehemaligen Residenzstadt.

Birgit und Christian Uhlig leben und arbeiten seit 2002 in der Angermünder Villa Siegfried.  
Angermünde, Villa Siegfried, Uhlig © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Birgit und Christian Uhlig leben und arbeiten seit 2002 in der Angermünder Villa Siegfried.

Klare Seen, dichte Wälder, naturbelassene Wiesen, vielfältige Flora und Fauna - es gibt allein 160 Vogelarten - und kulturhistorische Stätten wie das Kloster Chorin ziehen auch immer mehr Touristen an, die die Uckermark zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Boot erkunden.

Eine derjenigen, die Projekte zum sanften Tourismus mit auf den Weg bringen, ist Birgit Uhlig. Sie ist Thüringerin und hat zusammen mit ihrem aus Dresden stammenden Mann Christian im Juni 1989 die Zelte in Ost-Berlin abgebrochen. Sie sind auf einen Bauernhof in Stegelitz bei Gerswalde gezogen. Dort gab es für den bekannten Bildhauer und Maler eine große Scheune, in der er seine phantasievollen Keramik-Skulpturen und Brunnenanlagen entwerfen konnte. Birgit Uhlig hielt Schafe, verarbeitete und vermarktete die Wolle.

Weil ein Arbeiten in der unbeheizten Scheune während der kalten Monate kaum möglich war, entschlossen sie sich 2002, Stegelitz zu verlassen und die Villa Siegfried in Angermünde zu kaufen. Uhligs restaurieren das um 1900 errichtete Gebäude seither, wohnen und arbeiten dort.

Christian Uhlig ist Mitbegründer der freien Künstlerinitiative Uckermark und hat die Brunnenanlage auf dem Angermünder Marktplatz gestaltet, die Geschichten über die Menschen aus der Ackerbürgerstadt erzählt. Seine Frau verarbeitet weiterhin Schafwolle, stellt wunderschöne Hüte und andere Accessoires aus Filz her und gibt neben ihrer Arbeit für den Tourismusverein Angermünde Filzkurse und solche über gesunde Ernährung mit heimischen Produkten.

Ute und Dietrich von Buch vor der Kirche in Wilmersdorf.  
Wilmersdorf, Kirche, von Buch © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Ute und Dietrich von Buch vor der Kirche in Wilmersdorf.

Oft sind es Künstler oder Freiberufler, die die Möglichkeit nutzen, sich in strukturschwachen Räumen anzusiedeln, weil sie an keinen Standort gebunden sind. Das trifft auch für Ute und Dietrich von Buch zu. Sie kamen nicht nur wegen der schönen Natur von Bottrop nach Wilmersdorf, sondern nahmen die Spur ihrer Vorfahren auf: Großvater Alexander von Buch, der das Wilmersdorfer Gut ab 1922 bewirtschaftet hatte, war 1945 von dort vertrieben worden. "Nach dem Tod meines Vaters 1992", erzählt Dietrich von Buch, "ordnete ich die Papiere. Als mir klar wurde, dass die Familie keinen Anspruch auf Rückgabe des enteigneten Landes hatte, dachte ich: Das kann doch nicht alles gewesen sein! Meine Frau und ich wollten zumindest dafür sorgen, dass jemand Vernünftiges das Gut bewirtschaftet." Denn er hatte miterlebt, wie Investoren Höfe übernahmen, ausschlachteten und dann ihrem Schicksal überließen.

1993 nahm Stefan Palme Kontakt mit den von Buchs auf. Der Agrar-Ingenieur aus Bayern suchte in der Uckermark nach einem geeigneten Hof, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Er kaufte schließlich das Gut Wilmersdorf von der Treuhand. Dietrich von Buch unterzeichnete als Mitgesellschafter.

Die von Buchs wohnen gleich gegenüber. Sie übernahmen 1996 das Lindenhaus, das ehemalige Gästehaus des Guts, und gründeten dort einen Fachzeitschriften-Verlag. Er gibt unter anderem das Magazin "creativ verpacken" heraus, das sich mit Verpackungsdesign und der Vermarktung von Produkten beschäftigt. Sie haben inzwischen fünf Angestellte.

Stefan Palme und seine Frau Dr. Tina Boeckmann bewirtschaften Gut Wilmersdorf.  
Wilmersdorf, Gut Wilmersdorf © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Stefan Palme und seine Frau Dr. Tina Boeckmann bewirtschaften Gut Wilmersdorf.

Dietrich von Buch engagiert sich in der Kirchengemeinde und sorgt sich um den Zustand der Dorfkirche, die sein Großvater den Wilmersdorfern 1936 schenkte. Seit die alte Kirche 1469 abbrannte, hatten Andachten auf dem Gut stattgefunden. Dietrich von Buchs Großmutter Anna, eine Schlesierin, begleitete sie auf ihrem Harmonium. Der Antrag auf den Bau einer Kirche wurde jedoch abgelehnt, so dass Alexander von Buch auf die Idee kam, sie in der ehemaligen Försterscheune einzurichten.

Zum Gut Wilmersdorf gehören heute 1.100 Hektar Land, auf dem Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel und Hafer angebaut werden. Acht festangestellte Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Stefan Palme hat aus dem Gut nicht nur ein florierendes Unternehmen gemacht, sondern auch die denkmalgeschützten Hofgebäude sanieren lassen. Das im 17. Jahrhundert errichtete Herrenhaus ist ebenso wieder hergestellt wie die Dächer der Wirtschaftsgebäude, die nur zum Teil genutzt werden.

Johannes Niedeggen richtete im Kerkower Gutshaus eine Pension ein.  
Kerkow, Gutshaus © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Johannes Niedeggen richtete im Kerkower Gutshaus eine Pension ein.

"Meine Produkte", so Stefan Palme, "genügen Bioland-Kriterien, und wir liefern an Naturkostverarbeiter." Er beklagt, dass in der Uckermark große Biogasanlagen entstehen sollen und dafür immer mehr Mais angebaut wird.

Diese Monokulturen lehnt Johannes Niedeggen ebenfalls ab. Der Besitzer von Gut Kerkow bei Angermünde kam 1993 aus dem rheinischen Erftstadt in die Uckermark und züchtet Aberdeen Angus-Rinder. Auf dem Hof gibt es außerdem schwarzbunte Milchkühe, Sattelschweine und Merinoschafe.

Einen Teil des Gutshauses, das Johannes Niedeggen 1996/97 sanierte, vermietet er an Feriengäste. Im ehemaligen Getreidespeicher betreibt er eine Gaststätte und einen Hofladen, in dem Fleisch aus eigener Schlachtung und Produkte aus der Region verkauft werden.

Johannes Niedeggen hat auf Gut Kerkow eine Biogasanlage gebaut. Doch sie wird vor allem mit organischen Abfällen bestückt, die auf dem Hof anfallen. Sie liefert so viel Energie, dass sämtliche Haushalte Angermündes damit versorgt werden könnten.

Einer der vielen idyllischen und klaren Seen in der Uckermark: der Mündesee bei Angermünde  
Angermünde, Mündesee © Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Einer der vielen idyllischen und klaren Seen in der Uckermark: der Mündesee bei Angermünde

Mancher mag die Uckermark bereits abgeschrieben haben. Bei uns hinterlässt sie einen positiven Eindruck. Die Menschen, die wir trafen, bekennen sich zu der Region und setzen alles daran, die Natur und die kulturelle Vielfalt zu erhalten. Wir wünschen ihnen, dass sich die düsteren Prognosen nicht bewahrheiten werden.

Carola Nathan

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1 Kommentare

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    Hildegard v. der Wense schrieb am 21.03.2016 15:02 Uhr

    Wenn auch das Rathaus in Angermünde auf meinem Schulweg (von 1942 bis 1948) nie so schön ausgesehen hat, wie im Monumente Magazin, war es doch ein freudiger Moment, diesen Platz renoviert und belebt wieder zu sehen.

    Auch der Mündesee, in dessen Nähe wir in Richtung Dobberzin wohnten, erweckte Erinnerungen an Kindertage.

    Dabei wanderte man aber auch durch die Stadt am Krankenhaus vorbei zum Wolletzsse, der seinerzeit noch völlig naturbelassen und von keiner Zivilisation geschändet, das Ziel bescheidener aber erfüllter Erlebnisse war.

    Aus der Zeit, die ich beschreibe, ist zu ersehen, dass es die Kriegs- und Nachkreigszeit war. Dazu gehörten ganz intensiv die Kämpfe im Oderbruch. Jungen Soldaten waren auch bei uns einquartiert. Sie kamen oft nicht zurück oder verwundet. Sie gehörten zu unserem Alltag wie auch Verdunkelung, Stromsperre und Lebensmittelkarten.

    Tiefer Frieden hüben und drüben!!

    Die Uckermark wunderschöne Landschaft mit freundlichen Gastgebern. Kloster Chorin ist nicht weit und die vielen märkischen Seen sind ein Badeparadies.

    Und ich erinnere mich an ein wunderbares Konzert in der Angermünder Marienkirche mit Professor Ludwig Güttler.

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