Schlösser und Burgen Historismus Menschen für Denkmale August 2009

Sitz des Schleswig-Holstein Musik Festivals

Das Palais Rantzau in Lübeck

Lübeck, 9. Juni 2005 in der Parade 1: Elegant gewandete Menschen mit Sektgläsern in der Hand - darunter Senatoren und ein Bürgermeister - und bunte Fahnen, die vorm girlandengeschmückten Haus flattern, deuten auf ein besonderes Ereignis hin. Mittelpunkt der Veranstaltung: in diesem Fall der Veranstaltungsort selbst. Man begeht die feierliche Übergabe des Palais Rantzau an den neuen Nutzer. Für einen angemessenen musikalischen Rahmen des Festprogramms ist gesorgt, denn der neue Nutzer ist das Management des Schleswig-Holstein Musik Festivals.

Das Palais Rantzau: seit Juni 2005 Sitz des Schleswig-Holstein Musik Festivals 
© ML Preiss
Das Palais Rantzau: seit Juni 2005 Sitz des Schleswig-Holstein Musik Festivals

An dem sonnigen Junitag vor vier Jahren strahlten nicht nur blauer Himmel und Sonne, sondern auch alle Beteiligten: Professor Dr. Gottfried Kiesow, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), und Dr. Robert Knüppel, damaliger Stiftungs-Generalsekretär, waren äußerst zufrieden, denn der Stiftung wurde 2002 das Palais übertragen, und nun hatte die aufwendige Sanierung erfolgreich abgeschlossen werden können.

Bürgermeister Bernd Saxe war glücklich, weil das Palais Rantzau endlich kein Schandfleck mehr in Lübecks schöner Altstadt war. Zugenagelte Fenster und Türen, bröckelnder Putz und wild wuchernde Büsche vor der Fassade gehörten der Vergangenheit an. Und der neue Hausherr, Rolf Beck, Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals, freute sich, weil das großzügige und prächtige Palais von diesem Tag an in gebauter Form das Festival und seinen Erfolg angemessen zum Ausdruck bringen konnte.

So sah die Stuckatur zum großen Teil vor der Restaurierung aus. 
So sah die Stuckatur zum großen Teil vor der Restaurierung aus.
So sah die Stuckatur zum großen Teil vor der Restaurierung aus.

Für das Gebäude selbst ist die jetzige Funktion ein weiterer Abschnitt seiner langen, oft glanzvollen Geschichte. In unmittelbarer Nähe zum Dom, im Bereich der ehemaligen Domfreiheit gelegen, wurde es einst als Kurienhaus errichtet. Was der heutige Betrachter auf den ersten, flüchtigen Blick nicht erahnen kann, offenbart sich bei genauerem Hinsehen auf der Rückseite des Gebäudes. Die neogotischen Formen des Hauses, die 1858 ganz im Trend der Zeit im Burgenromantik-Stil entstanden sind, ummanteln mit ihrem hellen Putz einen mittelalterlichen Kern aus der Zeit von etwa 1300. Am Hintereingang sieht man noch die backsteinerne Urfassung des Gebäudes als Domkurie.

Vorne Neo-, hinten „richtige“ Gotik: Das Palais Rantzau verbirgt unter seinem Putz eine spannende Baugeschichte. 
© ML Preiss
Vorne Neo-, hinten „richtige“ Gotik: Das Palais Rantzau verbirgt unter seinem Putz eine spannende Baugeschichte.

Schon vor den massiven Veränderungen von 1858 unter seinem Besitzer Graf Kuno zu Breitenberg-Rantzau wurde das Palais immer wieder umgebaut. Im 18. Jahrhundert zum Beispiel hat man in der Diele eine großzügige zweiläufige Treppe eingebaut. Das Palais erhielt außerdem sein repräsentatives Schmuckstück: In der Beletage schuf Johann Nepomuk Metz 1762 einen prächtigen Saal mit feinen Rokokostuckaturen - bis heute bestens dazu geeignet, Besucher angemessen zu empfangen.

Das Schicksal der anderen Räume sah trister aus: 1901 wurde das Haus von der Stadt übernommen und als Bürogebäude langsam aber sicher seiner noblen Eleganz beraubt. Erst mit der Übernahme durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und der anschließenden behutsamen Restaurierung für 3,1 Millionen Euro konnte der Glanz von ehedem wiederhergestellt werden. Das war auch höchste Zeit. Deckenbalken waren schon gebrochen. Der sandige Baugrund sackte weg. Auch der Hausschwamm hatte sich ausgebreitet. Das Palais bot bei der Restaurierung einige Überraschungen: Nachdem die abgehängten Decken und eingezogenen Wände des 20. Jahrhunderts entfernt worden waren, zeigte sich der einstige großräumige Grundriss, entdeckte man Wandmalereien und Stuckdekorationen.

Für den Empfang illustrer Gäste bestens geeignet: der Rokokosaal in der Beletage 
© ML Preiss
Für den Empfang illustrer Gäste bestens geeignet: der Rokokosaal in der Beletage

Die benachbarte Oberschule zum Dom, die 2003/04 im Rahmen des DSD-Schulprogramms ein "denkmal aktiv"-Team bildete, beobachtete die Sanierungsmaßnahmen mit großem Interesse. Die damaligen Neuntklässler erlebten mit, wie im Labor Untersuchungen an den Holzbalken und am Mörtelmaterial vorgenommen wurden. Mit den Ergebnissen konnte der Bau der Domkurie auf etwa 1300 und nicht wie bisher angenommen ins 16. Jahrhundert datiert werden. Und die Wiedergewinnung der barocken zweiflügligen Treppe unter Berücksichtigung heutiger Sicherheitsstandards ließ die Schüler direkt in Kontakt mit kniffligen denkmalpflegerischen Fragen kommen. Sie stellten fest, wie viel Geschichte solch ein altes Gemäuer in sich trägt und wie sehr man sich nach einiger Zeit mit einem Haus verbunden fühlen kann. Bei den Mitarbeitern des Musikfestivals passierte das wesentlich schneller: Sie waren schon nach den ersten Arbeitstagen dem Charme des Palais erlegen. Und sind noch heute glücklich in ihrem, wie Intendant Rolf Beck es formulierte, "wunderschönem Zuhause im Herzen Lübecks".

Beatrice Härig


"Heimspiel - Deutschland entdecken"
Das 24. Schleswig-Holstein Musik Festival mit Präsenz unserer Stiftung

Unvergessen blieb für ihn die Nacht des Mauerfalls vor zwanzig Jahren: Der Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) Professor Rolf Beck hatte das geteilte Deutschland schmerzlich erlebt. Er durfte, da sein Vater bei der Bundeswehr arbeitete und aus diesem Grunde als Geheimnisträger galt, nie nach Ost-Berlin reisen. Deshalb und weil er weiß, dass vielen Deutschen die Vereinigung sehr nahe ging, wollte der Intendant beim 24. Schleswig-Holstein Musik Festival an die zurückgewonnene Freiheit und den Mauerfall erinnern. Daher heißt das Motto in diesem Jahr "Heimspiel - Deutschland entdecken".

©  Axel Nickolaus 
© Axel Nickolaus
© Axel Nickolaus

Noch bis zum 30. August 2009 wird an Spielorten in Schleswig-Holstein, Hamburg, Dänemark und Niedersachsen die deutsche Musikgeschichte aufgerollt.

Die enge Beziehung des Schleswig-Holstein Musik Festivals zur DSD besteht nicht nur in ihrem Verwaltungssitz im Lübecker Palais Rantzau. Unter den Spielstätten finden sich viele Denkmale, deren Sanierung von unserer Stiftung gefördert wurde - darunter die Kapelle von Schloss Plön, die Marienkirche in Lübeck oder das Herrenhaus Hasselburg. Weil zum kulturellen Reichtum Deutschlands auch die architektonische Vielfalt gehört, sind Vertreter der DSD-Ortskuratorien beim Festival präsent und vermitteln Aspekte der Baukunst und Denkmalpflege. Auch in diesem Bereich soll zusammenwachsen, was zusammengehört.

Christiane Schillig

Die Ortskuratorien Hamburg, Lübeck, Mölln und Rendsburg-Eckernförde sind mit Informationsständen beim Schleswig-Holstein Musikfestival 2009 vertreten:
1. Aug., ab 13 Uhr, Wotersen, Reithalle
8. Aug., ab 13 Uhr, Pronstorf, Kuhstall
27. Aug., ab 20 Uhr, Hamburg, Schuppen 52
Kartentelefon 0431/57 04 70, bestellung@shmf.de www.shmf.de

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