Öffentliche Bauten Nach 1945 August 2011
Als die Beethovenhalle in Bonn 1984 ihren 25. Geburtstag feierte, waren viele Bürgerinnen und Bürger dabei. Es gab einen Empfang, einen großen Ball und ein Jubiläumskonzert. So etwas hätten sich die Bonner ebenfalls zum Fünfzigsten ihrer guten Stube gewünscht, doch das lehnte die Stadtverwaltung ab. Es seien keine Veranstaltungen geplant, weil die Beethovenhalle zugunsten eines Festspielhauses abgerissen werde, hieß es. Dagegen gab es viele Proteste. Schließlich wurde das Projekt - ohne dass eine Entscheidung getroffen wurde - auf Eis gelegt.
Die 1957-59 erbaute Beethovenhalle ist die dritte, die den Namen des großen Sohnes Bonns trägt. Die erste wurde 1845 neben der Franziskanerkirche errichtet und aus Gründen des Brandschutzes kurz darauf wieder abgebrochen. Zur Feier des 100. Geburtstages Beethovens entstand an der Brückenstraße - heute Berliner Freiheit - die zweite Halle. Sie war mit Plätzen für 1.500 Besucher wie ihre Nachfolgerin ein Multifunktionsbau, 1944 wurde sie durch Bomben zerstört.
Obwohl die Schaffung von Wohnraum Priorität hatte, diskutierte man bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Neubau eines Festhauses. Die Finanzierung wurde damals unter anderem durch Benefizkonzerte internationaler Künstler ermöglicht. Vor allem waren es aber die Bonner Bürger, die in den wirtschaftlich schwierigen Nachkriegszeiten eine Million Mark bereitstellten.
Bundespräsident Theodor Heuss legte am 16. März 1956 den Grundstein für die neue Beethovenhalle. Vorausgegangen war ein Architektenwettbewerb, an dem sich 109 Büros beteiligt hatten. Als Baugrund war ihnen das Gelände am Rheinufer der kriegszerstörten Universitäts-Frauenklinik zugewiesen worden, denn wegen der Neuordnung des Straßenverkehrs konnte die Beethovenhalle nicht an derselben Stelle wie ihre Vorgängerin errichtet werden. Die Jury, der die Architekten Paul Bonatz und Otto Bartning angehörten, kürte den 29-jährigen Siegfried Wolske - einen Schüler Hans Scharouns - zum Gewinner. Sein 1959 vollendeter Bau wurde zu einem Wahrzeichen der Stadt.
Im Zentrum des Komplexes, bei dem die edelsten Werkstoffe - Granite aus Schweden, Marmor aus Italien, Teakholz aus Burma - verbaut wurden, liegt der 36 Meter breite und 49 Meter tiefe Saal, der von einer Kuppel bekrönt wird. Er fasst bis zu 1.980 Menschen und ist variabel zu bestuhlen. Außerdem entstand ein Studio mit rund 500 und ein Kammermusiksaal mit 240 Plätzen sowie ein Vortragssaal, der Mitte der 1990er Jahre um drei Seminarräume erweitert wurde. Die Besucher betreten das Gebäude von der flussabgewandten Seite. Ein länglicher Flachbau nimmt Kassenhalle und Garderobe auf. Durch eine Glastür gelangt man in das Hauptfoyer, von dem aus sich der Große Saal und kleinere Foyers erschließen.
Die Beethovenhalle blieb Siegfried Wolskes wichtigstes Werk; der Architekt gilt heute als bedeutender Vertreter des "organischen Bauens". Auch aus diesem Grund wurde die Beethovenhalle 1990 unter Denkmalschutz gestellt, darüber hinaus wegen der Rolle, die sie im gesellschaftlichen Leben Bonns spielt - als Konzerthaus und gleichsam als Haus der Bürger, die dort Bälle, Karnevalssitzungen und vielfältige weitere Veranstaltungen besuchen. Ein wichtiger Aspekt für die Unterschutzstellung war zudem die Tatsache, dass in der Halle vier Bundesversammlungen stattfanden, bei denen die Bundespräsidenten Walter Scheel, Karl Carstens und Richard von Weizsäcker - 1984 und 1989 - gewählt wurden.
Zusammen mit Architekt Wolske hatte die Bonner Firma Klais für den Hauptsaal der Beethovenhalle eine Orgel mit 5.258 Pfeifen und 67 Registern auf vier Manualen entwickelt - die beste, aber auch die teuerste in der ganzen Bundesrepublik. Wegen der hervorragenden Akustik gastierten die größten Orchester der Welt in der Beethovenhalle, doch gut 50 Jahre nach der Errichtung wurde der Raumklang des großen Saales als Argument für den Abriss geltend gemacht. Der Dirigent Kurt Masur sprach von einer trockenen Akustik. Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass die Halle für heutige Ansprüche technisch nachrüstbar ist.
Es liegt auf der Hand, dass öffentliche Gebäude von Zeit zu Zeit aktuellen technischen und energetischen Bedürfnissen sowie den Brandschutz-Vorschriften angepasst werden müssen. Anstatt sie zu modernisieren, geht der Trend im Augenblick jedoch in Richtung Abbruch zugunsten eines "schicken" Neubaus.
Aktuell zeigen verschiedene Beispiele, dass die Bedeutung der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Architektur von vielen, vor allem von den politisch Verantwortlichen, nicht wahrgenommen wird. Für sie scheint die Unterschutzstellung der Denkmale in ihrem Eigentum oft nicht relevant zu sein, obwohl sie selbst es sind, die Denkmaleigentümer zur Einhaltung der Gesetze verpflichten. Erst nach Protesten aus der Bevölkerung und aus wirtschaftlichen Gründen werden Prestige-Projekte aufgegeben - nicht aus Gründen des Denkmalschutzes.
So auch in Bonn: Den drei hier angesiedelten Unternehmen Telekom, Post und Postbank, die der Stadt ein neues Festspielhaus schenken wollten, stellte man den Bauplatz zur Verfügung, auf dem sich die geschichtsträchtige, unter Denkmalschutz stehende Beethovenhalle befindet. Die meisten der zehn eingereichten Entwürfe für das neue Konzerthaus sehen einen Abriss der Halle vor, darunter die der Büros Zaha Hadid und Hermann & Valentiny, die bei dem Auswahlverfahren als Sieger benannt wurden. Die Planungen liegen jedoch auf Eis, weil sich die Stadt eine Mitfinanzierung des ambitionierten Projekts zur Zeit nicht leisten kann.
Für die Realisierung des Festspielhauses hat sich die Bewegung "Fest.Spiel.Haus.Freunde" zusammengeschlossen, für die Erhaltung des Denkmals gründeten 30 Mitglieder der vorangehenden gleichnamigen Bürgerinitiative im Mai 2010 den Verein "ProBeethovenhalle". Der eingetragene und gemeinnützige Verein mit Altbundespräsident Walter Scheel als Schirmherrn betreibt intensive Öffentlichkeitsarbeit für eine denkmalgerechte Restaurierung der Beethovenhalle und führt den Dialog mit Institutionen der (Kultur-)Politik auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene, der Musik, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Darüber hinaus entwirft der Verein in seinen Arbeitsgruppen Konzepte zur nachhaltigen und nutzerfreundlichen Entwicklung des Standorts Beethovenhalle. So hat etwa die AG Architektur vor kurzem das Konzept für einen "Campus der Musik" erstellt, das die Sanierung der Halle und einen angrenzenden Neubau vorsieht, in dem unter anderem ein Kammermusiksaal entstehen soll. Auf das Konto des Vereins geht außerdem die Initiative zur Wiederaufnahme eines Verfahrens, bei dem - in Zusammenarbeit mit dem LVR-Landesamt für Denkmalpflege - die Außenanlagen um die Beethovenhalle von Heinrich Raderschall unter Schutz gestellt werden sollen. Ein entsprechender Antrag liegt der Stadt Bonn seit dem Frühjahr dieses Jahres vor, ist aber bislang noch nicht vollzogen worden.
Zu den Mitgliedern des Vereins ProBeethovenhalle gehören die drei Bonner Studierenden Martin Bredenbeck, Constanze Moneke und Martin Neubacher. Zusammen mit weiteren Kommilitonen des Kunsthistorischen Instituts der Bonner Universität und ihrer Professorin Hiltrud Kier waren sie die ersten, die gegen den geplanten Abriss der Beethovenhalle öffentlich protestierten. Sie veranstalteten ein Kolloquium, bei dem einmal mehr herausgestellt wurde, um welchen bedeutenden Bau es sich bei der Beethovenhalle handelt. Für ihr großes Engagement wurden sie 2010 mit der Silbernen Halbkugel des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz ausgezeichnet.
Was die Bonner Verwaltung ablehnte, haben die Studierenden kurzerhand umgesetzt: Sie gratulierten der Beethovenhalle zum 50. Geburtstag mit einer Ausstellung, in der Arbeiten des Fotografen Hans Schafgans aus der Entstehungszeit des Denkmals gezeigt wurden.
Carola Nathan
Fast 17 Millionen Dollar. Das ist auch für das Auktionshaus Christie's keine alltägliche Summe. Bei 16,8 Millionen Dollar ist im Mai bei einer Auktion in New York für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst der Zuschlag erfolgt, und zwar für - und das ist ebenso ungewöhnlich - ein Bauwerk. Nicht einmal ein besonders großes.
Otto Bartning gehört zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Wegweisend sind seine Raumschöpfungen im Bereich des protestantischen Kirchenbaus.
Sie sind nur wenige Zentimeter dünn und überspannen dennoch große Hallen. Stützenfrei. Sie sind ingenieurtechnische Meisterleistungen und begeistern durch ihre kühnen Formen.
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Man kann es nicht oft genug sagen, was in der Beethovenhalle so alles steckt! Ein notwendiger Artikel! Hoffentlich lesen ihn alle aus dem Rat der Stadt.
Was mich stört ist, dass die Daxe den Bonnern ein Festspielhaus "schenken" wollten. Ich halte dem nach Art des Kabarettisten Pispers entgegen: Das "Geschenk" ist der Allgemeinheit seit Jahren aus der Tasche gezogen worden.
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