Öffentliche Bauten 1925 April 2011 J

In Frankfurt (Oder) beeindruckt das neue Justizzentrum

Zeitschichten der Rechtsästhetik

Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) hatte im vergangenen Sommer alle Hände voll zu tun. Der große Behördenumzug - vom Oderturm in das Gebäude des ehemaligen Amtsgerichts von 1933 - brachte rund 5.500 laufende Meter Akten und 200 Kubikmeter Regale in Bewegung. Doch die Mühe lohnte sich. Nach drei Jahren Leerstand und anschließendem Umbau bezog die Staatsanwaltschaft mit dem Amtsgericht ein wahres Schmuckstück des Neuen Bauens in Brandenburg - und eines der wenigen erhaltenen Architekturbeispiele preußischer Gerichtsbarkeit aus der Weimarer Republik.

Eine feingliedrige Leuchtskulptur illuminiert das zentrale Treppenhaus mit seinen elegant geschwungenen Linien. Das Fensterband in Anlehnung an die Glaskunst der 1930er Jahre wurde von einem Münchner Künstler gestaltet. 
Frankfurt/Oder, Justizzentrum © Linus Lintner
Eine feingliedrige Leuchtskulptur illuminiert das zentrale Treppenhaus mit seinen elegant geschwungenen Linien. Das Fensterband in Anlehnung an die Glaskunst der 1930er Jahre wurde von einem Münchner Künstler gestaltet.

Mit den Sozialen Diensten der Justiz und dem Verwaltungsgericht als weiteren Mietern ballt sich im Herzen der Stadt ein äußerst praktisches Justizzentrum mit innerbehördlich kurzen Wegen. Es ist aber auch ein Gebäudeensemble mit drei historischen Bauteilen, von denen zwei seit 2003 unter Denkmalschutz stehen. Dazu ein neuer Anbau von dem Architekturhaus SEHW in Berlin, das den gesamten Umbau und die Wiederherstellung der Bestände in enger Zusammenarbeit mit Denkmalpflegern und Restauratoren durchgeführt hat.

Zu Recht wurden die Berliner Architekten mit diesem Projekt für den New Yorker Modernism Prize 2010 nominiert. Der fünfgeschossige Gebäudeteil von 1933 mit seiner für die Neue Sachlichkeit so typischen runden Ecke trägt wieder den mineralisch glänzenden Steinwaschputz der Entstehungszeit. Und auch der wichtigste Raum, das geschwungene Treppenhaus mit seinem weiten Treppenauge, hat die ursprüngliche Farbigkeit nach Ergebnissen von restauratorischen Untersuchungen zurückerlangt. In Anlehnung an die Glaskunst der 1930er Jahre schuf hier der Münchner Künstler Christian Wichmann das die Etagen durchziehende Fensterband.

Der fünfgeschossige Gebäudeteil zur Bachgasse hin wurde durch die Bauverwaltung der preußischen Regierung als Land- und Amtsgericht geplant und 1933 eingeweiht. 
Frankfurt/Oder, Justizzentrum © Linus Lintner
Der fünfgeschossige Gebäudeteil zur Bachgasse hin wurde durch die Bauverwaltung der preußischen Regierung als Land- und Amtsgericht geplant und 1933 eingeweiht.

Schon Ende der 1930er Jahre war das ehemalige Amtsgericht zu klein geworden und musste erweitert werden. Dieser Bauabschnitt von 1937/38, heute das Mittelstück der Zeitschichten am Justizzentrum, schließt sich unmittelbar an und steht ebenfalls unter Denkmalschutz. Ihm fügt sich zu guter Letzt ein Erweiterungsbau aus den 1950er Jahren an, dessen Lochfassade mit den tiefliegenden Fenstern ohne Teilung einen gelungenen Kontrast zum Gebäudetrakt der Klassischen Moderne bildet.


Neben der großen Herausforderung, mit den gestalterischen Überformungen des stark kriegszerstörten Gebäudes aus der Zeit der DDR sowie unmittelbar nach der Wiedervereinigung umzugehen, waren an die Modernisierung des Komplexes natürlich auch zeitgenössische Erwartungen geknüpft. Etwa die, dass die Asservatenkammer, wo Beweismaterial zur Aufklärung von Straftaten gelagert wird, eine Sicherheitsverglasung benötigt. Oder statt der früheren Arrestzellen im Keller adäquate Räumlichkeiten für die auf ihre Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft Wartenden. Und selbstverständlich auch die notwendigen Elemente eines zeitgemäßen Brand- und Sonnenschutzes sowie der Gebäude- und Sicherheitstechnik.

Die Wiederherstellung der für die Entstehungszeit typischen Farb- und Materialgestaltung gelang nach restauratorischen Voruntersuchungen. 
Frankfurt/Oder, Justizzentrum © Linus Lintner
Die Wiederherstellung der für die Entstehungszeit typischen Farb- und Materialgestaltung gelang nach restauratorischen Voruntersuchungen.

Denkt man einmal an die zahlreichen Gewänder zurück, in denen sich die Rechtssprechung in der Vergangenheit präsentierte - von der Dorflinde über die mittelalterlichen Gerichtslauben zu den monumentalen Justizpalästen des 19. Jahrhunderts -, ist es folgerichtig, dass auch das Frankfurter Bauensemble ein zeitgenössisches Statement zur Rechtsästhetik beisteuert: Im Innenhof ragen nun die schwarze Kunststoffverkleidung des Neubauteils und seine vertikal durchgehenden Fensteröffnungen zwischen dem Weiß des Neuen Bauens und der Nachkriegsmoderne empor. Und regen zum Nachdenken an - auf jeden Fall über die Mannigfaltigkeit der äußeren Umstände, unter denen Recht gesprochen werden kann, das Verhältnis zur Öffentlichkeit und die Tatsache, dass alles einst als Versammlung unter freiem Himmel begann.

Catharina Winzer

Büßen hilft dem Denkmalschutz

Im Mittelalter hatten die großen Sünder ihrer Zeit ein starkes Unrechtsbewusstsein, aus dem heraus sie sich bereitwillig Buße für ihre Untaten auferlegten. Der sächsische Markgraf Gero wurde von König Otto I. 936 mit der Kriegsführung gegen die Slawen an Saale und Elbe beauftragt, die ihr Stammesgebiet nicht räumen und sich nicht christianisieren lassen wollten. In den erbitterten Kämpfen bezwang Gero die Slawen durch eine schäbige List: Er ließ 30 slawische Fürsten bei einem Gastmahl unter Alkohol setzen und dann ermorden. In der Schlacht an der Raxa veranlasste er, dem Berater seines Gegners Fürst Stoignew die Augen auszustechen und die Zunge herauszureißen, außerdem alle 700 gefangenen Slawen zu enthaupten.

Die Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode wurde – auch aus Reue – 959 von Markgraf Gero gegründet. Sie ist ein Förderprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. 
Gernrode, St. Cyriakus © ML Preiss, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn
Die Stiftskirche St. Cyriakus in Gernrode wurde – auch aus Reue – 959 von Markgraf Gero gegründet. Sie ist ein Förderprojekt der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Ein weltliches Gericht hatte er für diese Gräuel nicht zu befürchten, denn er selbst verkörperte das Gesetz. Doch um sein Seelenheil war ihm bange, vor der Länge des Fegefeuers oder gar vor der ewigen Verdammnis. Die drohende Strafe des Himmels schien er im frühen Tod seiner beiden Söhne zu ahnen. Er gründete die Stiftskirche in Gernrode - heute ein berühmtes Baudenkmal der ottonischen Baukunst - und unternahm als Buße kurz vor seinem Tod 965 eine Pilgerfahrt nach Rom. Auf ähnliche Weise entstanden aus Bußgeldern der großen und kleineren Missetäter viele Kathedralen, Klöster, Kirchen und Kapellen der Romanik und Gotik.

Leider haben die Steuersünder und die Hasardeure unserer Zeit, die aus Gier Billionen verzocken und dadurch die Weltwirtschaft an den Rand des Ruins führen, kein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein. Dafür unterliegen sie aber unserer Justiz, die über alle richtet, wenn sie denn erwischt werden.

Häufig einigen sich Staatsanwälte, Richter und Angeklagte, anstelle einer Bestrafung auf ein Bußgeld, das neben sozialen Zwecken gelegentlich auch über unsere Stiftung dem Denkmalschutz zugute kommt. Da die Zahl der Zuweisungen an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz von 558 im Jahr 2007 auf 387 im Jahr 2010 zurückgegangen ist, ist es mir ein Anliegen, die Richter, Staats- und Rechtsanwälte daran zu erinnern, wieviel Gutes wir damit bewirken konnten. Wir halfen nicht nur wie im Mittelalter der Baukunst, sondern auch bei der Sanierung von Wohnraum für einkommensschwache Bürger. Wir gaben außerdem Fördermittel, damit die Dorfkirchen als einzig verbliebene Stätten der Kommunikation erhalten werden können, oder für die Jugendbauhütten, die ein bewährtes freiwilliges Jahr für die Denkmalpflege bieten und zugleich als Berufsorientierung für Schulabgänger in einer Gemeinschaft Jugendlicher dienen. Wir unterstützten die Bewusstseinsbildung zugunsten des Denkmalschutzes in Schulen oder die Fortbildung von Handwerkern auf dem Gebiet der Denkmalpflege.

Es wäre schön und überaus wichtig, mit meinem Appell diejenigen Juristen unter unseren Leserinnen und Lesern oder deren Bekannte zu erreichen, die die Möglichkeit haben, für das Anliegen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zu werben.

Darüber würde sich sehr freuen
Ihr dankbarer
Gottfried Kiesow



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