Sehen und Erkennen Romanik Juni 2011
Unsere Vorstellung von der Gestalt romanischer Kirchenräume wird vom heutigen Zustand geprägt. Im Laufe der Jahrhunderte kam es jedoch oft zu wesentlichen Veränderungen. So entspricht die zwischen 1129 und etwa 1150 erbaute Stiftskirche auf dem Schiffenberg bei Gießen in ihrer schlichten, aber eindrucksvollen Erscheinung so ganz unserem Bild von einer romanischen Kirche.
Es dominieren die einfachen kubischen Formen der quadratischen Pfeiler, auf denen die schmucklosen Wände des Obergadens der Basilika ruhen. Sockelprofile, Kämpferplatten und ein profiliertes Gesims stellen den einzigen Schmuck dar. Klarheit und Ruhe gehen von der gleichmäßigen Bogenfolge der Arkaden, die glatt in die wuchtigen Mauern eingeschnitten erscheinen, von den einfachen Trichterlaibungen der hochsitzenden Fenster und vom Raumabschluss durch eine gerade Holzdecke aus. Deren einzelne, im Querschnitt quadratische Balken sind nur grob aus dem Rundstamm mit der Breitaxt herausgearbeitet worden.
Gibt aber dieses uns allen so liebgewordene Bild die Intentionen der romanischen Sakralbaukunst wieder? Wie passt dazu das Innere der Stiftskirche St. Georg in Oberzell auf der Insel Reichenau? Die Wandflächen der Basilika sind von einem Zyklus ottonischer Malereien des 10. Jahrhunderts bedeckt. Zu dieser farbenprächtigen, inhaltsreichen Ausschmückung der Wände passte keine rohe Balkendecke, schon eher die vorhandene, zurückhaltend mit einfachen Ornamenten bemalte Bretterdecke, ein Werk des späten 19. Jahrhunderts.
Es zeigt sich hier wie auch in anderen Fällen, dass die Architekten und Denkmalpfleger des Historismus dem Mittelalter näher standen als die des 20. Jahrhunderts, die durch die zeitgenössische Kunst keine Neigung zu farbiger Architektur besaßen. Man liebte Rauhputze, Sichtbeton und naturbelassenes Holz. Der Ruinencharakter der Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach kam diesem Zeitgeschmack entgegen. Auf den ersten Blick bestätigen die Deckenbalken des romanischen Dachstuhls aus der Zeit um 1170 die allgemeine Auffassung vom oberen Raumabschluss romanischer Kirchen. Doch fand man an der Unterseite der Balken die Dübellöcher für eine Verbretterung. Die karolingische Holzdecke aus der Erbauungszeit 821-28 saß tiefer, wie aus der nachträglichen Erhöhung der Mauerkrone, aber auch dem illusionistisch-plastisch gemalten Fries abzulesen ist. Dieser weist darauf hin, dass man sich auch den karolingischen Raumabschluss als bemalte Bretterdecke vorstellen muss.
Für die romanische Baukunst gibt es dafür zwei berühmte Beispiele. Das bekannteste ist die Hildesheimer Decke von St. Michael, die das Mittelschiff der ottonischen Basilika von 1010-33 abschließt, die jedoch später entstanden ist, vermutlich im 1. Viertel des 13. Jahrhunderts. Das zweite Beispiel ist die kleine romanische Kirche von Zillis im Schweizer Kanton Graubünden (s. Kopfgrafik links). Hier sind der einschiffige Sakralraum und sein oberer Raumabschluss einheitlich um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden. Diese Martinskirche erhielt dann in der Spätgotik einen neuen polygonalen Chor, blieb im übrigen aber dank ihrer Abgeschiedenheit von der Entfernung oder der Übermalung ihrer farbigen Holzdecke verschont.
Einmal für das Thema sensibilisiert, entdeckt man weitere Beispiele für bemalte Bretterdecken auch da, wo nur noch Spuren davon zu erkennen sind. So beweisen die vier mit Ranken bemalten Deckenbalken im Kapitelsaal des ehemaligen Benediktinerklosters Großcomburg bei Schwäbisch Hall (s. Kopfgrafik rechts), dass auch hier der obere Raumabschluss im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts aus einer bemalten Bretterdecke bestand.
Wenn die noch existierenden Beispiele so selten sind, liegt es daran, dass heute nur wenige romanische Dachstühle und damit Balkendecken erhalten sind. Sie wurden allzu oft ein Raub der Flammen, denn Kirchenbrände waren im frühen und hohen Mittelalter sehr häufig. Der Funkenflug zahlreicher Kerzen und Kienspäne ließ die Holzdecken leicht entflammen. In der Chronik der meisten romanischen Kirchen liest man von Brandkatastrophen. Auch St. Michael in Hildesheim wurde bereits um das Jahr 1162 durch ein Feuer schwer beschädigt.
Die häufigen Brände waren wohl auch der Grund, vom 12. Jahrhundert an das Einbringen steinerner Wölbungen zu betreiben. Dies geschah beispielsweise beim Dom von Speyer unter Kaiser Heinrich IV. in der Zeit um 1100, gleichzeitig auch bei den beiden großen Klosterkirchen von Caen in der Normandie, die ähnlich wie der Dom in Speyer zuvor nur in den Seitenschiffen gewölbt waren. Bei der Klosterkirche von Ilbenstadt in der hessischen Wetterau zog man um das Jahr 1500 unter die romanische, dendrochronologisch auf 1134 datierte Balkendecke viereinhalb steinerne Kreuzrippengewölbe ein. Bei der letzten Restaurierung in den 1960er Jahren plante die Kirchengemeinde, die Gewölbe herauszubrechen, um den romanischen Zustand mit den deutlich steileren Raumproportionen wiederherzustellen. Die Denkmalpflege bestand jedoch auf der Erhaltung der Gewölbe.
So wie man hier am historisch gewachsenen Zustand festhielt, wird man wohl trotz der kunstwissenschaftlichen Erkenntnisse über den ursprünglichen Raumabschluss flachgedeckter romanischer Kirchen sicher auch das liebgewordene Bild der sichtbaren Deckenbalken nicht zu Gunsten einer Rekonstruktion des ursprünglichen Zustands verändern.
Prof. Dr. Dr.-Ing. E. h. Gottfried Kiesow
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