Kleine und große Kirchen Romanik Ikonographie Juni 2010

Die Wandmalereien der Sigwardskirche in Idensen werden gerettet

Wer verschafft ihr gute Luft?

Die Alte Kirche in Idensen ist ein besonderes Kleinod. Eine romanische Kirche, in ihrer ursprünglichen Form kaum verändert, wie man sie in Deutschland nicht mehr häufig findet. Schon bei der Ankunft in Idensen, einem Ortsteil von Wunstorf, nahe beim Steinhuder Meer ist der Besucher von der schlichten, idyllisch liegenden Dorfkirche, die auch Sigwardskirche genannt wird, angetan.

Blick in das Langhaus der Sigwardskirche. Auf der linken Gewölbeseite ist die Pfingstszene, die Ausgießung des Hl. Geistes zu sehen. 
© R. Rossner
Blick in das Langhaus der Sigwardskirche. Auf der linken Gewölbeseite ist die Pfingstszene, die Ausgießung des Hl. Geistes zu sehen.

Betritt er dann durch die Westpforte das Gotteshaus, wird der Blick in den einschiffigen, feingliedrigen Raum und von dort zum Gewölbe gelenkt, wo in harmonischer Einheit mit der romanischen Architektur Deckenmalereien aus der gleichen Zeit in noch erstaunlich leuchtenden Farben auf sich aufmerksam machen.


Fasziniert studiert der Besucher Szenen aus der Heilsgeschichte und aus Legenden der Heiligen Petrus, Paulus, Michael und Ursula. Dieser Märtyrerin und ihren elftausend Jungfrauen ist die Kirche geweiht. In die Betrachtung versunken, wird dem Besucher erst allmählich ein regelmäßig wiederkehrendes Brummen bewusst. Das Geräusch rührt von einer Entlüftungsanlage im Turm her. Bis vor drei Jahren hätte der Besucher auch gemerkt, dass - im Gegensatz zu dem übrigen, sauber gearbeiteten Quadermauerwerk aus Sandstein - die Bodenplatten sehr viel dunkler aussahen, hie und da sogar algengrüne Patina aufwiesen und dass die verputzten Wände bis in Kniehöhe feucht wirkten. Symptome, die das Pfarrersehepaar Anke und Elmar Orths bestätigen: "Das schwerwiegende Grundproblem der Kirche ist: Sie steht auf sehr nassem Boden."

An erhaltenen Partien ist die hervorragende Qualität der Malereien gut zu erkennen. 
© Tobias Trapp
An erhaltenen Partien ist die hervorragende Qualität der Malereien gut zu erkennen.

Anfang 2003 wurden die letzten Restaurierungsarbeiten zur Trockenlegung der Kirche so weit abgeschlossen. Seither sorgt ein aufwendiges, computergesteuertes Heizungs- und Entlüftungssystem dafür, dass die Feuchtigkeit vermindert und die ausblühenden Mauer- und Putzsalze, die gerade für die empfindlichen Wandmalereien so schädlich sind, verhindert werden. Ein ausgeglichenes Raumklima bei jeder Witterung ist für die Kirche von grundlegender Bedeutung. Ein Konzept das sich bewährt: Seit das System im Einsatz ist, konnte die Luftfeuchtigkeit von 85 Prozent auf den angestrebten Wert von durchschnittlich 72 Prozent vermindert werden.

Die Klimaanlage wurde in der baugeschichtlich hochinteressanten Kirche vor allem zum Schutz der einmaligen Malereien installiert. Sie waren 1885 unter einem vermutlich im 17. Jahrhundert aufgebrachten Kalkanstrich entdeckt worden und sind erst seit 1934 vollständig freigelegt.

Um 1125 ließ Sigward, Bischof von Minden (1120-40), auf dem Eigengut in "Idanhusen" seine Grabkirche bauen. Hier auf dem Land verbrachte er die Sommermonate, hier wollte er, der weitgereiste und gebildete Gottesmann, der zum engsten Beraterkreis um Kaiser Lothar III. gehörte, die letzte Ruhe finden. Den Malereien liegt ein theologisch fundiertes Bildprogramm mit Szenen aus dem Alten und Neuen Testament zugrunde. Um 1130 wurden in den Gewölbefeldern und an den oberen Wandzonen die byzantinisch geprägten Malereien, die als die ältesten auf deutschem Boden gelten, in einer komplizierten Maltechnik ausgeführt. Wer die begabten Künstler waren, die auch zerriebene Halbedelsteine wie Lapislazuli und Malachit verwendeten, - ob aus dem Benediktinerkloster Helmarshausen oder aus dem Umfeld der Kölner Monumentalmalerei - wird in der Forschung noch diskutiert.

Schlanke Säulen mit Würfelkapitellen gliedern den Raum und tragen das Gewölbe. 
© Tobias Trapp
Schlanke Säulen mit Würfelkapitellen gliedern den Raum und tragen das Gewölbe.

1987 wurde die Kirche in das vom damaligen Bundesministerium für Forschung und Technik unterstützte interdisziplinäre Forschungsprojekt "Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen" aufgenommen, und seit sieben Jahren werden die Ergebnisse und Methoden in Idensen angewendet.

Dabei ist es außerordentlich wichtig, die gesicherten romanischen Malereien zu beobachten, um etwaige Veränderungen frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Zu diesem Zweck werden fünf verschiedene Wandflächen in DinA3-Größe mittels spezieller Fotos und Infrarotaufnahmen erfasst und "bespitzelt". Die monatlich aufgezeichneten Daten dieses Monitorings der Referenzflächen, wie der Fachausdruck lautet, werden zweimal im Jahr ausgewertet und dokumentiert.

Blick auf den Chor der bischöflichen Grabkirche. 
© R. Rossner
Blick auf den Chor der bischöflichen Grabkirche.

Die Baudenkmal-Stiftung Raum Hannover - 1999 in der Obhut der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gegründet - unterstützt die Kontrollmaßnahmen an der Sigwardskirche finanziell und beteiligte sich 2007 auch an der Sanierung des Fußbodens, dem eine wasserabweisende Fliesschicht unterlegt wurde. In den letzten Jahren hat sie Restaurierungen an mittlerweile 25 Denkmalen in der Region gefördert. Gerne würde sie auch weiterhin die so wichtige Überwachung der bedeutenden Malereien in der Sigwardskirche gewährleisten und ist daher für Zustiftungen in ihr Stiftungskapital dankbar.

In der Gemeinde von Idensen werden die gute Luft und das angenehmere Raumklima in der Kirche schon sehr geschätzt. In den Sommermonaten werden besondere Gottesdienste gefeiert, funden Trauungen und Taufen statt. Der 2005 gegründete Freundeskreis Sigwardskirche veranstaltet in dem Gotteshaus Konzerte, und im September 2009 wurde der Sigwards-Pilgerweg eingeweiht, ein 170 Kilometer langer Rundweg von Minden nach Idensen. Seither steht für müde Pilger nicht nur die Kirchenpforte offen.

Christiane Rossner

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1 Kommentare

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    Klaus Saeger schrieb am 21.03.2016 13:49 Uhr

    Als ich mich im Sommer 2009 anlässlich eines Besuchs in der Gegend aufhielt, habe ich einen Abstecher nach Idensen gemacht, in der Erwartung, die von der Fachwelt allseits gerühmte Besonderheit der Sigwardiskirche einmal selbst in Augenschein zu nehmen. Ich muss zugeben, dieser Bau hinterließ auch bei mir den Eindruck, man habe es mit etwas Außergewöhnlichem zu tun, weshalb ich mich voll und ganz dem allgemeinen Urteil anschließe.

    Selten kann man in solcher landschaftlichen Abgeschiedenheit ein derart feinsinnig im Umgang mit den Mitteln der Zeit strukturiertes Bauwerk antreffen, wie es hier der Fall ist. Die baulichen Ideen der Romanik finden sich auf das Schönste verwirklicht und bekommen durch die farblich hervorragend erhaltene Monumentalmalerei an Wänden und Gewölben, die auch heute noch sehr den Betrachter für sich einnehmen, eine unerwartet schöne künstlerische Überhöhung.

    Während meines übe eine Stunde andauernden Aufenthalts in der Kirche kamen immer wieder Neuankömmlinge hinzu, die zu denselben Eindrücken, wie ich sie hatte, gelangten. Dass die Malereien wegen der Bedrohung durch Nässe nunmehr der Kontrolle und eventuelle Restaurierung unterliegen, kann ich nur begrüßen. Daran möchte ich mich finanziell beteiligen, um dies zu unterstützen.

    Nach diesem Besuch ist der Tag für mich zu einem unvergesslichen Ereignis geworden.

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