Öffentliche Bauten Handel April 2011 M
Nicht die Gelehrsamkeit allein muß, Leipzig, dein Gelücke seyn. Mein Handel, den ich hier beständig pflanze, verschaffet dir das meiste Theil zu deinem Glanze!"
So selbstbewusst äußert sich in der Bach-Kantate "Erwählte Pleißenstadt" der flinke Götterbote Merkur, "Schirmherr" über Märkte und Kaufleute. Und damit übertreibt er nicht einmal: Leipzig verdankt seine Blüteperioden in den vergangenen 1.000 Jahren tatsächlich weniger den Universitätsgelehrten als zuallererst dem Handel. Ihn "pflanzte" Merkur geschickt ins mittlere Deutschland, denn in der urbs Lipzi kreuzten sich die von Osten nach Westen verlaufende Hohe Straße, auch via regia genannt, und die via imperii, eine ebenso wichtige Nord-Süd-Verbindung. An dieser Schnittstelle, auf deren Standort-Vorteil die Leipziger Messe GmbH auch heute wieder setzt, konnte sich Leipzig zum bevorzugten Austauschort für Metalle und Metallwaren, Tuche, Seide, Wein, Pelze und Wachs und nicht zuletzt für Bücher entwickeln.
Seit dem Mittelalter bestimmt die Messe das Leben der als weltoffen, gastfreundlich und geschäftstüchtig geltenden Bürger und drückte dem ganzen Stadtbild ihren Stempel auf, besonders seit Maximilian I. (1459-1519) der Stadt 1497 das Reichsmesseprivileg erteilte. Bevor die Jahrmärkte etwa ab dem 12. Jahrhundert innerhalb der Stadtbefestigung abgehalten wurden, bestand der Leipziger Messehandel aus einem Tausch von Wagen zu Wagen.
Später, im Zeitalter der Renaissance, spielte der 1530 bis 1538 zwischen Grimmaischer Straße und Neumarkt in zentraler Lage errichtete, nach seinem Besitzer Dr. Heinrich Stromer von Auerbach benannte "Auerbachs Hof" eine herausragende Rolle. Heute denken wir sofort an den gleichnamigen Keller, den Goethe als Schauplatz in seinem "Faust" verarbeitete. Aber hier ist nicht das unterirdische Gewölbe, sondern eines der damals typischen Handelshäuser gemeint, wo unter einem Dach gewohnt, gearbeitet, gelagert und repräsentiert wurde. In ihren Binnenhöfen, den Durchhöfen, ließ es sich in kleiner Runde prächtig feilschen. Stammkunde in "Auerbachs Hof", der mit Luxuswaren aller Art glänzte, war einst August der Starke (1670-1733). Er logierte bei seinen Messebesuchen (eifrige Historiker zählten in 39 Regierungsjahren mindestens 30 Reisen) stets im benachbarten Königshaus.
Noch 1785 ist in den "Freyen Bemerkungen" nachzulesen: "Es ist dieser Hof, besonders die Messe durch, der lebhafteste Ort in ganz Leipzig. Der sächsische Stadt- und Landadel versammelt sich von elf bis zwölf daselbst in großer Menge, bewundert die schönen Sachen, gafft sie mit ihren bemalten Gesichtern an, fragt, was sie kosten, - und gehen in ander Gewölbe ...".
Weil die Geschichte der Messe neben einer Geschichte des Handels auch immer eine des Wandels ist, dürfen wir uns nicht wundern, dass "Auerbachs Hof" 1912 abgebrochen wurde, damit an gleicher Stelle ein "zeitgemäßeres" Messehaus, die monumentale neobarocke Mädlerpassage, entstehen konnte. Hatten die engen Kaufgewölbe vielleicht noch den Ansprüchen jener "Krämerseelen" genügt, die weder säuberlich geordnete Auslagen noch elektrisches Licht kannten, sagten zum Ausgang des 19. Jahrhunderts immer mehr unzufriedene Kaufleute ihre Beteiligung an den Märkten ab, und die Leipziger Messe geriet in eine erste echte Existenzkrise.
Zudem hatte mit dem Beginn der Massenproduktion die Warenmenge so sehr zugenommen, dass die Händler unmöglich alle ihre Stoffballen, Bücher oder gar Maschinen zum direkten Verkauf nach Leipzig transportieren konnten. Die althergebrachte Warenmesse musste sich allmählich - in Leipzig übrigens weltweit zuerst - zur Mustermesse wandeln, wo industriell hergestellte Produkte nach Ansicht eines Probeexemplars bestellt wurden. Offiziell eingeführt wurde sie 1895 - anfangs sehr umstritten, aber erfolgreich nachgeahmt 1915 in London, ein Jahr später in Lyon, Bordeaux, Lausanne, Mailand und von Leipzigs Hauptkonkurrentin, der Stadt Frankfurt am Main.
Die Mustermesse brachte einen ganz neuen Gebäudetyp, den Messepalast, hervor. Ab 1893 entstanden, oft auf den Fundamenten alter Kaufmannshöfe, mehr als 30 Paläste in der Altstadt. Dies ist ein weiterer Superlativ für Leipzig, wo sich die Großhandelshäuser mit ihren charakteristischen "Zwangsrundgängen" - sie führten die Messebesucher unausweichlich an sämtlichen Ständen der Aussteller vorüber - auf einmalige Weise konzentrieren. Dem ersten und wegweisenden Mustermessebau, dem Städtischen Kaufhaus, fiel 1894 sogar ein Stück legendärer Leipziger Kultur, der Konzertsaalflügel des alten Gewandhauses, zum Opfer, ein deutliches Zeichen dafür, dass dem Handel auch damals schon der Vorrang vor der Kunst eingeräumt wurde.
Bis Ende der zwanziger Jahre stieg Leipzig zur "Weltmessemetropole" auf. Ihren internationalen Ruf machte sich Hitler zunutze, indem er sie zur "Reichsmessestadt" erkor, Goebbels Propagandaministerium unterstellte und ab 1934 eine pompöse Leistungsschau der deutschen Wirtschaft inszenierte. Für politische Zwecke instrumentalisiert wurde sie auch zu DDR-Zeiten: Riesige Universalmessen präsentierten der östlichen und westlichen Welt "neueste" technische Errungenschaften. Bei diesen Mammutmessen, zu denen auch schaulustige DDR-Bürger anreisten, um zu sehen und zu kaufen, was es sonst nicht zu bewundern gab, nutzte man neben den Innenstadt-Palästen weiterhin das 1913 für die Technische Messe angelegte Ausstellungsgelände der Internationalen Baufachausstellung (IBA) am Fuße des Völkerschlachtdenkmals.
Mit den vom Stadtkern isolierten, übersichtlich angeordneten, zum Teil von renommierten Architekten wie Wilhelm Kreis entworfenen Messehallen, wurde die vorerst letzte Entwicklungsphase der neuzeitlichen Messe-Architektur eingeleitet. Sie gipfelte 1996 schließlich in der Einweihung der imposanten Neuen Messe auf dem Gelände des ehemaligen Messeflugplatzes Mockau weit außerhalb im Norden der Stadt. Weil man nach der Wende 1989 durch die plötzliche Konkurrenz westeuropäischer Fachmessen den Tod der "Mutter aller Messen" fürchtete und die Restaurierung der historischen Messepavillons Berechnungen zufolge mindestens ebenso teuer wie Neubauten geraten wäre, entschied man sich dafür, einen komplett neuen Messe-Stadtteil auf der "grünen Wiese" zu planen. Auf dem Gelände der Leipziger Messe gibt es nun fünf miteinander verbundene Ausstellungshallen von jeweils 20.500 Quadratmetern Fläche, eine zentrale Glashalle und ein Kongresszentrum. Die beiden saisonalen Universalmessen wurden in den 1990-er Jahren von Fachmessen abgelöst.
Manche Leipziger bedauern jedoch diese auf einen europaweiten Wettstreit ausgerichtete Entwicklung. Sie vermissen die Intimität "ihrer Messe", das Menschengewirr und Verkehrschaos, den Trubel und die spannenden Begegnungen in den Cafés der Innenstadt, besonders an den Tagen des Büchermarkts, wenn sich Literaten und Literaturliebhaber zu Lesungen treffen. Denn für die Leipziger bedeutet "Messe" mehr als bloß Warentausch und Produktpräsentation; sie war immer offizieller Akt, Stadtfest und kulturelles Ereignis.
Mittlerweile gehört die Leipziger Messe GmbH wieder zu den zehn größten Messegesellschaften in Deutschland. Als Instrument der Wirtschaftsförderung generiert sie Produktionswirkungen von mehreren hundert Millionen Euro. Ziel der Messegesellschaft ist es, enger mit Moskau, Kiew, Warschau und Prag zu kooperieren. Außerdem möchte die Geschäftsführung der Leipziger Messe intensiv mit der Messe Dresden zusammenarbeiten, damit ein führender Messestandort im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien entstehen kann.
Christiane Schillig
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